Marc Elsbergs "Celsius" - Thriller rund um das Klima-Thema
Das Durchatmen, weil es sich doch um keinen chinesischen Angriff auf Taiwan gehandelt hat, ist nur kurz. Im Weißen Haus und in den wichtigsten Regierungsstuben Europas rauchen die Köpfe, wie man auf Chinas Geoingeneering-Programm reagieren soll. Während eine Expertin aus dem UNO-Klimabüro (UNFCCC) ab sofort eine zentrale Rolle in allen Planungen des Westens einnimmt, lässt Elsberg auf sehr realitätsnahe Art den gängigen politischen Opportunismus durchblicken: Aussprüche wie "Wir müssen dagegen sein. Schon weil China dafür ist" stehen sinnbildlich für eine Haltung, die sich gemeinhin von der großen Weltpolitik bis in so manchen Gemeinderat durchzieht.
"Ab sofort wird die Geschichte der Welt neu geschrieben", sagt hingegen eine der Initiatorinnen des chinesischen Programms, das jedoch bald "Gesellschaft" von einem weiteren Klimaprogramm erhält, welches von Staaten wie Brasilien und Indonesien lanciert wird. Dessen strenge Geheimhaltung im Planungsstadium wiederum geht so weit, dass alle potenziellen Mitwisser möglichst aus dem Weg geräumt werden. Ein aufmerksamer US-Journalist etwa nimmt die Spur rätselhafter Todesfälle in der Bollywood-Filmbranche auf - und gerät dabei naturgemäß selbst in große Gefahr.
Düstere Zukunft
Gekonnt mischt Elsberg anhand verschiedener Erzählstränge, die sich langsam aber sicher zu einem großen Ganzen zusammenbrauen, alle Zutaten eines Thrillers zusammen. Nicht fehlen dürfen in dem durchaus realistisch skizzierten Szenario auch Klimaaktivisten und -innen, Aussprüche festgenommener Demonstranten wie "Ihr nehmt die Falschen fest. Ihr solltet die da oben verhaften, die für all die Missstände verantwortlich sind" könnten jedenfalls durchaus von realen Kundgebungen stammen. Und bei der Beschreibung der politischen Denkweisen, die anstelle eines ehrlichen Anliegens zur Rettung der Welt von kommerziellen Interessen sowie Polarisierungen wie USA samt gesamter Westen gegen China oder "Tiger-Staaten" bzw. "reicher Norden gegen armer Süden" geprägt sind, schimmert immer wieder Greta Thunbergs mahnender Ausspruch "How dare you!" durch.
Komplett macht das aus der Realität entlehnt wirkende Szenario auch Elsbergs wiederholt eingestreuter Verweis darauf, wie schnell heutzutage Neuigkeiten via Social Media verbreitet werden bzw. "trenden" - und wie sehr dieses Phänomen von Regierungen und ähnlichen Interessensgruppen auch gezielt benutzt wird. Alles wird schnell verbreitet und mit Verschwörungstheorien und Ängsten aufgekocht, und bald weiß niemand so recht, was nun Tatsache und was Panikmache ist. Insgesamt zeichnet "Celsius" ein düsteres Szenario der nahen Zukunft mit großem Gegenwartsbezug. Dabei konnte der Autor beim Verfassen des Buchs noch gar nichts von der UFO-Debatte, wie sie etwa jüngst die mysteriösen Ballons über dem US-Raum in der Realität ausgelöst haben, wissen.
Ein Szenario, das Sorgen bereitet und zum Nachdenken anregt, weil auf der Basis sehr konkreter realer Gegebenheiten eine Handlung abgeleitet wird, die aufgrund bekannter staats- und geopolitischer Denkweisen sehr schlüssig erscheint. Der Kampf ums Klima gerät bei Elsberg sehr rasch zu einem Kampf verschiedener Blöcke, in welchem bisher benachteiligte Erdteile das Kommando über das Weltgeschehen zu übernehmen trachten.
Zusammenfassung
- Es beginnt mit UFOs - und der Vermutung militärischer Aggression.
- Zumindest behauptet dies das offizielle China in einer groß orchestrierten Medienkampagne - mit differenzierter Reaktion des Westens.
- Insgesamt zeichnet "Celsius" ein düsteres Szenario der nahen Zukunft mit großem Gegenwartsbezug.
- (S E R V I C E - Marc Elsberg: "°C-Celsius", blanvalet, 604 Seiten, 26,80 Euro, eBook: 19,99 Euro)