Theater der Jugend zeigt szenische Annäherung an Franz Kafka
Ausstatter Friedrich Eggert setzt auf labyrinthisches Büroambiente, schließlich sind Kafkas Erzählungen und Romane u.a. als Auseinandersetzungen mit anonymen, bürokratischen Mächten, denen nicht beizukommen ist, bekannt. Der von Stiegen, Schreibtischen und unzähligen Aktenordnern geprägte Raum ist von der Idee her überzeugend, als Spielort jedoch bald ermüdend. Hier ist Franz K., von Jasper Engelhardt überzeugend als immer wieder an sich und seiner Umgebung verzweifelnder Schmerzensmann dargestellt, als Versicherungsbeamter zugange, hier müht er sich mit seinen eigenen Schriften ab, hier führt er Tagebuch und schreibt Briefe.
Nur selten gelingt der Sprung vom Text ins Spiel - es sind die mitreißendsten Momente in diesem mit zweieinhalb Stunden (inklusive Pause) deutlich zu langen Mosaik aus Tagebucheintragungen, Briefen und Werken, das Bauer gemeinsam mit Sebastian von Lagiewski zusammengestellt hat. Wenn etwa die Schilderung des Schulwegs in Begleitung der Köchin, die droht, Franz beim Lehrer anzuschwärzen, klar macht, mit welchen Ängsten schon der Bub zu kämpfen hatte (die mit dem "Brief an den Vater" Weltliteratur gewordene traumatisierende Vaterbeziehung wird nur gestreift), dann entsteht ebenso Beklemmung wie beim Anspielen der Eingangsszene von "Der Prozess". Valentin Späths Auftritt des verwandelten Gregor Samsa als Käfer ist dagegen verzichtbar, weil unbeholfen, ja lächerlich.
Auch "Der Landarzt" hat - in Gestalt des in mehreren Rollen agierenden David Fuchs - seinen Auftritt. Ansonsten konzentriert man sich auf bekannte Dokumente aus Kafkas Leben: Der Brief eines empörten Lesers, dessen Cousinen "Die Verwandlung" nicht verstehen, wird ebenso eingearbeitet wie die berühmte Tagebuch-Eintragung "2. August. Deutschland hat Rußland den Krieg erklärt. - Nachmittag Schwimmschule" oder Kafkas Brief an den Vater von Felice Bauer, in dem er vor sich selber warnt. Sophie Aujesky verkörpert diese mögliche Lebenspartnerin des in vielen Liebes- und Lebensfragen wankelmütigen Dichters. Die tiefe Tragik dieser Beziehung wird hier nicht einmal ansatzweise ausgelotet, die Beziehung zu Milena Jesenská lässt man gleich ganz weg.
Nach der vernichtenden Diagnose einer Lungentuberkulose geht es im Theater im Zentrum für Franz K. dann doch recht schnell zu Ende. Der Abend endet mit dem an Max Brod geschriebenen letzten Willen, alle seine Briefe und Manuskripte mögen nach seinem Tod unverzüglich verbrannt werden. Die Weigerung, diesen Wunsch zu erfüllen, hat Literaturgeschichte geschrieben.
"Im Panoptikum des Franz K." vermittelt den Eindruck eines innerlich zerrissenen und unglücklichen Menschen, der mit dem eigenen Tun unzufrieden war. Schon am kommenden Mittwoch versucht Kabarettist Thomas Maurer im Rabenhof, eine andere Facette Kafkas zu betonen und den Schriftsteller als Meister der grotesken Komik zu würdigen. Das Kafka-Jahr hat begonnen. Es verspricht, abwechslungsreich zu werden.
(Von Wolfgang Huber-Lang/APA)
(S E R V I C E - "Im Panoptikum des Franz K.", aus den Tagebüchern Franz Kafka für die Bühne eingerichtet von Gerald Maria Bauer, Mitarbeit: Sebastian von Lagiewski, Regie: Gerald Maria Bauer, Ausstattung und Licht: Friedrich Eggert, Mit Jasper Engelhardt, Sophie Aujesky, Valentin Späth und David Fuchs. Vorstellungen bis 20. März, Theater im Zentrum, Wien 1., Liliengasse 3, www.tdj.at)
Zusammenfassung
- Leben und Werk des Dichters Franz Kafka in einem einzigen Theaterabend zumindest so anzureißen, dass man die Basisinfo vermittelt bekommt und Lust verspürt, diese mit eigener Lektüre zu vertiefen - das ist offenbar das Anliegen des Chefdramaturgen des Wiener Theaters der Jugend, Gerald Maria Bauer. Seine szenische Annäherung "Im Panoptikum des Franz K." - empfohlen für Menschen ab 13 Jahren - hatte am Freitagabend im Theater im Zentrum Premiere und überzeugte nur teilweise.