APA/Christian Benesch

Verschwimmende Grenzen bei Knebl/Scheirl auf der Biennale

Am 23. April startet in Venedig die 59. Kunstbiennale. Aus der erstmaligen Ausschreibung für die Bespielung des österreichischen Pavillons gingen Jakob Lena Knebl und Ashley Hans Scheirl hervor, die ihr Konzept mit Kuratorin Karola Kraus eingereicht haben. Im APA-Interview geben die beiden Einblicke in ihr Konzept.

APA: Durch die Corona bedingte Verschiebung der Kunstbiennale um ein Jahr haben Sie zusätzliche Zeit gewonnen. Inwiefern hat sich diese Zeit - aber auch die Zeiten - auf Ihr Konzept ausgewirkt?

Jakob Lena Knebl: Eigentlich hat sich nur eine Sache grundlegend geändert: Ursprünglich wollten wir auch mit Augmented Reality arbeiten, aber nach zwei digitalen Coronajahren bleiben wir jetzt beim Analogen.

APA: Der Titel Ihrer Ausstellung lautet "Invitation of the Soft Machine and Her Angry Body Parts": Wie haben Sie Ihren Beitrag thematisch ausgerichtet? Zeigen Sie Gemeinschaftsarbeiten oder nutzen Sie die Symmetrie des Pavillons, um Ihre Arbeiten einzeln zu präsentieren?

Knebl: Wir haben uns mit den 1970ern und deren Auswirkungen auf das Jetzt befasst. Mit Utopien, Dystopien, Bürgerrechtsbewegungen oder auch der Erdölkrise, die jetzt wieder aktuell ist. Die gespiegelte Architektur des Pavillons eignet sich perfekt für zwei Präsentationen, bei denen wir miteinander in einen Dialog treten.

Ashley Hans Scheirl: In den linken Hauptraum des Pavillons habe ich ein Proszenium hineingebaut, in dem - wie im Barocktheater - die flachen, hintereinander in den Raum gesetzten Kulissen eine Schichtung ergeben. Es ist eine begehbare Malerei, bei welcher die Besucher*innen das Kunstwerk durch ihre Bewegung im Raum vervollständigen und dadurch die Komposition ständig verändern. Dabei trifft man auf Protagonist*innen, die in meinen Arbeiten immer wieder vorkommen. In dieser nicht-linearen Erzählung tummeln sich Körperteile und Objekte, auch der Pharma- und militärische Komplex spielt hinein.

In meinen Arbeiten geht es um Macht und Ökonomie und deren Durchdringung durch Emotionen und libidinöse Begehrensströme. So genannte "Perversionen" wie Voyeurismus, Exhibitionismus und Fetischismus waren früher negativ behaftet und sind inzwischen massenhaft akzeptabel und verwertbar geworden.

APA: Aber auch die Malerei spielt in Ihrer Präsentation eine große Rolle?

Scheirl: Wände und Kulissenelemente sind mit bedruckten Tapeten überzogen, die stark vergrößerte Ausschnitte aus bereits existierenden Malereien von mir zeigen. Sie bilden den Hintergrund für meine aktuellen Malereien. In einem Bild porträtiere ich mich etwa als verrückt gewordenen neoliberalen Surrealisten: "S_her's lost it" ist der Name des Bildes. Ich versuche, zwischen den verschiedenen Genres der Malerei eine Dynamik zu erzeugen. Damit folge ich unserer Formel "trans ... -Medium, -Genre, -Identität, -Materialität, -Kontext, ..."

APA: Jakob Lena Knebl, bei Ihnen steht ja mehr die Skulptur im Zentrum ...

Knebl: Ja. Dominierend in meinem Bereich des Pavillons ist eine Metallkonstruktion, die vom Centre Pompidou inspiriert ist. Es war das erste Museum, das niederschwellig und auf gleicher Augenhöhe gedacht wurde. Das hat auch viele Kontroversen ausgelöst. In meinen Skulpturen beschäftige ich mich damit, wie sich Identität durch unser Begehren konstruiert. Dabei spielen Mensch-Ding-Beziehungen eine große Rolle sowie die Identität des Materials, der Medien und der unterschiedlichen Genres. Ich werfe hier einen Blick zurück in die Kunst- und Designgeschichte, deren Trennung willkürlich ist.

