Zwei tote Flüchtlinge: Sieben Jahre Haft für Schlepper
Die Staatsanwaltschaft warf ihm Schlepperei und Mord vor. Er soll 30 Flüchtlinge für rund acht Stunden Fahrt ohne Pause im Laderaum eingeschlossen haben. Nun wurde der 19-Jährige vom Gericht zu sieben Jahren Haft verurteilt. Ein Geschworenengericht sprach ihn der Schlepperei und der Körperverletzung mit tödlichem Ausgang schuldig - den Vorwurf des Mordes verneinte es.
Die Aussagen des Letten seien vor diesem Hintergrund als Geständnis gewertet worden, sagte Richterin Gabriele Nemeskeri. Er hatte sich zur Schlepperei schuldig bekannt, zum Mord jedoch nicht - wobei er sehr wohl zugab, dass er gewusst habe, dass es den insgesamt 30 Flüchtlingen, die er für rund acht Stunden Fahrt ohne Pause im Laderaum eingeschlossen hatte, nicht gut gehe. Der Angeklagte nahm das Urteil an. Die Staatsanwaltschaft gab keine Erklärung ab. Es ist also noch nicht rechtskräftig.
Verteidiger: "Er hat eine Dummheit gemacht"
Kein Trinken, kein Essen
Die Flüchtlinge hätten am 19. Oktober 2021 in einem Waldstück an der Grenze zwischen Serbien und Ungarn auf den Letten gewartet, erläuterte die Staatsanwältin. Eigentlich hätten sie auf zwei Schlepperfahrzeuge aufgeteilt werden sollen, weil eines nicht auftauchte, seien aber alle zum Einsteigen in den Klein-Lkw genötigt und regelrecht "hineingeschlichtet" worden. Sie sind laut Anklage gebückt im Laderaum gekauert, ohne Trinken oder Essen. Schon nach knapp zwei Stunden sei der Sauerstoff im Fahrzeug verbraucht gewesen. Die Flüchtlinge hätten die Dichtungen der Türen rausgerissen, damit sie Luft bekommen, an die Scheiben und Türen geklopft und geschrien: "Menschen sterben hier, bleib stehen". Die Zustände seien katastrophal gewesen, im Laderaum habe Todesangst geherrscht, betonte die Staatsanwältin.
Als der Transporter schließlich von Soldaten des Bundesheeres an der grünen Grenze bei Siegendorf angehalten und kontrolliert wurde, seien die Flüchtlinge aus dem Fahrzeug "herausgefallen". Zwei Syrer waren da bereits tot, sie sind erstickt. Der 19-Jährige konnte flüchten, wurde aber zwei Monate später in seinem Heimatland Lettland festgenommen. Er ist laut Anklage Teil einer größeren Schlepperorganisation, von der 19 Mitglieder im April bereits verurteilt wurden. Es dürfte sich um seine erste Fahrt gehandelt haben. Einen Führerschein hat der Schüler, der in einer Pizzeria jobbte, nicht. Er habe wohl aufs "schnelle Geld" gehofft, meinte die Staatsanwältin.
Mordprozess gegen Schlepper
Der Angeklagte gab vor Gericht zu, die Schlepperfahrt gemacht zu haben. Den Vorwurf des Mordes leugnete er hingegen. Er sei als Fahrer angeworben worden, habe aber keine Details gekannt. Er habe nicht gewusst, dass die Fußschlepper 30 Personen in sein Fahrzeug gebracht hätten, dass der Laderaum dicht sei und dass die Fahrt so lange dauern werde. Sein Englisch sei nicht gut, weshalb er nicht mitbekommen habe, dass die Zustände im Laderaum so ernst gewesen seien. Für einen Mord fehle der Vorsatz, meinte sein Verteidiger. Vielmehr sei es Fahrlässigkeit gewesen. "Er wusste zu keinem Zeitpunkt, dass jetzt akute Lebensgefahr ist. Er hat immer gesagt, wenn er das verstanden hätte, wäre er stehengeblieben."
