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Das Geschichtsbild: Monumentalschau der Akademie in Wien

Geschichtskonstruktion und die Manipulation des Bildes durch die Mächtigen scheinen brennende Themen unserer Zeit - und sind doch beileibe kein neues Phänomen, wie nun die große Ausstellung "History Tales" in der Akademie der bildenden Künste Wien zeigt. Und noch vieles mehr. Denn Gemäldegaleriedirektorin Sabine Folie hat einen megalomanischen Assoziationsreigen gestaltet, der sich in verschiedenste Wege verästelt. Ebenso lohnenswert wie einschüchternd.

Für die 300 Werke umfassende Schau greift sie auf die Sammlungsbestände der Gemäldegalerie, des Kupferstichkabinetts und der Glyptothek zurück und hat darüber hinaus Leihgaben integriert. So umfangreich ist das Zusammengetragene, dass man inmitten der Laufzeit, im Jänner, ein Teil austauscht.

13 "Szenerien" hat Folie konzipiert, die in einer ansprechenden Ausstellungsarchitektur in luftigen Koben von "Tempelbau und Ruine" über "Der makellose (Staats-)Körper" bis zu "Die große Schlacht" oder "Klassizismus an der Wiener Akademie" reichen. Der assoziative Parforceritt reicht von der Antikenidealisierung als Metapher für den idealen Staatsbau über den Jungfrauenkörper als Topos der Zivilisationsbegründung. Es geht um die Darstellung der Herrschenden von Joseph II. über Friedrich dem Großen bis zu Napoleon.

Wie stellt die Menschheit ihre Helden dar? Wie inszenieren sich diese selbst? Wie manifestiert sich die Hybris des Menschen im Kunstwerk? All dies sind Fragen, die in der Ausstellung angerissen und aufgeworfen werden, und doch stellt dieser Seitenstrang nur einen Aspekt des Kompendiums dar. Folie folgt in ihrer Konzeption dem Werden und Vergehen ganzer Gesellschaften. Sie spürt dem gewachsenen Interesse an der Geschichte in Form der Historienmalerei im 19. Jahrhundert als Gegenbewegung zur beschleunigten Zeitwahrnehmung der Epoche der beginnenden Industrialisierung nach.

Sie schiebt Naturkatastrophen wie Vulkanausbrüche als "Interludien" im Sinne thematischer Zwischenspiele ein. Alexanders Kluges KI-basierte Videoarbeiten als Reflexion auf barocke Herrschergemälde sind neben großen Schlachtpanoramen positioniert, die wiederum mit Videoarbeiten zum Afghanistankrieg kontrastiert werden. Die überdimensionalen Pferdehintern der Schlachtenszenerien führen über Pferdekopfporträts Adolph Menzels zu David mit dem abgeschlagenen Haupt Goliaths und zum idealisierten Kopf.

Kupferstiche und Ölschinken reihen sich aneinander, Drucke und Bücher, Filme und Statuen. Wie geht der Wirklichkeitsanspruch der Fotografie mit einer Veränderung in der Attitüde der Malerei einher? Wie wird die Geschichte die Geschichte sichtbar? All die große Reflexion der Menschheit über ihr Sein führt letztlich ins Inferno, oder besser den Raum "La comédie humaine", wo mit Hieronymus Boschs "Weltgerichtstriptychon" eine der Preziosen der Sammlung zu finden ist, die unter anderem mit John Murphys "The Joseph Conrad Series" aus 2003 verwoben wird, die ins "Herz der Finsternis" führt. Und in der Endkurve wird noch die klassizistische Malerei in der Akademie thematisiert.

Direktorin Folie zeigt mit "History Tales. Fakt und Fiktion im Historienbild" die monumentalste Schau seit der Rückübersiedelung der Gemäldegalerie in die frischrenovierten Räumlichkeiten im Herbst 2021. Es wäre eine der Eröffnung würdige Ausstellung mit den Preziosen der Sammlung gewesen, die sich nicht durch die Kraft der Fokussierung auszeichnet. Nun lädt sie im überborden Gestus Besucherinnen und Besucher auf eine Reise durch mannigfaltige Wege der Kunst zwischen dem 16. Jahrhundert und der Jetztzeit ein - wenn man sich darauf einlassen kann.

Flankiert wird die Monumentalschau mit einem nicht minder umfangreichen Begleitprogramm. Dazu gehört eine Vortragsreihe, in deren Rahmen sich in den kommenden Monaten Expertinnen und Experten wie Bernd Stiegler, Gudrun Swoboda oder Eva Kernbauer der Frage Geschichte und deren Konstruktion und Wahrnehmung widmen.

(S E R V I C E - "History Tales. Fakt und Fiktion im Historienbild" in der Akademie der bildenden Künste Wien, Gemäldegalerie, Wien 1, Schillerplatz 3, 27. September bis 26. Mai 2024 täglich außer Montag von 10 bis 18 Uhr. https://www.akbild.ac.at)

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  • Und noch vieles mehr. Denn Gemäldegaleriedirektorin Sabine Folie hat einen megalomanischen Assoziationsreigen gestaltet, der sich in verschiedenste Wege verästelt.