Moderne "Armida" begeisterte bei den Bregenzer Festspielen
Lichtenstein hat sich für seine Inszenierung in Bregenz Freiheiten genommen: Im Mittelpunkt steht unumstritten die Liebe der Zauberin Armida (Nicole Wacker) zu Ritter Rinaldo (Kieran Carrel). Allerdings beginnt die Geschichte in der Gegenwart und führt von dort in eine von Armida geschaffene Zauberwelt. Dass Christianisierung und Kreuzrittertum, dort ist die Handlung in Haydns 1784 uraufgeführter Oper angesiedelt, umschifft werden, macht die Aufführung zu einem zeitgemäßen Vergnügen.
Im fortwährenden Bemühen, diese Liebe inmitten von Wirrungen von Verrat, Pflichtgefühl und Treue zu leben, glänzen Sopranistin Wacker und Tenor Carrel mit ausgezeichneten Stimmen und ausdrucksstarkem Gesang. Mit spielerischer Leichtigkeit ziehen sie die Aufmerksamkeit des Publikums in jedem Augenblick auf sich. Hyunduk Kim gibt einen sehr präsenten Ubaldo, und auch Gabriel Rollinson (Idreno), Kathrin Hottiger (Zelmira) und Dafydd Jones (Clotarco) tragen das Musiktheaterstück mit ihren auffallend guten Gesangs- und Schauspielleistungen. Den musikalischen Takt gibt unter der musikalischen Leitung von Jonathan Brandani das äußerst präzise und spielfreudige Symphonieorchester Vorarlberg vor.
Das von Nikolaus Webern gestaltete Bühnenbild präsentiert sich zunächst als Dachboden, zu dem sich eine Gruppe Jugendlicher Zutritt verschafft. Sie hinterlässt eine Spur der Verwüstung, woraufhin Armida ihre Zauberwelt erschafft. Ihre Zauberkünste werden auch in der Kulisse offenbar - Lichter beginnen zu leuchten oder Requisiten verschieben sich auf unerklärliche Art. Immer wieder blicken die Premieren-Besucher auf einen Schrank, bei dem man nie genau weiß, wer sich darin verbirgt, wer heraustritt, darin verschwindet oder wer darin musiziert. Das Anheben der Dachfläche des Dachbodens - gemeinsam im Wechselspiel mit der Hintergrundbeleuchtung - schafft weitere Möglichkeiten und Interpretationen. So abwechslungsreich das Geschehen auf der Bühne, so stimmig sind auch Weberns Kostüme, die vom modernen Männeranzug über Ritterkleidung oder schönstes Zauberinnengewand alles umfassen.
Nach zweieinhalbstündiger Höchstleistung aller Beteiligten endet "Armida" in Ernüchterung. Es gibt kein Happy End zwischen Armida und Rinaldo, aber auch keinen finalen Schlussstrich. Die Zuschauer im ausverkauften Theater im Kornmarkt rufen laut "Bravo" und spenden eifrig lang anhaltenden Applaus. Damit wurde nach "Die Italienerin in Algier" von Gioachino Rossini Anfang Juli auch die zweite Opernstudio-Aufführung der Bregenzer Festspiele im heurigen Jahr zum Erfolg. Das Opernstudio soll vor allem jungen Künstlern Möglichkeiten bieten. Die für 2021 geplante "Italienerin in Algier" hatte im Vorjahr wegen eines Corona-Falls abgesagt werden müssen.
(S E R V I C E - "Armida" von Joseph Haydn. Dramma eroico in drei Akten (1784), Libretto von Nunziato Porta (?) nach Torquato Tassos "Das befreite Jerusalem" (1581). Musikalische Leitung: Jonathan Brandani, Inszenierung: Jörg Lichtenstein, Bühne/Kostüm/Licht: Nikolaus Webern, Choreographie: Mirjam Klebel, Dramaturgie: Olaf A. Schmitt. Es spielen Nicole Wacker (Armida), Rinaldo (Kieran Carrel), Ubaldo (Hyunduk Kim), Idreno (Gabriel Rollinson), Zelmira (Kathrin Hottiger), Clotarco (Dafydd Jones), Das Mädchen (Amelie Brunn). Zwei weitere Aufführungen am 17. und 19. August. Informationen unter https://bregenzerfestspiele.com/de/programm/armida)
Zusammenfassung
- Die Premiere von Joseph Haydns Oper "Armida" im Rahmen der Bregenzer Festspiele am Montagabend entpuppte sich als das, was Regisseur Jörg Lichtenstein angekündigt hatte - als verblüffende Mischung aus Fantasy-Oper, Historiendrama und Liebesgemetzel.
- Ein frischer Zugang und originelle Ideen sowie die hervorragenden Gesangsleistungen des Ensembles brachten Begeisterung ins Theater am Kornmarkt.
- nach Torquato Tassos "Das befreite Jerusalem" (1581).