Heumarkt-Streit: Nach EuGH-Urteil sehen sich alle im Recht
Am Donnerstag veröffentlichte der Europäische Gerichtshofs (EuGH) sein Urteil zur Umweltverträglichkeitsprüfung, jede Seite interpretiert es aber anders. Während die Stadt Wien keine Relevanz für das Bauvorhaben sieht, sprechen die Projektgegner von einem Erfolg. Die Betreiber wiederum sehen nun das Verwaltungsgericht Wien am Zug.
Größe allein nicht relevant
Der EuGH kam in seinem Urteil zu dem Schluss, dass die Pflicht zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung bei einem Städtebauprojekt nicht ausschließlich von dessen Größe abhängen darf. Wenn ein EU-Staat Schwellenwerte festlegt, seien auch andere Aspekte als der Standort zu berücksichtigen. Befinde sich das Projekt - wie das beim Heumarkt-Hochhaus der Fall sei - im Kerngebiet einer UNESCO-Welterbestätte, sei das Kriterium Standort besonders relevant, so die Luxemburger Richter.
Laut österreichischem Recht muss eine Umweltverträglichkeitsprüfung für Städtebauprojekte ab einer Fläche von mindestens 15 Hektar und einer Bruttogeschoßfläche von mehr als 150.000 Quadratmeter durchgeführt werden. Das Heumarkt-Projekt liegt mit 1,55 Hektar bzw. 89.000 Quadratmeter unter den Schwellenwerten.
Wien: Urteil "in keinem Zusammenhang" mit Heumarkt
Die Stadt Wien sieht das Urteil betont unaufgeregt. Der EuGH habe bewertet, ob die EU-UVP-Richtlinie europarechtskonform in österreichische Gesetzesmaterie umgesetzt wurde, ließ Landtagspräsident und Welterbe-Beauftragter Ernst Woller (SPÖ) wissen. "Das vorliegende Urteil trifft jedoch keine Aussage zur Frage der Umweltverträglichkeit des Projektes Heumarkt." Zudem habe Österreich das UVP-Bundesgesetz bereits novelliert, das Urteil beziehe sich daher auf eine nicht mehr aktuelle Gesetzeslage und stehe auch in keinem Zusammenhang mit dem 2021 adaptierten Heumarkt-Projekt.
Wertinvest: Gericht zuständig
"Nach dem EuGH-Urteil liegt die weitere Entscheidung zur Durchführung eines UVP-Verfahrens nun beim Wiener Landesverwaltungsgericht", interpretierte Wertinverst-Geschäftsführerin Daniela Enzi die Entscheidung und verwies ebenfalls auf die laufende Redimensionierung. Das Verwaltungsgericht hatte sich im Zuge der Rechtsstreitigkeiten zur UVP-Thematik an den EuGH gewandt.
Gegner fühlen sich bestätigt
Die Umweltorganisation "Alliance for Nature" erkennt im Urteil indes einen Erfolg. "Zukünftig müssen in Österreich nicht nur Stadtteile, sondern auch einzelne Bauprojekte, die ihrem Wesen nach 'städtisch' sind, einer UVP unterzogen werden, dies bevor andere Genehmigungen - darunter insbesondere Baubewilligung - erteilt werden", hielt Piotr Pyka, Anwalt der NGO, fest. "Die Baubewilligung für das umstrittene Projekt am Heumarkt, für das bislang keine UVP durchgeführt wurde, rückt daher in weite Ferne." Für das Projekt müsse nämlich zunächst eine Einzelfallprüfung zur Beurteilung der UVP-Pflicht durchgeführt werden.
Die rechtliche Angelegenheit rund um die umstrittene Heumarkt-Bebauung, wegen der die Wiener Innenstadt nach wie vor auf der Roten Liste der gefährdeten UNESCO-Welterbestätten aufscheint, ist äußerst kompliziert. Die juristischen Streitigkeiten befassten in den vergangenen Jahren u.a. bereits das Bundesverwaltungsgericht, den Verfassungsgerichtshof und den Verwaltungsgerichtshof.
Zusammenfassung
- Das Hick-Hack bezüglich des umstrittenen Heumarkt-Projekts von Michael Tojners Wertinvest dürfte weiter gehen.
- Denn ein am Donnerstag veröffentlichtes Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) zur Thematik Umweltverträglichkeitsprüfung hat zu unterschiedlichen Interpretationen geführt.
- Die Stadt Wien sieht das Urteil betont unaufgeregt.
- Das Verwaltungsgericht hatte sich im Zuge der Rechtsstreitigkeiten zur UVP-Thematik an den EuGH gewandt.