"We love": Heidi Horten Collection präsentiert Meisterwerke
Die Ausstellung führt das Konzept der Sammlungspräsentation "WOW!" weiter, die 2018 im Wiener Leopold Museum knapp 360.000 Besucher anzog. Im eigenen Museum waren es im ersten Jahr laut der Chefin rund 100.000 Besucher. "Das ist nicht so schlecht für uns. Wir finden uns total angenommen." Der große Wunsch des Publikums sei es aber gewesen, "die Meisterwerke noch einmal zu sehen". In der Schau gibt es für das Publikum nun auch die Möglichkeit, für seine Lieblingsbilder zu stimmen. Die Ergebnisse des Votings, an dem via #ARTfluence auch in den sozialen Netzwerken teilgenommen werden kann, werden ab Herbst 2024 bei der künftigen Dauerausstellung berücksichtigt, versicherte Husslein.
"Auf drei Ebenen und in den Lufträumen des Museums" (wie es im Pressetext heißt), sind auf 1.500 Quadratmetern Ausstellungsfläche Werkblöcke zu sehen, um die sich jedes andere Kunstmuseum reißen würde: eine hinreißende Vierergruppe von Schlitzbildern Lucio Fontanas in Grün, Rot, Weiß und Gelb, mehrere Werke von Starkünstler Francis Bacon, zwei davon recht unscheinbar in einem Neben-Kabinett, ein eigener Magritte-Raum, Arte Povera, Pop Art und deutscher Expressionismus in vielen Variationen, dazu Top-Namen von Mark Rothko bis Georg Baselitz und von Cy Twombly bis Gerhard Richter. Besonders stolz ist die Museumsleiterin auf zeitgenössische Dialoge und motivische Gegenüberstellungen: In London hat Husslein ein Gemälde des brasilianischen Künstlers Vik Muniz entdeckt, der auf ein Schiele-Blumenbild der Kollektion Bezug nimmt, neben Franz Marcs "Rote Rehe I" aus 1910 hat sie Roy Lichtensteins "Forest Scene", eine Reh-Skulptur der Französin Claude Lalanne und ein Bild des polnischen Künstlers Stanislaw Kubicki gruppiert. "Das war ihr letzter Ankauf", erinnert sich Husslein an die Museumsgründerin. "Sie hat sich darüber sehr gefreut. Sie war eine für Kunst sehr offene und sehr emotionale Frau."
Auch künftig wird es Ankäufe geben, die werden aber wohl etwas nüchterner als bisher abgewickelt - nämlich über einen Beirat, mit dem sich die Museumsleiterin abzustimmen und dem sie auch ein Drei-Jahres-Konzept vorzulegen hat. "Sie hat aber alles auf eine gute Schiene gestellt, dass das Museum in ihrem Sinne weiterarbeiten kann." Grundsätzlich soll es künftig zwei Ausstellungen pro Jahr geben, dazu Interventionen und Focus-Ausstellungen. Diese hat diesmal Tobias G. Natter in Zusammenarbeit mit Chefkurator Rolf H. Johannsen rund um das Gemälde "Kirche in Unterach am Attersee" von Gustav Klimt gestaltet. Dazu gibt es in einem eigenen Kabinett einige Leihgaben aus der Zeit des Fin de Siècle - etwa von Broncia Koller-Pinell, Hugo Henneberg, Emil Pirchan oder Carl Moll - sowie spätere Positionen - etwa von Josef Albers, Alighiero Boetti und Silvie Fleury -, die das quadratische Format aufnehmen. Mit dabei ist ein ungewöhnlicher grüner Jean-Michel Basquiat, 1983 bei einem auf Einladung eines Zürcher Galeristen verbrachten St. Moritz-Aufenthalts entstanden: "Alpendorf".
Über die Provenienz des 2011 von Heidi Horten erworbenen Klimt-Gemäldes (Erstbesitzer war der Industrielle Fritz Redlich) hat Natter einen langen Aufsatz für den Katalog verfasst. Was hält der Experte und früherer Direktor des Leopold Museums von den Anstrengungen der Erben nach Fritz Grünbaum, denen in den USA renommierte Institutionen wie das Museum of Modern Art in New York, die Morgan Library in New York und das Kunstmuseum von Santa Barbara in Kalifornien sieben Werke von Egon Schiele zurückgaben? Die US-Gerichte bewerteten die gleiche Faktenlage aufgrund eines anderen Rechtssystems anders als in Österreich, wo die Gültigkeit des Restitutionsgesetz auf diese Bilder abschlägig beschieden wurde, so Natter. Dennoch sei damit zu rechnen, dass sich auch auf österreichische Museen wir die Albertina und das Leopold Museum, die Werke aus der ehemaligen Sammlung Grünbaum haben, der Druck verstärken werde - Ausgang ungewiss. Eine andere Prognose traut sich Natter jedoch zu treffen: Klimts "Kirche in Unterach am Attersee" werde bei der Publikumswahl in der Heidi Horten Collection sicher ganz vorne landen.
Der Parcours durch das von Next Enterprise umgebaute Gebäude beginnt im zweiten Obergeschoss und führt vom Expressionismus, insbesondere in seiner deutschen Ausprägung, über die Kunst der 1960er- und 1970er-Jahre in die Gegenwart. Die ist auch im "Luftraum" gut vertreten. An einem Kletterseil hängt Anne Speiers Orang Utan "Funky Monkey" (2017), in Sichtweite daneben ein von Gelatin u.a. aus Holzrodeln und Hockeyschlägern gebastelter überdimensionaler Luster. Die österreichische Künstlergruppe, die Husslein 2003 in Salzburg als Rupertinum-Chefin mit einer pissenden Männerskulptur einen Skandal bescherte und jüngst einen ebenfalls nicht ganz unumstrittenen Brunnen in Wien eröffnete, ist mit zwei Plastilin-Verformungen der "Mona Lisa" auch in einem Kabinett mit jüngeren Ankäufen vertreten. Höhepunkt hier ist ein Ankauf aus 2023: Der "White Room" der österreichische Fotokünstlerin Sissi Farassat ist so geheimnisvoll wie bezaubernd - und des Reporters Lieblingsstück von "We love".
(S E R V I C E - "We love", Ausstellung in der Heidi Horten Collection, Wien 1, Hanuschgasse 3, 24.11.2023 bis 25.8.2024, tgl. außer Di 11-19 Uhr, Do 11-21 Uhr, Sammlungsführer: 19 Euro, Katalog zur Focus-Ausstellung: 18 Uhr, beide erschienen im Verlag für moderne Kunst, www.hortencollection.com )
Zusammenfassung
- Mit einer sehenswerten Ausstellung meldet sich die Heidi Horten Collection in den Wiener Ausstellungsbetrieb zurück.
- "WE ❤" zeigt ab Freitag eine beeindruckende Auswahl von rund 150 Werken aus der Sammlung der im Vorjahr verstorbenen Milliardärin Heidi Goëss-Horten.
- Eine andere Prognose traut sich Natter jedoch zu treffen: Klimts "Kirche in Unterach am Attersee" werde bei der Publikumswahl in der Heidi Horten Collection sicher ganz vorne landen.