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Kafka-Gedenkraum in Kierling rüstet für Ansturm am Todestag

Es ist eines der wichtigsten Daten des Literaturjahres 2024: Am kommenden Montag jährt sich der Todestag von Franz Kafka zum 100. Mal. Auf der ganzen Welt begeht man diesen Gedenktag. Dort, wo Kafka am 3. Juni 1924 gestorben ist, in den Räumen des ehemaligen Sanatoriums Hoffmann in Klosterneuburg-Kierling, ist man für einen Ansturm gerüstet. Gleich vier Führungen (um 9, 11, 13.30 und 15.30 Uhr) werden am Todestag angeboten. Die Plätze sind jedoch bereits ausgebucht.

"In diese zwei Räume passen nicht mehr als 25 Personen gleichzeitig", meint Manfred Müller beim APA-Ortsbesuch. Normalerweise ist das auch kein Problem, denn eigentlich fristet der Studien- und Gedenkraum, den die Österreichische Franz Kafka Gesellschaft hier 1983 zum 100. Geburtstag des Dichters eingerichtet und 2014 zum 90. Todestag grundlegend neugestaltet hat, ein beschauliches Dasein. "Bisher waren es maximal 500 Leute pro Jahr, die uns besucht haben. Heuer sind es bereits weit über 1.000. Es ist viel los! Zu uns kommen Reisegruppen, Schulklassen, Wissenschafter und Lesekreise ...", sagt Müller, der auch Leiter der Österreichischen Gesellschaft für Literatur ist und vor wenigen Tagen gemeinsam mit dem Kafka-Biografen Reiner Stach an einer Veranstaltung in Berlin teilgenommen hat. Kafka-Experten sind in diesem Jahr weltweit gefragt, und eigentlich sind alle ein wenig ratlos, woher dieser Hype, der auch die TikTok-Gemeinde erfasst hat, kommt. "Wir sind überrascht, wie rockstarmäßig Kafka heute funktioniert."

Seit Neuestem ist Kafka ein Superstar. In Kierling bewältigt die private Initiative den Ansturm nur mit Sonderschichten. "Wir sind sieben Leute, die ehrenamtlich die Führungen machen. Niemand von uns verdient etwas daran. Von den Spenden geht sich zu Jahresende gerade ein gemeinsames Essen aus", sagt Müller, der auch einen Podcast über "Kafkas letzte Tage" mitgestaltet hat, der in 53 Folgen über die letzten Lebenswochen des Dichters gestaltet hat. Die letzten 46 Tage seines Lebens verbrachte der an Kehlkopftuberkulose Erkrankte hier, in einem privaten Sanatorium, das Ruhe und gute Luft, aber kaum medizinische Behandlung bot. Für den Promi-Patienten reisten medizinische Koryphäen aus Wien an. "Das hat hier sicher Aufsehen erregt", meint Müller.

In Kierling ist man stolz, lange Zeit das einzige Kafka-Museum auf europäischem Boden gewesen zu sein (nur New York war früher dran). Dabei gibt es hier eigentlich gar nicht viel zu sehen. Neben einer Bibliothek mit Kafkas Werken, Sekundärliteratur und Übersetzungen gibt nur ein paar Erinnerungsstücke an Kafkas letzte Lebensjahre, darunter Fotos und Faksimiles von Briefen und Karten aus den letzten Monaten vor seinem Tod. "Die Unterlagen aus dem Sanatorium Hoffmann sind leider nicht erhalten. Aber wir haben das Aufnahmeprotokoll, Befunde und eine originale Fieberkurve von Kafkas unmittelbar vorangegangenem Aufenthalt im Wiener Allgemeinen Krankenhaus", sagt Müller. Dort kann auch abgelesen werden, dass der 181 Zentimeter große Mann vor seiner Überstellung nach Kierling nur noch 45,6 Kilogramm wog.

