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Hausjell: ORF.at-Umbau als "Armutszeugnis der Medienpolitik"

Aus Sicht von Fritz Hausjell, Präsident der Österreichsektion von Reporter ohne Grenzen (RSF), hat es 2023 wenig Anlass zur Freude gegeben. Starker Treiber einer nicht zufriedenstellenden Entwicklung im Medienbereich sei die Politik. "Verantwortungsvolle Politik müsste ein Interesse daran haben, dass es großen, starken Journalismus gibt. Diesen Eindruck habe ich überhaupt nicht", sagt er im APA-Interview.

Im Gegenteil setze die Politik unter Einsatz von öffentlichen Mitteln gezielt auf Ablenkungsdiskurse, um interessierte Bürgerinnen und Bürger wie auch Journalisten zu "narren". "Das ist eine Grenzüberschreitung", meint der Medienexperte. Der Einsatz von "SNU" - "strategisch notwendigem Unsinn" - auf Kosten der Steuerzahler gehöre verboten. Dabei gebe es für die Medienpolitik eigentlich genug zu tun. Im Vorjahr kam Österreich im Pressefreiheitsranking mit einem Score von 77,3 auf Platz 29 von 180 Ländern. "Es haben genügend Experten sehr vernünftige Vorschläge gemacht, was zu tun wäre, um der Pressefreiheit im Land in lichtere Höhen zu verhelfen", so Hausjell. Gehör hätten diese kaum gefunden.

Stattdessen habe sich die Medienpolitik rund um Medienministerin Susanne Raab (ÖVP) etwa dazu entschlossen, die "blaue Seite" ORF.at zu "ruinieren". Konkret soll ORF.at mit Jahreswechsel bild- und audiolastiger werden, während der Textanteil zurückgedrängt wird. Dadurch befriedige man die Begehrlichkeiten des Verlegerverbandes VÖZ, dem die Zeitungsähnlichkeit von ORF.at seit langem ein Dorn im Auge ist, für "ein bis zwei Jahre". "Das ist ein Armutszeugnis für die Medienpolitik", meint der 64-Jährige.

Mit der Haushaltsabgabe, die anstatt der gerätegekoppelten GIS-Gebühr mit 1. Jänner in Kraft tritt, ist der RSF-Präsident dagegen zufrieden. Es handle sich mit Blick auf die Unabhängigkeit des ORF um die "vernünftigste Variante". Dass der ORF aber innerhalb einiger weniger Jahre 325 Mio. Euro einsparen müsse, in den nächsten Jahren keine Evaluierung der Höhe der Haushaltsabgabe (15,30 Euro) bekomme und noch dazu im digitalen Bereich neue Aufträge wie einen Kinderkanal erfüllen müsse, sei eine "Herausforderung, die sicher nicht einfach lösbar ist". Raab habe stets betont, dass es für die meisten GIS-Zahler nun billiger werde. Kein Signal habe es von ihr dagegen dahingehend gegeben, dass "Medien uns etwas Wert sein sollten". "Das ist ein grobes Versäumnis", sagt Hausjell.

Nicht versäumen sollte die Politik, bei der vom Verfassungsgerichtshof (VfGH) wegen zu großer Regierungsnähe aufgetragenen ORF-Gremienreform für einen "breiten Konsens über Parteigrenzen hinweg" zu sorgen. "Das Gesetz muss funktionieren, egal wer regiert", so der Medienexperte. Die FPÖ sei hier sicherlich eine "Herausforderung", mache sie doch "wenig Hehl daraus, dass sie auch gut ohne öffentlich-rechtlichen Rundfunk leben könne". Prinzipiell tritt er für ein Modell ein, dass die Qualifikation der ORF-Gremienvertreter etwa mit Hearings in den Fokus rückt. Auch kann er sich einen verkleinerten Stiftungsrat und dafür einen mit mehr Kompetenzen ausgestatteten und vergrößerten Publikumsrat vorstellen.

"Wütend" wird Hausjell, wenn er auf die Novelle des Medientransparenzgesetzes angesprochen wird. Dieses sieht vor, dass künftig Inserate der öffentlichen Hand bereits ab dem ersten Euro gemeldet werden müssen - auch wenn sie an nicht periodisch erscheinende Medien fließen. Ab gewissen Summen sind auch Wirkungsanalysen oder die Vorlage von Sujets vorgesehen. "Es ist völlig unzureichend geregelt", so Hausjell. "Ein Bundeskanzler hat sich wegen Vorwürfen der Medienkorruption zurückgezogen. Und dann wird ein Gesetz so oberflächlich saniert." Es habe auch weiterhin keine Konsequenz, wenn Inserate willkürlich vergeben werden. Auch sei keine Limitierung vorgesehen, moniert der RSF-Präsident.

