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Corona in Sammlungsobjekten: Die Pandemie gehört ins Museum

Auf Corona stößt man in der aktuellen Ausstellung des Haus der Geschichte Österreich (hdgö) an einer überraschenden Stelle: in der Antisemitismus-Abteilung. In einer Vitrine liegen zwei gelbe Filzsterne. Statt wie in der NS-Zeit "Jude" steht "Ungeimpft" auf ihnen. Es handelt sich um Beweisstücke in einem Verfahren, in dem 2022 Gegner der Impfpflicht der Verharmlosung der Shoah schuldig gesprochen wurden. Die Kuverts der polizeilichen Sicherstellung liegen daneben.

Mit einer weiß gestrichenen "Covid19Bank", bei der die Entfernung des Mittelteils der Sitzfläche dafür sorgte, dass der geforderte Sicherheitsabstand von einem Meter eingehalten wurde, ist derzeit nur noch ein zweites der rund 120 Objekte, die sich zum Thema Corona in der Sammlung des Museums befinden, ausgestellt. Als erstes Stück in die Sammlung aufgenommen wurde eine Klopapier-Rolle, die an die Hamsterkäufe des ersten Lockdowns erinnert, als letztes Objekt kam der durch Medienauftritte als Leiter der Gesamtstaatlichen Covid-Krisenkoordination (GECKO-Kommission) zum Kult-Outfit avancierte Tarnanzug von General Rudolf Striedinger ins Depot.

"Wir haben im Internet gleich einen Aufruf gestartet und auch schon bald eine Webausstellung zu Corona online gestellt", erinnert sich hdgö-Direktorin Monika Sommer im Gespräch mit der APA. "Früher hat man als Museum 30 Jahre gewartet, um historischen Abstand zu gewinnen. Das hat sich radikal gewandelt. Heute wird international unter dem Begriff 'Rapid Response Collecting' am Puls der Zeit gesammelt. Man muss natürlich schauen, dass man nicht alles anhäuft. Dabei hilft auch, dass Museen sich heute auch vermehrt trauen, Objekte wieder auszuscheiden, nachdem sie dokumentiert wurden."

Einige Objekte aus der Corona-Sammlung des Wien Museums schafften es 2021 sogar in einen Artikel des britischen "Guardian", der die einschlägigen Sammlungsbemühungen von Museen auf der ganzen Welt dokumentierte. Darunter war etwa ein handgeschriebenes Corona-Wörterbuch, mit dem sich eine Ukrainerin neue deutsche Begriffe wie Ausgangssperre, Mindestabstand oder Maskenpflicht beibrachte, ein aus grünem Garn gehäkeltes Coronavirus, das der Pandemie seinen Schrecken nehmen sollte und an die vielfältigen Handarbeiten erinnert, die im Lockdown verrichtet wurden, oder eine Original Wiener Schneekugel, die von der rasch reagierenden Firma im Frühling 2020 in einer Version mit einer Mini-Klorolle aus Kunststoff auf den Markt gebracht wurde.

Web-Aufrufe und Fotoprojekte

Wie das hdgö oder das Graz Museum hat auch das Wien Museum damals einen Web-Aufruf gestartet, nämlich schon am 25. März 2020 und damit "als erstes Museum in Österreich und vielleicht sogar in Europa", berichtet Kuratorin Martina Nußbaumer. Über 3000 E-Mails mit rund 8.000 attachten Fotos seien die Folge gewesen. "Die Leute haben es wie eine Internet-Challenge gesehen. Und sie hatten klar ein Bedürfnis, über diesen Ausnahmezustand zu kommunizieren." Außerdem wurden eigene Fotoprojekte gestartet, um das veränderte Stadtbild zu dokumentieren. Aktivitäten, die auch der Erkenntnis geschuldet waren: "Von vergangenen Pandemien gibt es fast gar nichts in unseren Sammlungen."

Auf rund 500 Objekte und Fotografien schätzt Nußbaumer die Corona-Sammlung des Wien Museums. Sie erzählen von Home Office und Home Schooling, von Solidarität und Nachbarschaftshilfe, aber auch von neuen gesellschaftlichen Konflikten. Auch hier war die notwendige Beschränkung bald ein wichtiges Thema. "Beim Masken-Sammeln mussten wir uns schon bald beschränken, obwohl etwa gerade Transformationsprozesse über die Art der Masken, von den selbst geschneiderten bis zu den FFP2-Modellen, gut erzählbar sind."

Thema noch stark emotionalisiert

Die Webausstellungen beider Häuser widmen sich dem Thema Corona in eigenen Kapiteln. Eine eigene, analoge Ausstellung über die Corona-Zeit hat es hier noch nicht gegeben. In ihrer Einschätzung dazu sind sich Monika Sommer und Martina Nußbaumer einig: Dazu ist es noch zu früh. Das Thema sei noch zu stark emotionalisiert. Die einen wollten darüber nichts mehr hören, die anderen regten sich darüber noch zu sehr auf. Für beide Gruppen dürften die nächsten Wochen, wenn medial umfangreich an den ersten bestätigten Corona-Fall in Österreich vor fünf Jahren und seine Folgen erinnert wird, eine harte Zeit werden.

(S E R V I C E - https://hdgoe.at/category/corona_sammeln ; https://www.wienmuseum.at/forschungsprojekt_objekte_covid_19_alltag )

ribbon Zusammenfassung
  • In der aktuellen Ausstellung des Haus der Geschichte Österreich werden Corona-Objekte in unerwarteten Kontexten gezeigt, darunter ein gelber Filzstern mit der Aufschrift 'Ungeimpft', der als Beweisstück für die Verharmlosung der Shoah dient.
  • Das Wien Museum hat durch Web-Aufrufe und Fotoprojekte eine Sammlung von rund 500 Corona-Objekten aufgebaut, die von Home Office bis zu gesellschaftlichen Konflikten erzählen.
  • Insgesamt wurden über 3000 E-Mails mit 8000 Fotos an das Wien Museum gesendet, was die große Beteiligung und das Bedürfnis der Menschen zeigt, die Pandemie zu dokumentieren.