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"Von einem Frauenzimmer" in Graz als Femizid-Trauerspiel

Mit der Uraufführung eines bürgerlichen Trauerspiels aus dem 18. Jahrhundert ist das Grazer Schauspielhaus am Freitag in die neue Saison und in eine neue Intendanz gestartet. Christiane Karoline Schlegels "Von einem Frauenzimmer" zeigt die Geschichte einer jungen Frau, die dem Willen ihres Liebhabers unterworfen und von ihm getötet wird aus einem weiblichen Blickwinkel, der das Geschehen weniger tragisch-romantisch als vielmehr brutal-patriarchalisch erscheinen lässt.

Schauspiel-Chefin Andrea Vilter hat für ihren Einstand ein Drama ausgegraben, das zwar 1778 entstanden, aber nie aufgeführt worden ist. Abgesehen von offensichtlichen Schwächen des Stücks - wenig ausgefeilte Sprache, blasse Nebenfiguren - ist dem Team rund um Regisseurin Anne Lenk ein stringenter, packender Abend gelungen.

Die Bühne (Judith Oswald) zeigt einen blutroten, nach hinten perspektivisch strak verengten Raum, der den Spielenden nur wenig Platz lässt und die geistige und gesellschaftliche Enge spürbar macht. Zum intensiven Rot gesellen sich monochrom lila Kostüme (Sibylle Wallum), zunächst im Stil der Entstehungszeit. Wenn das Geschehen und vor allem die emotionalen Übergriffe immer stärker und heutiger werden, wird auch die Kleidung moderner. Oft werden nur einzelnen Sätze gesprochen, dann wird es dunkel und erinnert an einen Film mit harten Schnitten.

Das Schema der Handlung ist ganz dem Genre angepasst: Baron Düval, mit duldsamer, edler Gemahlin hat sich in eine Freundin seiner Frau verliebt und kann nicht von ihr lassen. Als das Ganze vom Fürstenhof sanktioniert werden soll, droht dem Mädchen das Kloster. Doch der Baron nötigt die junge Frau, mit ihm zu sterben und tötet sie und sich selbst.

Ungewöhnlich ist, wie liebevoll und freundlich die Ehefrau gezeichnet ist, selbst die übliche Intrigantin oder der Intrigant fehlt, auch die anderen handelnden Personen meinen es eigentlich mit dem egoistischen Baron gut. Er steht zwischen den Frauen und kurzzeitig meint man, an Goethes "Stella" (in der Urfassung) erinnert zu werden, wenn er am liebsten mit beiden in Frieden zusammen sein möchte. Aber die Figur des Barons ist von Anfang an eher übergriffig in alle Richtungen dargestellt, eine Sichtweise, die der Text hergibt und heute stärker auffällt.

Die fast durchwegs neuen Ensemblemitglieder setzen den Text erfreulich präzise um, ohne ihn ins Lächerliche zu ziehen und zeigen damit die Sprengkraft, die Sätze wie "Du bist mein" vor dem Kontext der Frauenmorde aus Eifersucht in jüngster Zeit haben. Simon Kirsch zeigte einen dynamischen, selbstverliebten und egoistischen Baron, der so lange charmant zu den Frauen ist, so lange sie seinem Willen folgen. Als seine Ehefrau ließ Sarah Sophia Meyer bei allem Edelmut auch immer wieder die Verzweiflung über den untreuen Gemahl durchschimmern. Eine frische, lebendige und so gar nicht todessüchtige Amalia stellte Marielle Layher auf die Bühne, Željko Marović (Graf von Sternfeld) versuchte als wohlmeinender Freund den Baron vor dem Unglück zu bewahren, und Annette Holzmann (Frau von Doenberg) ist eine mondän-besorgte Freundin.

Das berührende Porträt eines einsamen Kindes in dem ganzen Beziehungsgewirr gestaltete Anna Klimovitskaya als Fränzchen. Sie spielt mit den Puppen den Tod des Paares nach, bevor ihn Kinder in den Masken dieser Puppen nachstellen und der Text auch noch einmal aus dem Off zu hören war. Das Schlussbild zeigt Kinder und Frauen mit drastischem Blutfleck am Körper als moderne Opfer von Femiziden und stellte einen eindringlichen Appell dar, vor diesem Thema nicht die Augen zu verschließen. Ein Abend, der sowohl vom Text als auch der gesellschaftspolitisch relevanten Umsetzung in spannender Ästhetik Lust auf mehr Aufführungen des neuen Schauspielhaus-Teams macht.

(S E R V I C E - "Von einem Frauenzimmer" von Christiane Karoline Schlegel im Grazer Schauspielhaus. Regie: Anne Lenk, Bühne: Judith Oswald, Kostüme: Sibylle Wallum. Mit Marielle Layher - Fräulein Amalie, Simon Kirsch - Baron Düval, Anna Klimovitskaya - Fränzchen, Annette Holzmann - Frau von Doenberg, Željko Marović - Graf von Sternfeld. Nächste Termine: 14,. 26., 27., 29. und 30. September sowie am 11., 12. und 27. Oktober. https://schauspielhaus-graz.buehnen-graz.com/)

ribbon Zusammenfassung
  • Das berührende Porträt eines einsamen Kindes in dem ganzen Beziehungsgewirr gestaltete Anna Klimovitskaya als Fränzchen.