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Vielfältig: Claudio Abbado Konzert des Festivals Wien Modern

Wie vielfältig und vielfarbig Neue Musik sein kann, hat das Claudio Abbado Konzert des Festivals Wien Modern am Sonntag im Wiener Musikverein eindrucksvoll unter Beweis gestellt. Das Hamburger Ensemble Resonanz, Residenzorchester an der dortigen Elbphilharmonie, brachte unter der Leitung von Enno Poppe Werke von Georg Friedrich Haas, Mark Andre, Isabel Mundry, Milica Djordjević und Poppe selbst zur Aufführung und sorgte dabei in jeder Hinsicht für Abwechslung.

Die Matinee begann schon im Foyer. "Open Spaces II. In memory of James Tenney" (2007) war das erste von drei "begehbaren" Haas-Werken des diesjährigen Festivals. Die Musikerinnen und Musiker waren dafür nicht nur in der prunkvollen Eingangshalle, sondern auch in der einstigen Kutschendurchfahrt verteilt. Johannes Fischer hatte mit seinem Schlagwerk vor dem Eingang zur Direktionskanzlei Position bezogen. Zwischen diesen Instrumentalinseln begann schon bald ein reger Publikumsverkehr, der den 18-minütigen Klangraum förmlich zum musikalischen Weiheraum werden ließ: Das Wien Modern-Publikum ist großteils Stammpublikum (und zum guten Teil wohl auch mit dem 1988 auf Initiative des Dirigenten und damaligen Generalmusikdirektors der Stadt Wien Claudio Abbado gegründeten Festival mit gealtert) - und weiß auch ganz ohne Instruktionen derartigen Ausnahmesituationen respektvoll zu begegnen.

Nach kurzer Pause ging es im Goldenen Saal mit einer von Mark Andres Miniaturen für Streichquartett weiter. Dass klassische Instrumente in der Neuen Musik ungewöhnliche Rollen als Klangkörper spielen können, ist ein Topos, der das Festival von Anbeginn an begleitet. Auch das GrauSchumacher Piano Duo griff bei Isabel Mundrys "Signaturen für zwei Klaviere, Schlagzeug und Streicher" (gespielt wurde nicht die angekündigte 30-minütige Neufassung, sondern die halb so lange Originalfassung) nicht nur in die Tasten.

Unter Poppes Anleitung ging es anschließend in seinen "Wald", der sich freilich weniger als Programmmusik, denn als fantasievolles Durchspielen von Möglichkeiten, vier Streichquartette gleichzeitig zum Interagieren zu bringen, und in dem der Komponist mit seinen ordnenden Bewegungen Assoziationen weniger zu Wald- denn zu Storchenvögeln evozierte. Noch ungewöhnlicher dann der Beginn des Schlussstückes dieses Konzertes: Die Uraufführung von "Jadarit" der in Belgrad geborenen und in Köln lebenden Milica Djordjević, Gewinnerin des Claudio Abbado Kompositionspreises 2020, begann mit einem vermeintlichen Störgeräusch. Der sich ruhig seinen Weg durch den Saal bahnende Mann mit einem Koffer voller rumpelnder Steine entpuppte sich als Schlagzeuger Dirk Rothbrust, der an seiner großen und mit ungewöhnlichen Instrumenten ausgestatteten Schlagwerk-Station das Zentrum der zwanzigminütigen Komposition für Schlagzeug und Streichorchester einnahm.

Jadarit ist das u.a. in Serbien abgebaute, doch selten vorkommende leichteste Metall auf dem Planeten, das etwa bei der Herstellung von Akkus für Elektroautos Verwendung findet. Und so konnte man - etwas Fantasie vorausgesetzt - auch alles zwischen Natur und Technik, Steinschlag und Motorenbrummen heraushören aus diesem gelungenen Konzert-Abschluss, an dessen Ende Komponistin und Schlagzeuger gleichermaßen umjubelt wurden.

(S E R V I C E - https://www.wienmodern.at)

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  • Wie vielfältig und vielfarbig Neue Musik sein kann, hat das Claudio Abbado Konzert des Festivals Wien Modern am Sonntag im Wiener Musikverein eindrucksvoll unter Beweis gestellt.