Ex-EU-Abgeordneter Martin Ehrenhauser legt Romandebüt vor
Der in Linz geborene 44-Jährige sitzt ganz entspannt im sonnigen Gastgarten eines Cafés im Brüsseler Stadtteil Ixelles und erinnert sich im Gespräch mit der APA an seine Zeit im EU-Parlament 2009 bis 2014. "Der Politikbetrieb war sehr intensiv. Ich bin selten aus dem EU-Viertel rausgekommen. Die romantischen, liebevollen und schrulligen Seiten der Stadt habe ich erst danach kennen und lieben gelernt." Diese in allen Facetten zu beschreiben war eine der Intentionen seines Buches, in das er auch eine kleine Hommage an einen seiner Nachbarn, den populären belgisch-französischen Autor Éric-Emmanuel Schmitt, eingebaut hat. "Ich kenne ihn nicht persönlich, mag aber vieles von dem, was er geschrieben hat. 'Monsieur Ibrahim und die Blumen des Koran' ist ein wunderschönes Buch."
Dass Ehrenhauser heute zwar seinen Hauptwohnsitz in Linz hat, dennoch aber weiterhin häufig in der belgischen Hauptstadt ist, hat mit seiner Familie zu tun. Seine österreichische Frau ist hier Vizedirektorin der Europäischen Schule, in die auch die drei in Brüssel geborenen Töchter gehen. Der gelernte Koch Ehrenhauser ist dann Hausmann und hat "nun mehr Zeit zum Schreiben. Ich habe endlich meine Leidenschaft gefunden."
Leidenschaft konnte man ihm auch als Politiker nicht absprechen. Als Mitglied der Hochschülerschaft des Liberalen Forums erstmals mit Korruptionsaffären konfrontiert, wurde der Journalist und damalige Neo-Politiker Hans-Peter Martin auf ihn aufmerksam. Er wurde sein Büroleiter und Mitstreiter und zog 2009 an seiner Seite ins EU-Parlament ein - zwei Querköpfe, die gegen Betonwände liefen und schließlich auch aneinander prallten. "Es gab Licht und Schatten. Es war lustig, aufregend und wild. Aber natürlich hat er mich dann enttäuscht."
Aufgrund der Gebarung bei der Wahlkampfrückerstattung brachte Ehrenhauser eine Anzeige ein, Martin konterte. Gerichtlich wurden die Vorwürfe nie endgültig geklärt. Die Wege der beiden trennten sich. Und Ehrenhauser wurde ernüchtert. "Korruption ist weit verbreitet, die Staatsanwaltschaft ist überfordert. Traurig, dass man den Eindruck bekommt: In Österreich kommen zu viele damit durch ..."
Als Spitzenkandidat der Liste "Europa anders" machte Ehrenhauser durch Aktionen wie ein Protestcamp am Ballhausplatz oder durch einen Auszug aus einer ORF-Diskussionssendung Schlagzeilen. "Für die Rolle des empörten Oppositionspolitikers habe ich mich auch verstellt. Da war ich nicht mehr ich selbst", gibt er sich heute selbstkritisch. "Mit Empörung rettet man aber die Welt nicht." Bei der EU-Wahl erhielt seine Liste 2,1 Prozent - zu wenig für den Einzug ins Parlament. Ehrenhauser selbst erzielte jedoch einen Achtungserfolg. Mit 6.481 Vorzugsstimmen hätte er die Kriterien einer Vorreihung doppelt übertroffen. Theoretisch. Mit 35 Jahren zog er daraufhin einen Schlussstrich: "Ich wollte nie ein Aufdecker sein. Um ehrlich zu sein, bin ich froh, dass ich abgeschlossen habe. Es ist ein Bruch - mit allen Konsequenzen."
Deshalb ist er nicht im politiknahen Bereich geblieben, deshalb hat er auch abgelehnt, Lobbyist zu werden - zumal er sich noch heute darüber ärgert, dass große Unternehmen wie Google sich mit Millionenbudgets Einfluss erkaufen können. "Ich glaube zutiefst an den demokratischen Prozess und glaube, dass jede Stimme im Europaparlament wichtig ist. Manchmal kann man dabei aber durchaus das Gefühl bekommen, ohnmächtig zu sein. Dazu kommt: Die Macht ist noch nicht an die EU abgegeben. Die Blockaden passieren in den europäischen Hauptstädten und nicht in Brüssel."
Zwar ist eine seiner beiden Hauptfiguren im Roman eine pensionierte EU-Diplomatin - Insidergeschichten aus den Europäischen Institutionen gibt es dennoch nicht zu lesen. "Ich wollte das Buch bewusst unpolitisch machen. In der Politik lenkt man den Blick auf die Dinge, die schief laufen. Das wollte ich nicht mehr. Ich glaube mittlerweile, dass man mit Liebe mehr erreichen kann."
Dass "Madame Janssen" dennoch keine Lehrerin oder Ärztin wurde, liegt daran, dass sie ein reales Vorbild hatte. Die Szene, in der die attraktive ältere Dame mit Politik-Vergangenheit vis-a-vis der Hauptfigur in eine gut einsehbare Terrassenwohnung einzieht, hat sich so ereignet und war die Initialzündung für die Geschichte. Und auch "Der Liebende" selbst, ein Priester, der von seiner neuen Nachbarin buchstäblich in Versuchung geführt wird, ist seinem ehemaligen Englisch-Nachhilfelehrer nachempfunden - sehr gebildet, sehr religiös, sehr asketisch. "Seine Lebensweise hat mich fasziniert", sagt Ehrenhauser. Warum aber, um Gottes Willen, muss "Monsieur Haslinger" ausgerechnet Josef heißen, wie der österreichische Autor gleichen Namens? Daran habe er gar nicht gedacht, versichert er: "Josef hat mein Großvater geheißen, zu dem ich eine große Nähe hatte."
Wie sich die Geschichte zwischen seinen beiden Hauptfiguren entwickeln werde, habe er nicht von Anfang an gewusst, beteuert Ehrenhauser. "Ich bin ihnen beim Schreiben sehr nahe gekommen. Ich hoffe, man spürt beim Lesen, wie gern ich die Figuren habe. Ich habe mich treiben lassen. Die Wendung, die das Ganze genommen hat, ist erst mit der Zeit entstanden." Nur soviel: In der Romanze der beiden älteren Menschen werden schließlich auch die seelsorgerischen Fähigkeiten von Monsieur Haslinger gefragt ...
Monsieur Ehrenhauser aber sitzt bereits an seinem nächsten Roman. Er spielt in Monaco. Hauptfigur ist eine dort lebende ältere Schauspielerin aus Wien. Und auch diesmal gibt es ein reales Vorbild.
(Das Gespräch führte Wolfgang Huber-Lang/APA)
(S E R V I C E - Martin Ehrenhauser: "Der Liebende", List Verlag, 208 Seiten, 21,60 Euro)
Zusammenfassung
- Wenn ein ehemaliger österreichischer EU-Abgeordneter ein Buch schreibt, erwartet man ein politisches Thema, ein Sachbuch.
- Wenn er Martin Ehrenhauser heißt, der als fraktionsloser Europaparlamentarier gegen Korruption und Lobbyismus kämpfte, dann rechnet man mit Aufdeckungen aus der Insider-Perspektive.
- "Der Liebende" enttäuscht diese Erwartungen.
- (S E R V I C E - Martin Ehrenhauser: "Der Liebende", List Verlag, 208 Seiten, 21,60 Euro)