Neros Weg in epischer Breite bei den Sommerspielen Melk
Ohne epische Breite geht's halt nicht in Melk. Da steht gleich zu Beginn ein gewisser Lucius auf der Bühne (Daniel Sommergruber hat diesmal keine Sesselskulpturen gebaut, stattdessen verdecken Schiebeelemente das Stift im Hintergrund für die vorderen Reihen) und deklamiert drauflos. Denn eigentlich will er ja Schauspieler werden. Darauf folgt denn gleich die Entschuldigung, wie auch später die glücklose Claudia Octavia (Claudia Carus) sich für ihren Leidensmonolog mehrmals entschuldigen wird. Ein intendierter Kunstkniff, der nichts daran ändert, dass man hie und da auch schlicht kürzen hätte können.
Lucius, der spätere Nero, wird von Sebastian Pass trefflich als feister Psychotiker gezeichnet, ein großes böses Kind, das zeitlebens sein beengendes Spielgewand nicht loswird, Prototyp psychopathischer Kretins, wie sie zu allen Zeiten die weltpolitische Szene bevölkern. Ganz stimmig kommt er sich selbst nicht vor: "Ich weiß selber nicht mehr, was ich hier spiele. Sie werden rätseln über mich. Sie werden denken: Was wollte er?" Genauso ist es.
Dass er seine ihn beherrschende Mutter Agrippina (Maxi Blaha verleiht ihr geradezu groteske Züge) umgebracht hat, wird berichtet, sein mörderischer Hass ihr gegenüber aber kaum sichtbar. Zu sehen ist ein zappeliger Typ mit zunehmend diversem Verhalten, ein rücksichtsloser, unberechenbarer Egomane, der ja auch so viel Positives für sein Land geleistet haben will. Ja, man kennt das.
Die personelle Umgebung des wahnsinnigen Kaisers ist anschaulich gezeichnet, vom scheiternden Philosophen Seneca (Thomas Kamper) über den Dauergrinser Tigellinus (Benjamin Kornfeld), den korrekten Senator Paetus (Kajetan Dick) und die zweite Ehefrau Poppaea (Sophie Prusa) bis zur geliebten einstigen Sklavin Acte (Julia Jelinek). Nur Letztere wird den Irren überleben.
Was Junods Stück passagenweise reizvoll macht, ist die sprachliche Durchsetzung mit sehr heutigen Formulierungen, ein Mix aus erbaulichem Duktus und unerwarteten Wendungen. Perkussiv und elektronisch begleitet wird das Geschehen von Jakob Kammerer, allerdings so omnipräsent, dass es irgendwann zu nerven beginnt. Auch hier gilt: Weniger wäre mehr. Doch das rechte Maß war eben auch Neros Sache nicht.
(S E R V I C E - Jerome Junod: "Nero. Er wollte doch nur spielen" bei den Sommerspielen Melk, Wachauarena. Regie: Alexander Hauer. Mit Sebastian Pass, Maxi Blaha, Thomas Kamper, Benjamin Kornfeld, Kajetan Dick, Claudia Carus, Julia Jelinek, Sophie Prusa. Weitere Aufführungen bis 13. August. 02752/54060, www.sommerspielemelk.at)
Zusammenfassung
- Die personelle Umgebung des wahnsinnigen Kaisers ist anschaulich gezeichnet, vom scheiternden Philosophen Seneca über den Dauergrinser Tigellinus, den korrekten Senator Paetus und die zweite Ehefrau Poppaea bis zur geliebten einstigen Sklavin Acte.
- Auch hier gilt: Weniger wäre mehr.
- Mit Sebastian Pass, Maxi Blaha, Thomas Kamper, Benjamin Kornfeld, Kajetan Dick, Claudia Carus, Julia Jelinek, Sophie Prusa.