Dabei sei das Vertrauen in Medien und Politik, das nicht zuletzt wegen der Inseratencausa inkl. Hausdurchsuchungen bei Medienunternehmen stark angeknackst sei, äußert wichtig. "Wir haben erschütternde Einblicke erhalten, wie gedealt wird zwischen Teilen der journalistischen Medien und Teilen der Politik", sagt Hausjell und plädiert auf mehr Transparenz auch vonseiten der Medien selbst. Diese hätten es zudem verabsäumt, sich systematisch mit den Inhalten der Digitalkanäle, auf denen neben "Filetstücken des Journalismus" auch Propaganda und Fake-News zu finden seien, auseinanderzusetzen und aufzuklären. "Hier führt kein Weg darum herum, weil die Bildungspolitik zumindest für Erwachsene keine Antwort darauf hat", so Hausjell.

Als "Tiefpunkt" bezeichnet der Medienwissenschafter, dass mit Ende des Jahres nur noch zwölf Tageszeitungen in Printform am Markt seien. Die Einstellung des "Oberösterreichischen Volksblatts" als letzte Parteizeitung in Printform sei "bitter, aber relativ logisch". Dass die Regierung jedoch das Aus der republikseigenen "Wiener Zeitung" als gedruckte Tageszeitung beschloss, obwohl "eine Vielzahl an klugen Vorschlägen" auf dem Tisch gelegen seien, sei "verantwortungslos". Dass man die bei der Wiener Zeitung GmbH angesiedelte Journalistenausbildung im "Nahbereich des Bundeskanzleramts" belassen hätte, sieht Hausjell als "Todsünde". "Das ist eine Zumutung gegenüber allen jungen Menschen, die in diesen Beruf einsteigen wollen. Sie bekommen ein Pickerl 'staatsnah ausgebildet'."

2023 wurde von der Regierung auch ein Informationsfreiheitsgesetz in Aussicht gestellt. "Solange es nicht im Parlament beschlossen wird, ist der Zugang zu Informationen für Journalisten und Bürger im Vergleich zu anderen europäischen Staaten suboptimal", hält Hausjell dazu fest. Wichtig sei, dass das Gesetz rasch komme, aber auch "gut" sei.

Erstmals wird im kommenden Jahr eine Qualitätsjournalismusförderung ausgeschüttet. Sie ist mit 20 Mio. Euro dotiert. "Die Förderung wird ein bisschen über Gebühr gelobt", sagt der RSF-Präsident. So seien viele kleine Medien weiterhin von der Förderung ausgeschlossen. Auch hätte man die Einbindung von Menschen mit Behinderung berücksichtigen sollen. Dass keine Vielfaltsförderung mit Blick auf Journalisten mit Migrationsgeschichte vorgesehen sei, verwundert Hausjell, wo doch Medienministerin Raab auch für Integration zuständig ist.

Sorge bereitet Hausjell "Journalistenbashing" - etwa das Framing von "Falter"-Chefredakteur Florian Klenk als politischer Akteur oder der Schwitzkastenübergriff durch einen FPÖ-Sicherheitsmann an ORF-Satiriker Peter Klien. Auch habe sich bei Demonstrationen gezeigt, dass die Polizei mehr in die Sicherung der Demonstration investiere, als dafür zu sorgen, dass frei darüber berichtet werde. "Das ist ein Missverhältnis. Demonstrationsrecht und Pressefreiheit sind zwei Grundrechte", sagt der Medienexperte.

Wie sich all diese Entwicklungen auf das Pressefreiheitsranking von Reporter ohne Grenzen auswirken, dem will Hausjell nicht vorgreifen. Doch: "Würde nur ich ranken, wüsste ich, wie es ausgeht. Die Bilanz kann nicht zu einer Verbesserung führen."

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  • Aus Sicht von Fritz Hausjell, Präsident der Österreichsektion von Reporter ohne Grenzen (RSF), hat es 2023 wenig Anlass zur Freude gegeben. Starker Treiber einer nicht zufriedenstellenden Entwicklung im Medienbereich sei die Politik. "Verantwortungsvolle Politik müsste ein Interesse daran haben, dass es großen, starken Journalismus gibt. Diesen Eindruck habe ich überhaupt nicht", sagt er im APA-Interview.