Tiroler Satellit erforscht Weltraumschrott im All
Es handle sich dabei um eine Art Mikrofon, beschrieb Weltraum-Experte Grömer. Es könne "kleinste Teilchen" in der Erdumlaufbahn aufspüren - Weltraumschrott im Mikrometer-Bereich. Unter Weltraumschrott fielen all jene Teilchen, die "keine Funktion im Weltraum mehr haben", präzisierte Grömer - "nicht verbrauchter Tankstoff, Lacksplitter und gelegentlich auch Werkzeuge, die Astronauten verloren haben". Kleinste Schrottpartikel - das klinge zunächst "unspektakulär", führe man sich jedoch vor Augen, dass diese mit einer Geschwindigkeit von zehn bis 15 Kilometern pro Sekunde unterwegs sind, habe dies "die kinetische Energie von einem Pistolenschuss", verwies Grömer auf die Gefahr, die von Weltraumschrott ausgeht. Es gebe deutlich über 150 Millionen solcher Teilchen, schätzte der ÖWF-Direktor.
"Für uns endet Umweltschutz nicht an den Grenzen des Planeten Erde", fuhr der Experte fort. "Wir müssen behutsam mit einer begrenzten Ressource umgehen." Weltraumschrott stelle zudem eine "Bedrohung für Weltraummissionen" dar und könnte den "Zugang für künftige Generationen erschweren", legte Grömer dar. Dabei sei "all das Kleinzeug im All" die "größte Unbekannte". "Adler 1" soll Abhilfe schaffen. Der "Small-Sat" ist lediglich 30 Zentimeter hoch und zehn Zentimeter breit und soll mindestens ein Jahr lang mit einer Geschwindigkeit von rund 25.000 Kilometern pro Stunde durch das Weltall fliegen. In dieser Zeit wird seine Oberfläche auf die Einschlagwirkung kleinster Partikel untersucht.
Es sei "höchste Zeit" für eine solche Bemühung, meinte Grömer. Die letzten wissenschaftlich begleiteten Analysen im Bereich Weltraumschrott dieser Größenordnung lägen Jahre zurück. "Wir befinden uns seit knapp einem Jahrzehnt im schrotttechnischen Blindflug", fand Grömer einen stimmigen Vergleich. Und das, obwohl in dieser Zeit ein "neuer Goldrausch in der Weltraumwirtschaft" ausgebrochen sei. "Man denke an SpaceX oder zahlreiche chinesische Prestige-Projekte", nannte der ÖWF-Direktor einige Beispiele.
Das Projekt wurde gemeinsam mit dem im Silicon Valley und von dem Österreicher Peter Platzer geführten Technologieunternehmens Spire Global umgesetzt und durch die oberösterreichische Findus Venture GmbH finanziert. Ein "höherer sechsstelliger Betrag" sei in "Adler 1" geflossen, eine Gesamtsumme wollte Grömer nicht nennen. Ohne privaten Financier wäre das Projekt seiner Meinung nach aber nicht umsetzbar: "Die öffentliche Hand zeigt leider wenig Interesse", kritisierte er.
Der Vorstand von Findus Venture, Financier Christian Federspiel hatte Mitte September 2020 gemeinsam mit Platzer und Grömer im Ars Electronica Center in Linz die Pläne von "Adler-1" präsentiert. Lediglich ein Jahr sollte zwischen den Blaupausen und dem Start vergehen. Durch die Coronakrise musste der Start immer wieder verschoben werden.
Am Freitag war es dann schließlich so weit. Von Kalifornien aus startete "Adler-1" in lichte Höhen. "Der Start ist nicht mit dem einer Rakete vergleichbar", beschrieb Grömer. Vielmehr setzte eine umgebaute Boeing 747 in einer Höhe von elf Kilometern eine Trägerrakete aus, die den österreichischen Satelliten in seine Umlaufbahn in 500 Kilometern Höhe brachte.
Wenige Wochen danach werden voraussichtlich die ersten Daten vorliegen. Die Reise des kleinen Flugkörpers wird wissenschaftlich begleitet. "Es wird sich zeigen, ob die Technik, die wir hier in Tirol entwickelt haben auch tatsächlich funktioniert", kommentierte ÖWF-Direktor Grömer. Er hoffe, dass das Projekt dabei helfen wird, "das Ausmaß des Problems mit dem Weltraumschrott zu erfassen". Nachfolgeprojekte seien bereits geplant.
Zusammenfassung
- Am Freitag ist der erste Tiroler und insgesamt vierte österreichische Satellit ins All gestartet.
- "Adler-1" soll, wie der Direktor des Österreichischen Weltraum Forums (ÖWF) Gernot Grömer im APA-Gespräch erklärte, "eine unangenehme Wissenslücke" schließen.
- Er wird in über 500 Kilometern Höhe neue Erkenntnisse über Weltraumschrott zutage fördern.
- Dabei sei "all das Kleinzeug im All" die "größte Unbekannte".