Gina Disobey siegte bei Protestsongcontest mit erstem Lied
Host Michael Ostrowski bot nicht nur die übliche pointierte Moderation und häufige Outfit-Wechsel (inklusive im Lockdown "selbst gestricktem" FM4-Pullover), sondern ergriff angesichts der Ausnahmebedingungen auch die Gelegenheit zum ausführlichen Überziehen: Dreieinviertel Stunden dauerte die Finalshow, in der die Songs der aus über 200 Einsendungen ausgewählten Finalisten per Einspielung vertreten und anschließend die Teilnehmer per Zoom von zu Hause zugeschaltet waren. Über deren Wohn- oder Arbeitszimmer-Ambiente wurde deutlich länger diskutiert als über die einzelnen Lieder. Hinterberger hatte sich dafür in einen Stall zurückgezogen und bot vor einem erstaunten Kälbchen gleich noch eine den aktuellen Tiroler Corona-Entwicklungen geschuldete Zusatzstrophe, das Duo Fellowsoph ließ sich zu seiner Antikorruptions-Hymne "Tu felix Austria" während Bügelarbeiten des gewaschenen Geldes ("unversteuerte Albumumsätze") interviewen.
Hinterberger hatte im Publikumsvoting die Nase vorn. Zu den Favoriten der Jury (Sigrid Horn, Simone Dueller, Yasmo, Bobby "Slivo" Slivovsky, Max Schabl und Martin Blumenau) gehörten aber Dassi mit seiner eine Woche nach dem Wiener Terroranschlag geschriebenen Nummer "S.D.O. (Schleich di du Orschloch)", die Singer-Songwriterin Nelavie mit ihrem Lied "Teilzeit Feminist", angesichts dessen einige männliche Jurymitglieder Besserung gelobten, und "Seeking Asylum Is Not A Crime", dem laut eigener Aussagen ersten Song von Gina Disobey, für Yasmo "ein Protestsong, wie er im Buche steht".
In Summe ergab das einen klaren Sieg für Gina Disobey, die in ihrem kraftvollen und anklagenden Song, der sich laut Jury sowohl zum Demonstrieren wie zum Tanzen eignet, den Hungerstreik von Asylwerbern 2019 gegen die unmenschlichen Bedingungen im umstrittenen Tiroler Rückkehrzentrum Bürglkopf thematisiert.
"Der heurige Protestsongcontest hat einmal mehr gezeigt, wie wichtig es ist, den Künstler*innen eine Plattform für ihre kritischen Stimmen zu bieten", ließ danach Protestsongcontest-Mitinitiator Gerald Stocker verlauten. "Gerade in Zeiten wie diesen ist es wegweisend, Haltung zu zeigen, trotz aller Widrigkeiten nicht klein beizugeben sowie darauf hinzuweisen, dass Kultur einen gesellschaftspolitischen Auftrag hat und einen oftmals kleingeredeten, aber in der Realität maßgeblichen wirtschaftlichen Umwegrentabilitätsfaktor für Österreich darstellt. Kultur ist lebensnotwendig für die Psyche des Menschen. Die Kunst in Österreich - ob Hochkultur oder Alternativkultur - ist erstklassig und sollte vom Staat auch als solche behandelt werden!"
Beim 18. Protestsongcontest war "bis auf Rassismus eigentlich alles dabei", resümierte Martin Blumenau in seinem "Themencheck". Nicht ganz. Denn ausgerechnet gegen das Coronavirus und die Anti-Covid-19-Maßnahmen, die zu diesen außergewöhnlichen Final-Bedingungen geführt hatte, wurde nicht protestiert. "Vielleicht, weil es langweilig ist", wurde gemutmaßt.
(S E R V I C E - www.protestsongcontest.net, http://fm4.orf.at)
Zusammenfassung
- Die Veranstaltung wurde per Videostream abgehalten, im Zuschauerraum des Wiener Rabenhof Theaters hatte lediglich die sechsköpfige Jury Platz genommen.