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Ex-ORF-Chef Wrabetz fordert mehr Medien- und Kulturpolitik

Der frühere ORF-Generaldirektor Alexander Wrabetz fordert mehr Aktivität von der Medien- und Kulturpolitik. "Die Situation für die Medien hat sich dramatisch verschärft und wird sich weiter verschärfen", warnte Wrabetz im APA-Interview. Steigende Energie- und Papierpreise sowie sonstige Teuerungseffekte setzten der Medien- und Kulturbranche zu. Wrabetz plädiert für eine massive Erhöhung der Medienförderung und eine rasche Novelle des ORF-Gesetzes.

"Ich finde es schade, dass ein Jahr lang nichts passiert ist. Die Marktteilnehmer haben sich inzwischen eher voneinander entfernt und sind weiter auseinander, als das schon der Fall war. Es muss aber zu Lösungen kommen, die breit getragen werden. Medienförderung und ORF-Novelle kann man nicht getrennt betrachten", so Wrabetz, der bis Ende 2021 als ORF-Chef tätig war und nun internationale Medien im Ausland berät.

Wrabetz fordert einen "runden Tisch, wo auch der Finanzminister dazu gehört". Die Einnahmen aus der 2020 eingeführten Digitalsteuer sollten demnach zur Gänze in den Kreislauf der Medien zurückgeführt werden. Das Finanzministerium erwartet heuer 100 Millionen Euro an Einnahmen aus der von den großen Internet-Konzernen eingehobenen Abgabe. "Das ist die am stärksten wachsende Steuer. Dieses Geld gehört in die Medienförderung und sollte Medienverlagen und der Kulturproduktion zweckgewidmet werden. Das ist zum Teil der Fall, aber nicht ausreichend. Es braucht mehr Mittel für die Digitalisierung der Medien", sagte Wrabetz.

Der ORF brauche im Gegenzug mehr Möglichkeiten bei digitalen Zukunftsprojekten. Zentral: "Der ORF soll Video- und Audioproduktion unabhängig vom Zeitkorsett seines linearen Programms machen können. Produzieren für die digitale Welt und dann auch linear nutzen. Alles andere darum herum sind Details", erklärte Wrabetz.

Darüber hinaus müsse die Finanzierung des öffentlich-rechtlichen ORF gesichert werden, die zuletzt durch die gestiegene Nutzung von ORF-Inhalten über Internet - Stichwort "Streaminglücke" - unter Druck geraten war. Der Verfassungsgerichtshof (VfGH) hat die Möglichkeit der Gratisnutzung via Internet im Sommer als verfassungswidrig beurteilt. Bis Ende 2023 muss das ORF-Gesetz angepasst und die "Streaminglücke" geschlossen werden.

Für die Einführung einer Haushaltsabgabe sieht Wrabetz "wenig Umsetzungschance". Die Zeit bis Ende 2023 sei dafür wohl zu knapp. "Es würde ein EU-Beihilfeverfahren brauchen, und am Ende würde wahrscheinlich weniger für den ORF herauskommen. Deshalb ist eine möglichst einfache Lösung am besten. Es geht darum, einen bestimmten Teil von Empfangsgeräten, über den Streaming erfolgt, in die ORF-Gebühr einzubeziehen - eine Smart-TV-Abgabe." Handys beziehungsweise Smartphones sollten laut Wrabetz nicht betroffen sein, sondern Geräte, die im Haushalt genutzt werden, eine bestimmte Größe und einen Breitbandanschluss haben. "Das wird dem ORF nicht so viel mehr bringen, aber es wird das Abschmelzen der Gebührenteilnehmer stabilisieren."

Wenig hält der ehemalige ORF-Chef vom NEOS-Vorschlag die blaue ORF-Seite ORF.at einzustellen, um Online-Medien verlegerischer Herkunft mehr Chancen am Digitalmedienmarkt zu ermöglichen. "Ich kann mir nicht vorstellen, wie man in einem westlichen Land demokratischen Zuschnitts eine Online-Plattform, die täglich 40 Prozent der Bevölkerung erreicht, einfach abdreht. Stellen Sie sich vor, Viktor Orban würde so etwas fordern. Wie groß wäre der Aufschrei im westlichen Europa! Ich nehme nicht an, dass Österreich auf eine Sanktionenliste kommen will. Deshalb sehe ich das als radikal formulierten Diskussionsanstoß und nichts, was kommen wird", so Wrabetz.

Über Änderungen und Weiterentwicklungen könne man immer reden, aber nicht über eine Abschaffung. Es würde ja reichen, sich auf eine Überblicksberichterstattung zu konzentrieren und für das Vertiefende auf Medienportale zu verlinken, meinte Wrabetz. Und bevor man auch nur ans Zumachen denke, wäre ja eher noch ein kooperativer Ansatz mit der Hereinnahme von privaten Verlagen zu diskutieren.

Eine Lanze brach der langjährige Medienmanager auch für den Kulturbereich. Wrabetz ist ehrenamtlich Kulturbeiratsvorsitzender bei ORF III und fungiert als Präsident der Wiener Symphoniker. Auch in der Kultur gehe es ums Geld. Kulturkonsumenten sparten wegen der Teuerung, viele Ältere seien nach der Pandemie zurückhaltender bei Theater- und Opernbesuchen geworden.

"Darunter leiden alle unterschiedlich. Man darf die Kultur jetzt nicht hängen lassen, denn bestimmte Dinge wird man mit weniger Einnahmen und höheren Kosten in derselben Qualität nicht halten können. Man muss die Kulturförderung erhöhen und anpassen. Es braucht eine gemeinsame Anstrengung von Bund und Länder, um das international gesehen hohe Niveau in Österreich zu halten und auszubauen. Kulturpolitik nennt man das." Veränderungen brauche es auch im Schulunterricht. "Man sollte Literatur, Klassik und Musikunterricht wieder einführen und nicht nur lehren, wie ich ein Bewerbungsschreiben formuliere."

Wrabetz wurde zuletzt in Medienberichten als möglicher Kultur- und Medienminister einer SPÖ-geführten Regierung gehandelt. Dass es den SPÖ-nahen Manager in die Politik drängt, will Wrabetz nicht bestätigen. "Wenn man mich fragt, kann ich mich gerne in medienpolitischen und kulturpolitischen Bereichen einbringen, aber ich strebe keine politische Funktion an."

ribbon Zusammenfassung
  • "Die Situation für die Medien hat sich dramatisch verschärft und wird sich weiter verschärfen", warnte Wrabetz im APA-Interview.
  • Steigende Energie- und Papierpreise sowie sonstige Teuerungseffekte setzten der Medien- und Kulturbranche zu.
  • Die Einnahmen aus der 2020 eingeführten Digitalsteuer sollten demnach zur Gänze in den Kreislauf der Medien zurückgeführt werden.
  • Der ORF brauche im Gegenzug mehr Möglichkeiten bei digitalen Zukunftsprojekten.