APA/APA/dpa/Bernd Weißbrod

Neues von Handke: "Schnee von gestern, Schnee von morgen"

Neues von Peter Handke ist diesmal "Schnee von gestern, Schnee von morgen". Das ist der Titel des Büchleins, das am Montag bei Suhrkamp erscheint. Laut Verlag ist es "ein Stück für die Bühne, ein Drama ohne Rednerwechsel, ein Lied ohne Kehrvers. Als ob Peter Handkes Figur sprechend und singend versucht, sich in die Stille einzuhören, also zugleich wegzuhören, Welt und Welterfahrung gerecht zu werden." Die Lektüre ist ein hartes Stück Arbeit.

"Das Lautwerden des einen Kreuz-und-Quer-Gehenden zeit seines jeweiligen Innehaltens" (wie der Untertitel des nur etwas mehr als 60 sparsam bedruckte Seiten umfassenden Textes lautet) hat keinen speziellen Inhalt, sondern variiert die Lebens- und Schreibthemen des Nobelpreisträgers: Der einsame Wolf sinniert im Umherstreifen über Wald und Wiese über den Lauf der Welt. Der innere Monolog wechselt passagenweise scheinbar in ein Zwiegespräch, ohne dass ein Dialogpartner kenntlich wäre. Es gibt keine Scheu vor Kalauern und Verballhornungen ("Elvis, Elvis, gib mir meine Legionen wieder ...") und keinen Versuch, Ordnung in die Dinge zu bringen. Was durch den Kopf geht, kommt auch aufs Papier.

Als Orientierungspunkte können höchstens zwei wiederkehrende Elemente dienen. Gelegentlich werden verstiegene "Tageshoroskope" zitiert (etwa: "Ihre Dämonen kommen zurück, genießen Sie jeden Moment ohne Tortur."), und auch einige "elfte Gebote" kommen ins Spiel: "Keine Miene mehr verziehen!", "Unwillkürlich beteiligt sein." Ansonsten wirkt der Text immer wieder wie eine Abfolge von mehr oder weniger gelungenen Aphorismen: "Das Winken eines Holunderzweigs ist etwas anderes als das Winken mit einem Zaunpfahl", etwa, oder: "Ja: Rückwärts gehen, vorwärts blicken.". Oder: "Es wird so kommen, wie es kommen wird müssen. Oder auch nicht."

Beim Lesen wird man unwillkürlich zum Begleiter, zum Mitwanderer einer jener Handke-Figuren, die ihren Weg durch viele seiner Romane und Stücke nahmen und in ihrer Welthaltung dem Autor zum Verwechseln ähnlich waren. Und so kommt man, während man sich fragt, wie ernst dieser teilweise krude Gedankenfluss nun gemeint ist, unwillkürlich ins Schmunzeln. "Ja, als Menschenfreund aufwachen - nur wie?", grübelt der "Kreuz-und-Quer-und Querfeldein-Geher", der auch schon mal "als letzter Fahrgast hinten zusammengekauert im allerletzten Nachtbus" gesehen worden sein soll. Peter Handkes Neuvariation von "Wanderers Nachtlied" besteht aus Naturbeobachtungen, Nachbetrachtungen und Traumbildern. Aufkommende Altersmilde wird mit der alten Kampfansage bekämpft: "O Alter, o Wut, o Verzweiflung! Ihr könnt mich, alle!"

(Von Wolfgang Huber-Lang/APA)

(S E R V I C E - Peter Handke: "Schnee von gestern, Schnee von morgen", Suhrkamp Verlag, 74 Seiten, 20,60 Euro)

ribbon Zusammenfassung
  • Peter Handkes neues Werk 'Schnee von gestern, Schnee von morgen' erscheint am Montag bei Suhrkamp und umfasst etwas mehr als 60 sparsam bedruckte Seiten.
  • Das Stück, das als Drama ohne Rednerwechsel beschrieben wird, variiert Handkes bekannte Lebens- und Schreibthemen und enthält humorvolle sowie krude Gedankenflüsse.
  • Zentrale Elemente des Textes sind verstiegene 'Tageshoroskope' und 'elfte Gebote', die zusammen mit Naturbeobachtungen und Traumbildern eine Mischung aus Altersmilde und alter Kampfansage darstellen.