Nie nach hinten geschaut
Der 19-Jährige gab an, nie nach hinten in den Laderaum geschaut zu haben - er habe gedacht, dort seien nur 15 bis 17 Personen. Die Schreie habe er wahrgenommen, aber zunächst nicht verstanden und geglaubt, die Flüchtlinge würden mit den zwei Migranten sprechen, die aus Platzmangel neben ihm am Beifahrersitz gesessen seien. Später hätten ihm diese dann gesagt, dass es den anderen Flüchtlingen schlecht gehe. Er habe aber nicht gedacht, dass sie sterben. "Da ist es um Menschenleben gegangen und Sie haben schon gewusst, dass es ihnen schlecht geht", hielt ihm Richterin Gabriele Nemeskeri vor. Deshalb habe er dann auch seinen Chef angerufen und ihm gesagt, dass es eine Notsituation gebe und die Leute kaum atmen können, meinte der Angeklagte. Dieser habe ihm aber gesagt, das sei egal, er solle einfach weiterfahren. "In dem Moment habe ich meinen größten Fehler gemacht, nicht stehen zu bleiben", meinte der 19-Jährige. Dass zwei Menschen gestorben seien, habe er erst bei seiner Festnahme erfahren.
Kein Sauerstoff mehr
Zwei Syrer, die im Laderaum mitgefahren sind, schilderten vor Gericht die Zustände im Fahrzeug. "Wenn ich fünf Minuten länger im Auto geblieben wäre ohne Luft, wäre ich gestorben. Ich habe eine Aufzeichnung von meinem Leben vor meinen Augen gesehen", erzählte einer. Alle 30 Flüchtlinge seien eingestiegen, nachdem sie zuvor drei bis vier Tage im Wald verbracht hatten. Nach drei bis vier Stunden Fahrt hätten sie bemerkt, dass "kein Sauerstoff mehr da ist". Sie hätten auf Arabisch und Englisch geschrien, gegen die Trennscheibe zum Fahrer und gegen die Türen geschlagen und den Schlepper kontaktiert, der die Fahrt organisiert hatte. Der habe nur gesagt: "Wartet noch ein bisschen."
Ungefähr eine Stunde, bevor sie an der österreichisch-ungarischen Grenze angehalten wurden, hätten sie die Tür aufbekommen und immer wieder Luft in den Laderaum gelassen, sie zwischendurch aber geschlossen, um nicht rauszufallen oder die Polizei auf sich aufmerksam zu machen, sagte der zweite. Durch die rausgerissene Gummidichtung bei den Seitentüren hätten sich außerdem Luftschlitze ergeben. Die beiden Flüchtlinge, die letztlich erstickten, seien circa in der Mitte des Laderaums zwischen Trennscheibe und Tür gesessen - dort, wo am wenigsten Luft hingekommen sei.
Syrer in sehr schlechtem Gesundheitszustand
Sachverständiger Wolfgang Denk erklärte, die zwei Syrer seien noch auf ungarischem Staatsgebiet erstickt - wohl schon mehrere Stunden bevor sie gefunden wurden. Dass gerade diese beiden gestorben seien, sei auf ihre Position im Fahrzeug und auf ihren beeinträchtigten Gesundheitszustand zurückzuführen. Das 37-jährige Todesopfer sei untergewichtig gewesen, habe eine angeborene Trichterbrust und Bronchitis gehabt, außerdem sei bei ihm eine abgeklungene Coronainfektion festgestellt worden. Der zweite, ein 33-Jähriger, sei ebenfalls untergewichtig gewesen und habe eine beginnende Lungenentzündung und eine Zyste im Bereich der Nieren gehabt.
Am Montagnachmittag sollten die weiteren Überlebenden der Schlepperfahrt befragt werden. Der Prozess ist bis 20.00 Uhr angesetzt.
Zusammenfassung
- Am Montagvormittag hat am Landesgericht Eisenstadt der Prozess gegen einen 19-jährigen Schlepper begonnen, in dessen Klein-Lkw im vergangenen Oktober an der Grenze zu Ungarn bei Siegendorf zwei tote Flüchtlinge gefunden worden waren.
- Der Mann wurde nun zu sieben Jahren Haft verurteilt. Das Urteil ist nicht rechtskräftig
- Er soll 30 Flüchtlinge für rund acht Stunden Fahrt ohne Pause im Laderaum eingeschlossen haben.