Mit einem Wiener Spitalbett der 1920er-Jahre und Fototapeten, die den beschaulichen Ort Kierling aus jener Zeit zeigen, wird versucht, eine Vorstellung von damals zu erzeugen. Denn das ist das Asset des Gedenkraums, ist Manfred Müller überzeugt: "Wir haben eine Aura! Das ist nicht nichts. Es ist der einzige Ort, an dem Kafka einst war, den man heute noch tatsächlich betreten kann."

Das Gebäude, in den 1890ern ursprünglich als Wohnhaus errichtet und rund ein Jahrzehnt später von seinem neuen Besitzer zu einem Sanatorium umgebaut, ist äußerlich in seinem ursprünglichen Zustand, im Inneren ein typischen Gründerzeithaus, in dem sich nun wieder Wohnungen befinden. Kafkas Sterbezimmer lässt sich nicht exakt lokalisieren, dürfte sich aber nach einem Umbau in einer heute privat genutzten Wohnung befinden. Gedenk- und Studienraum liegen in früheren Ordinationsräumen. Ein Emailschild "Ordinationszimmer" ist der einzige originale Gegenstand in der Ausstellung - es wurde bei Grabungsarbeiten im Garten gefunden. Und auch der Blick aus Kafkas rückseitig gelegenem Einzelzimmer hat sich geändert, beweist ein Foto: Früher gab es hier weniger Bäume. Und auch keine Hofer-Filiale.

Kafkas letzte Freundin Dora Diamant und ein Freund, der ungarische Medizinstudent Robert Klopstock, sind in den letzten Lebenswochen bei ihm, haben unter dem Dach des Sanatoriums Zimmer bezogen. Kafka ist stark geschwächt, hat Schmerzen, steht unter schweren Medikamenten. Sein am Tag vor seinem Tod unter Mühen verfasster letzter Brief, von Dora Diamant zu Ende geschrieben, ist hier ebenso zu sehen wie der Eintrag in das "Sterbeprotokollbuch" von Kierling (beides freilich nicht im Original). Kafkas Grab befindet sich am Neuen Jüdischen Friedhof in Prag, wo er acht Tage nach seinem Tod beigesetzt wurde. Die Inschrift ist an der Wand angebracht. Die Grabstätte sei zur Pilgerstätte geworden, sagt Müller und empfiehlt eine Städtereise, um Kafka noch näher zu kommen: "Prag ist ein einziges Kafka-Freiluftmuseum."

Wer in Kierling die Ruhe vor dem Sturm nützen möchte, für den bietet sich morgen eine letzte Gelegenheit. Während für Montag Anmeldungen obligatorisch sind, kann der Gedenkraum jeden Samstag zwischen 9 und 13 Uhr ohne Voranmeldung besucht werden.

(S E R V I C E - Kafka Studien- und Gedenkraum im ehemaligen Sanatorium Hoffmann, Kierling/Klosterneuburg, Hauptstraße 187. Anmeldung per E-Mail: [email protected]. Tel.: 01 / 5338159. https://www.franzkafka.at/gedenkraum/ )

ribbon Zusammenfassung
  • Am 3. Juni 2024 jährt sich der Todestag von Franz Kafka zum 100. Mal, und das Sanatorium Hoffmann in Klosterneuburg-Kierling bereitet sich auf einen Besucheransturm vor.
  • Am Todestag werden vier Führungen angeboten, die jedoch bereits ausgebucht sind. Maximal 25 Personen können gleichzeitig die Räume betreten.
  • Die Besucherzahlen des Studien- und Gedenkraums, der von der Österreichischen Franz Kafka Gesellschaft betrieben wird, sind in diesem Jahr von 500 auf über 1.000 gestiegen.
  • Sieben ehrenamtliche Mitarbeiter bewältigen den Ansturm und bieten auch einen Podcast über Kafkas letzte Tage an, der in 53 Folgen gestaltet wurde.
  • Kafka verbrachte seine letzten 46 Tage im Sanatorium, wo er stark geschwächt und unter Schmerzen litt. Vor seiner Überstellung wog er nur noch 45,6 Kilogramm.