Reinsperger triumphiert mit "Elisabeth!" an der Burg
Die 27-jährige deutsche Regisseurin Fritzi Wartenberg setzt dabei auf den intimen Rahmen der Vorderbühne, die Jessica Rockstroh mit gold-schimmernden Spiegeln verkleidet hat, in einer Ecke liefern Elena Ulrich und Lilian Kaufmann in hellblauen Kleidern mit Puffärmeln (Kostüme: Leonie Falke) den kratzbürstig-punkigen Livesound, der sich - bis auf eine Wutversion des Musicalhits "Ich gehör nur mir" - nie in den Vordergrund drängt. Denn dort steht sie: Stefanie Reinsperger in einem schwarzen Kleid mit Monsterschleppe, das sie sich im Laufe des 100-minütigen Abends Stück für Stück vom Leib reißen wird.
Apropos Leib: Fallwickl, deren Roman "Und alle so still" derzeit als Dramatisierung sowohl am Salzburger Landestheater als auch in Hannover zu erleben ist, hat "Elisabeth!" explizit für Reinsperger geschrieben. Und gemeinsam räumen sie auf: mit dem seligen Sisi-Bild, das Österreich seit dem Tod der Monarchin vor 127 Jahren hartnäckig aufrecht erhält und das etwa kürzlich auch in Marie Kreutzers "Corsage" subversiv gebrochen wurde.
Es ist eine sprachgewaltige Abrechnung mit Verherrlichung, Verniedlichung und Verteufelung einer Frau, die das Recht auf ihr eigenes Bild schon zu Lebzeiten abgeben musste. "Wir erinnern uns an: die zarte, süße Sisi, eingesperrt am Hof, ausgeliefert der Schwiegermutter, an die ruhelose, verbitterte Ehefrau, an die ewig Darbende, bleich und schmal, beklagenswert, ein ätherisches Geflatter, an die Abwesende, rastlos, ruhelos, die Kaiserin, die Reiserin, die Leerstelle im Leben ihrer Kinder, die Leerstelle in der Hofburg", schreibt Fallwickl und stößt Reinsperger wütend hervor. "Elisabeth, Elisabeth, Elisabeth, überlagert von tausend Schichten und Geschichten."
Blick auf heutige Frauenbilder zwischen Pelicot und Khelif
Und da Sisi nicht zuletzt durch die namentliche Verewigung in Parks, Hotels und Sushi-Menüs nicht zur Ruhe kommt, ist sie zu ewigem Leben verdammt, beobachtete das 20. und nun auch 21. Jahrhundert, nimmt Anteil an Schicksalen wie jenem von Gisèle Pelicot, die von ihrem Ehemann jahrelang betäubt und fremden Männern zur Vergewaltigung überlassen wurde, oder jenem der algerischen Boxerin Imane Khelif, der aufgrund ihrer Physis öffentlich die Weiblichkeit abgesprochen wurde. Während sie, Sisi, ständig Hunger hatte, gar Hungerödeme entwickelte, um in jene Schablone zu passen, in die sie als Teenagerin gezwängt wurde.
Es dauert nicht lange, bis Reinsperger sich ihrer langen Schleppe und der Ärmel ihres Kleides entledigt, auch die zur Legende gewordenen Haare müssen dran glauben, die sie sich mit tatkräftiger Hilfe zweier Zuschauer im Saal abschneidet. Jedes abgelegte Kleidungsstück, auch die Haare drapiert sie auf jenem weißen Pferd, das kraftlos auf der Bühne liegt und im Laufe des Abends zu Sisi wird, während Reinsperger sich - mit Backenbart - in Franz Joseph verwandelt, der seine Ehefrau in näselndem Wienerisch maßregelt, während sie selbst immer wieder ihre Rollen verlässt, um das Geschehen in derbem Niederösterreichisch mit Blick ins Publikum zu kommentieren.
Standing Ovations für beeindruckendes Solo
"Elisabeth!" ist die vielschichtige Demontage eines in die Jahre gekommenen Fremdbildes, eine sich kein Blatt vor den Mund nehmende Anklage an Verklärung und Vereinnahmung und schließlich ein Spiegel des zeitgenössischen Umgangs mit Frauen, die es aus ihrem Korsett nur modisch herausgeschafft zu haben scheinen. "Ihr seid so sehr daran gewöhnt, mich anzuschauen", heißt es gegen Ende. Und: "Heute schaue ich zurück." Das Publikum hat hingeschaut und war begeistert. Minutenlanger, heftiger Applaus mit Standing Ovations.
(Von Sonja Harter/APA)
(S E R V I C E - "Elisabeth!" von Mareike Fallwickl im Burgtheater, Regie: Fritzi Wartenberg, Bühne: Jessica Rockstroh, Kostüme: Leonie Falke, Musik: Lilian Kaufmann, Elena Ulrich. Mit Stefanie Reinsperger. Weitere Termine: 16. April sowie am 6. und 17. Mai. www.burgtheater.at)
Zusammenfassung
- Stefanie Reinsperger begeistert das Publikum im Burgtheater mit ihrer Darstellung der Kaiserin Elisabeth in Mareike Fallwickls Stück 'Elisabeth!'. Die Premiere am Freitag endete mit minutenlangem Applaus und Standing Ovations.
- Das Stück, inszeniert von der 27-jährigen Regisseurin Fritzi Wartenberg, nutzt einen intimen Bühnenraum mit gold-schimmernden Spiegeln und einem punkigen Livesound, um das verklärte Bild der Kaiserin Elisabeth zu dekonstruieren.
- Die Aufführung thematisiert moderne Frauenbilder im Vergleich zu historischen Darstellungen und wird an weiteren Terminen im April und Mai im Burgtheater gezeigt.