Meine Skulpturen sind Hybride. So etwa die zentral positionierte grüne Skulptur. Sie ist ein Selbstporträt, bestehend aus einem S-Chair von Verner Panton sowie Elementen von Henry Moore, Botero, Henri Laurens und Robert Crumb. Meine Installationen machen sichtbar, womit ich mich derzeit befasse. Ich hinterfrage damit auch Autor*innenschaft, indem ich Formen, Oberflächen oder Materialien bewusst übernehme. Für mich ist es sehr spannend, erstmals mit digitaler Produktion und 3D-Druck zu arbeiten.

APA: Worum handelt es sich bei den gemeinsamen Arbeiten?

Knebl: Die Grenzen zueinander verschwimmen. Wir reagieren aufeinander, treten in einen Dialog. In den beiden hinteren Räumen, die ebenfalls gespiegelt sind, präsentieren wir Tapeten, auf denen 70er-Interieurs zu sehen sind. In diesen visuellen Räumen inszenieren wir uns selbst, bekleidet mit Teilen der Kollektion, die in Kooperation mit dem Designer Martin Sulzbacher für die Biennale entstanden ist.

Die Ausstellung wird durch ein Magazin und eine Ausstellung im neuen Raum von Phileas in Wien erweitert. Das Magazin wiederum erweitert unseren Biennale-Beitrag in ein anderes Medium. Hier werden Ausstellungsansichten zu sehen sein, aber auch Artikel über andere Themen, die für uns derzeit relevant sind. In einem Editorial wird auch die Kollektion zu sehen sein.

APA: Wie politisch legen Sie Ihre Schau an?

Knebl: Kunst ist immer politisch. Wir arbeiten bewusst auch mit politischen Inhalten, die wir über Ästhetik verhandeln. Ästhetik spielt für uns bei der Vermittlung von herausfordernden Themen eine große Rolle.

APA: Queerness wird in den vergangenen Jahren immer stärker - etwa auch im Fernsehen bei Castingshows - thematisiert. Haben Sie das Gefühl, dass die Gesellschaft dahingehend langsam offener wird? Und sehen Sie das auch kritisch?

Knebl: Wenn das breite Spektrum, aus dem unsere Gesellschaft besteht, sichtbar wird, ist das immer positiv. Während linke Identitätsdiskurse mittlerweile in der Mitte der Gesellschaft gelandet sind, gibt es auch ein Revival rechter Identitätspropaganda. Die Gesellschaft wird offener, während zugleich auch ein starker Backlash zu beobachten ist.

APA: Sie sind die erste Position, die nach einer Ausschreibung hervorgegangen ist und nicht von dem von der Politik benannten Kurator oder der Kuratorin bestimmt wurde. Was bedeutet das für Sie?

Scheirl: Es bedeutet, dass wir dadurch die Chance hatten, uns mit einem Konzept zu bewerben und es erstmals die Entscheidung einer Jury war.

APA: Jedes Jahr steht die Konstruktion mit den Länderpavillons auch wieder in der Kritik. Sehen Sie sich als Vertreter*innen Österreichs?

Knebl: Man kann und soll das kritisch sehen. Trotz der Ambivalenz freuen wir uns wie alle anderen Teilnehmer*innen.

Scheirl: Wir hätten auch jede andere Bühne genommen, um Teil der Biennale zu sein.

APA: Ihr Biennale-Auftritt findet ja nicht nur in Venedig statt, sondern auch in Wien, wo Sie mit Phileas kooperieren. Was ist dort geplant?

Knebl: Bei Phileas teilen wir uns die Bühne gemeinsam mit allen Studierenden aus der Transmedialen Kunst der Universität für angewandte Kunst sowie ausgewählten Positionen der Kontextuellen Malerei der Akademie der Bildenden Künste. Die Ausstellung ist eine Erweiterung der Installation des Pavillons. Uns ist es ein Anliegen, neuen Positionen die Tür zu öffnen.

(Das Gespräch führte Sonja Harter/APA)

(S E R V I C E - www.biennalekneblscheirl.at und www.phileasprojects.org)

ribbon Zusammenfassung
  • Aus der erstmaligen Ausschreibung für die Bespielung des österreichischen Pavillons gingen Jakob Lena Knebl und Ashley Hans Scheirl hervor, die ihr Konzept mit Kuratorin Karola Kraus eingereicht haben.
  • Im APA-Interview geben die beiden Einblicke in ihr Konzept.