Secession: Google-Romantik und Lueger-Denkmal ohne Lueger
Im Hauptraum leuchten einem sofort die farbenfrohen Drucke und Gemälde Feinsteins entgegen. Im Gegensatz zu den Modernistinnen und Modernisten des 20. Jahrhunderts, die sich für eine strenge Trennung der Malerei von der Außenwelt aussprachen, haben die Abstraktionen der in New York lebenden Künstlerin, die sie seit über vier Jahrzehnten anfertigt, sehr wohl so einiges mit der sogenannten echten Welt zu tun. Nicht zuletzt deshalb heißt ihre Präsentation "Zeit im Bild" - ein augenzwinkernder Verweis auf die wichtigste Nachrichtensendung Österreichs.
Die Referenzen dieser in den vergangenen paar Jahren entstandenen, teils auf Rollwägen oder mit blauem Klebeband gerahmten und damit in einem etwas ungewohnten Setting präsentierten Arbeiten zum Hier und Jetzt sind durchaus mannigfaltig: Das erst in diesem US-Wahljahr entstandene, aus rot-blauem Farbenchaos bestehende "Two Maps" befasst sich etwa mit dem abgewirtschafteten Zweiparteiensystem in den USA. Aber auch Popkultur, Kommerz und Klischees spielen eine Rolle. Zig Polaroids - an von der Decke hängende silberne Schnüre geheftet - zeigen idyllische Sonnenuntergänge ("Golden Moments Silver Linings"), die allerdings per Google-Suche gesammelt wurden und so Romantiksehnsüchte bei gleichzeitiger Austauschbarkeit bedienen. Die auf Textiltücher gesprayte Serie "Red Dawn" nimmt Bezug auf den gleichnamigen dystopischen Actionfilm aus den 80ern, "Tagged" mit bunten senkrechten Farbstrichen über siebgedruckte Schwarz-Weiß-Fotos italienischer Boxer aus den 1940ern verbindet Kampf- und Graffitikultur.
Vorrangig um Macht und Gewalt geht es bei Ali Cherri in der Galerie im Untergeschoß. 1976 in Beirut geboren, wuchs der gelernte Grafikdesigner und nunmehrige Wahl-Pariser mitten im Libanesischen Bürgerkrieg (1975-1990) auf. Im Zentrum der Ausstellung "How I Am Monument" steht eine neue Werkgruppe, die sich in die Debatte um den Sturm von Denkmälern einklinkt. In Glasvitrinen ließ der Künstler, der sich eigentlich hauptsächlich mit Lehm auseinandersetzt, hölzerne Miniaturnachbauten von Monumenten stellen, die beispielsweise während des Arabischen Frühlings 2011, in der Ukraine oder während der Black-Lives-Matter-Bewegung mutwillig beschädigt wurden. Auch das umstrittene Wiener Karl-Lueger-Denkmal am Stubenring hat seinen Platz in dieser Präsentation. Präsent sind allerdings nur die Sockel, die vermeintlichen Helden fehlen. Dafür ist Platz für die Möglichkeit einer besseren Zukunft geschaffen. Cherris Auseinandersetzung mit Gewalt und Brutalität hat gerade in diesen Tagen eine tragische persönliche Aktualität. Die Eltern des Künstlers seien kürzlich bei einem der israelischen Angriffe im Libanon ums Leben gekommen, sagte Ulrike Müller, Vorstandsmitglied der Vereinigung bildender Künstler*innen, bei einem Pressegespräch am Donnerstag.
Zwei Etagen weiter oben wird das Grafische Kabinett von Beatriz Santiago Muñoz bespielt. "Elogio al disparate", also "Lob des Unsinns", steht als Motto über den drei, jeweils einige Minuten langen filmischen Arbeiten, die in diesem Jahr entstanden sind. Im pseudodokumentarischen Stil greift die aus Puerto Rico stammende Künstlerin die Tradition von "jitanjáforas" auf - erfundene sinnbefreite Wörter, die in der Dichtung und Musik der Karibik im 20. Jahrhundert fröhliche Urständ feierten. Was bei Muñoz dabei rauskommt? Zum Beispiel eine Predigt des heiligen Antonius von Padua an einen Schwarm Fische.
(S E R V I C E - Ausstellungen "Zeit im Bild" von Rochelle Feinstein, "How I Am Monument" von Ali Cherri und "Elegio al disparate" von Beatriz Santiago Muñoz in der Secession. Bis 23. Februar 2025, www.secession.at)
Zusammenfassung
- Die Wiener Secession präsentiert drei neue Ausstellungen, darunter Rochelle Feinsteins 'Zeit im Bild', die mit abstrakter Kunst aktuelle politische und kulturelle Themen aufgreift.
- Ali Cherris Ausstellung 'How I Am Monument' thematisiert die Zerstörung von Denkmälern und schafft Platz für eine bessere Zukunft, während er die persönliche Tragödie des Verlusts seiner Eltern bei einem israelischen Angriff im Libanon erlebt.
- Beatriz Santiago Muñoz bringt mit 'Elogio al disparate' den karibischen Unsinn in Kurzfilmen zum Ausdruck, wobei die Ausstellungen bis zum 23. Februar 2025 zu sehen sind.