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Für Deutschen Buchpreis nominiert: Max Oravins "Toni & Toni"

Toni ist jemand, den man früher einen "verbummelten Studenten" genannt hätte. Als Hauswart und Portier eines Performancestudios verfügt er über ein Mindesteinkommen, später nur über die Mindestsicherung. In der Nationalbibliothek beschäftigt sich der Philosoph mit japanischen Schriftzeichen. Toni ist Tänzerin mit Hang zur Destruktivität gegenüber dem eigenen Körper. Gemeinsam werden sie vorübergehend ein Erfolgsduo. "Toni html5-dom-document-internal-entity1-amp-end Toni" heißt der Debütroman von Max Oravin.

Als "Toni & Toni" vor wenigen Tagen auf der Longlist für den Deutschen Buchpreis auftauchte, horchte man auf. Der 1984 geborene, in Graz aufgewachsene und in Wien lebende Autor und Sound Artist Oravin war in der heimischen Literaturszene bisher keine fixe Größe. Er beschäftige sich u.a. mit "audiovisuellen Textperformances", heißt es in seiner Biografie.

Sein Roman, den er vor einer Woche beim Wiener Literaturfestival O-Töne im Museumsquartier vorstellte, ist ein filigranes Gewebe, ein absatzloser Textteppich, der sein Material tatsächlich aus Sound und Bewegung bezieht. Weswegen Teppich ein fast zu stabiler Begriff für das ist, was sich zwischen den Buchdeckeln befindet: Hier ist nichts stabil und geerdet, alles ephemer, ständig in Gefahr, sich wieder in Nichts zu verlieren, zerrissen zu werden. So wie die Performance "Filaments", die die beiden erarbeiten.

Toni, die Tänzerin, hat zum Proben ihrer neuen Performance im Wiener Tanzstudio Bodies That Matter eine halbjährige, vollfinanzierte Residency mit nachfolgender Premiere im WUK erhalten und lädt Toni, den Portier, zur Mitarbeit ein. "Jene Körperlinien, die den Raum strukturieren", stehen im Mittelpunkt des Projekts, für das Profi und Laie offenbar erfolgreich zusammenarbeiten, denn bei der Generalprobe sind die Reaktionen euphorisch. Noch vor der Premiere liegt eine Einladung zum Genfer Festival Les gestes subversifs vor. Doch die Premiere muss abgesagt werden. Die Tänzerin erleidet bei der ausgelassenen Vor-Feier in einem Club eine schwere, schmerzhafte Bauchmuskelverletzung. Ihr Körper, sonst von ihm absichtlich zugefügten Schnitten und Schürfungen gezeichnet, setzt diesmal selbst ein Zeichen.

Dieses Ereignis des Scheiterns ist zentral eingearbeitet in ein Geflecht aus Strängen, die in der Beschreibung und Rückerinnerung durch den Ich-Erzähler Toni jeweils passagenweise die Themenführerschaft übernehmen: die faszinierende Welt der japanischen Schriftzeichen, Tanz und Meditation, Drogenerfahrung und Körpergefühl. Die Positionierung eines Körpers im Raum, eines Menschen in der Gesellschaft, eines Bewusstseins in einem Hautsack ist dabei die Gemeinsamkeit, die variantenreich durchgespielt wird - einem Musikstück oder eben einer Choreografie gleich.

"Toni & Toni" schafft es, ein fragiles Gleichgewicht zu halten: Der Text behält seine Fremdheit wie seine Faszination bis zum Schluss. Ob die "Filaments" einen als Performance begeistert oder ratlos gelassen hätten, ist schwer zu sagen. Aber man hätte beiden Tonis den Erfolg von Herzen gegönnt.

(Von Wolfgang Huber-Lang/APA)

(S E R V I C E - Max Oravin: "Toni & Toni", Literaturverlag Droschl, 112 Seiten, 21 Euro)

ribbon Zusammenfassung
  • Max Oravins Debütroman 'Toni & Toni' wurde für den Deutschen Buchpreis nominiert. Der Roman wurde vor einer Woche beim Wiener Literaturfestival O-Töne im Museumsquartier vorgestellt.
  • Die Tänzerin Toni erhält eine halbjährige Residency im Wiener Tanzstudio Bodies That Matter, muss die Premiere ihrer Performance 'Filaments' jedoch wegen einer schweren Bauchmuskelverletzung absagen.
  • Der Roman, ein absatzloser Textteppich, thematisiert die Positionierung von Körpern im Raum und in der Gesellschaft und hält bis zum Schluss eine fragile Balance zwischen Fremdheit und Faszination.