Schnitzlers "Liebelei" in Gmunden überzeugt
Wie aus der Zeit gefallen wirken nicht nur die Kostüme - Gehröcke, Blumenhemd und Rüschenblusen - sondern auch die Originalsprache aus den 1890er-Jahren, jedoch nicht das ewige Thema der Liebe und der Geschlechterrollen. Denn solange emanzipierte oder eigenwillige Frauen in der Gegenwart immer noch vielfach als "anstrengend" und "zickig" tituliert werden, entbehren Sätze wie "Zum Erholen sind sie da. Drum bin ich auch immer gegen die sogenannten interessanten Weiber. Die Weiber haben nicht interessant zu sein, sondern angenehm." nicht einer gewissen Ironie. Die knapp 100 Minuten mäandern zwischen leichtem Sommertheater und anhaltender Brisanz des Inhalts, die Ambivalenz zwischen damals und heute schwingt immer mit.
Regisseurin Anna Stiepani setzt moderne Akzente mit dem Song "Victim of Love" zwischen erstem und zweitem Akt und später mit Finzi am Klavier, der Elfriede Jelineks "Der Kuss" interpretiert sowie dem starken Ende. Thurid Peine zieht beim Bühnenbild alle Register, wie die Kostüme belässt er es in der Vergangenheit. Der goldene Spiegel an der Decke bietet eine neue Perspektive, der halbrunde Vorhang - zuweilen wie ein Attersee-Gemälde von Gustav Klimt angeleuchtet - verschleiert den Blick auf das Dahinter bis er gegen Ende fällt, Christine eruptierend aufbegehrt und nur mehr an sich denken will - "Kauf ich mir halt selber Blumen" -, als sie erfährt, dass ihr geliebter Fritz "in einem fucking Duell?!" um eine andere gefallen ist.
Schon zuvor zeigt Lorena Emmi Mayer als bezaubernd unschuldiges "Kind", dass auch Schnitzlers "süße Mädeln" anstrengend sein können, so konsequent ignoriert sie in ihrer ergebenen Verliebtheit zu Fritz sein "Gefragt wird nichts". Eloquent und nachsichtig pariert Alexander Julian Meile die stürmische Schwärmerei, gibt sich verständnis- und geheimnisvoll, selbst in der Aussicht auf ein Duell bleibt er relativ gelassen; ganz im Gegensatz zu Theodor, den Jakob Kajetan Hofbauer als extrovertiertes Gegenstück anlegt und komödiantisches Talent offenbart. Mizi (Cecilia Pérez) passt gut dazu, als wahrhaft "süßes Mädel" hat sie verstanden, auf was es den Herren ankommt, Pérez gibt die Ulknudel, die keinesfalls im Mai schon an den August denken will, leicht und locker.
Sehr präsent auf der Bühne sind Gunda Schanderer als neugierige, voreingenommene Strumpfwirker-Frau Katharina Binder und Samuel Finzi als Christines Vater Weiring, der auch nonverbal vermittelt, wie sehr die "anständige" Nachbarin nervt. Er gönnt seiner Tochter - gar nicht zeitgemäß - die Erfahrungen einer ersten Liebe. Markus Ransmayr tritt als "Herr", als von Fritz gehörnter Ehemann, von der ersten bis zur letzten Sekunde so unangenehm auf, dass man es fast körperlich spürt.
(Von Ulrike Innthaler/APA)
(S E R V I C E - "Liebelei" von Arthur Schnitzler, Regie: Anna Stiepani, Bühne und Kostüme: Thurid Peine, Musik: Joachim Werner, Dramaturgie: Andreas Erdmann. Mit Samuel Finzi (Hans Weiring), Lorena Emmi Mayer (Christine), Cecilia Pérez (Mizi Schlager), Gunda Schanderer (Katharina Binder), Alexander Julian Meile (Fritz Lobheimer), Jakob Kajetan Hofbauer (Theodor Kaiser), Markus Ransmayr (Ein Herr), weitere Vorstellungen: 12. und 13. Juli im Stadttheater Gmunden, ab 25. Oktober im Landestheater Linz. Tickets unter http://www.festwochen-gmunden.at bzw. http://landestheater-linz.at)
Zusammenfassung
- Die Premiere der Neuinszenierung von Arthur Schnitzlers 'Liebelei' bei den Salzkammergut Festwochen Gmunden erhielt am Donnerstagabend viel Applaus.
- Die knapp 100 Minuten lange Aufführung überzeugte durch die Spielfreude der Schauspieler und das Bühnenbild mit goldenem Deckenspiegel und Vorhang als Paravent.
- Weitere Vorstellungen finden am 12. und 13. Juli im Stadttheater Gmunden statt, bevor die Produktion ab 25. Oktober im Landestheater Linz gezeigt wird.