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"Rund 200 Zwangsehen pro Jahr": Warum das in Österreich möglich ist

Vor allem Frauen mit Migrationsgeschichte können von Zwangsheirat gefährdet sein. Befeuert wird das durch fehlende Bildung und finanzielle Abhängigkeit vom Ehepartner.

54 Verdachtsfälle von Zwangsverheiratung von Minderjährigen wurden 2021 in Österreich gemeldet. Das geht aus einem entsprechenden Forschungsbericht im Auftrag des Österreichischen Integrationsfonds (ÖIF) hervor.

Wer älter als 18 Jahre ist, der wird davon aber nicht erfasst. Studienautorin Birgit Haller geht sogar von rund 200 Zwangsehen pro Jahr in Österreich aus.

Haller ist wissenschaftliche Leiterin des Instituts für Konfliktforschung. Für den Forschungsbericht befragte das Institut bundesweit Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Kinder- und Jugendhilfe.

Patriarchale Traditionen

Zwangsehen sind demnach meist in veralteten Geschlechtervorstellungen oder Ehre-Konzepten begründet. Dadurch soll auch die Sexualität der Mädchen kontrolliert werden, oder ihre "Ehre" nach Vergewaltigungen wiederhergestellt werden.

Auch finanzielle Absicherung der Eltern, der Betroffen kann eine Motivation sein, zum Beispiel, wenn Lernschwierigkeiten oder eine körperliche Behinderung vorliegt. 

Am häufigsten sind laut Studie in Österreich folgende Gruppen von Zwangsehen betroffen:

  • Frauen mit Migrationsgeschichte in zweiter oder dritter Generation und mit österreichischer Staatsbürgerschaft. Es gibt Mädchen, die gezwungen werden, Schule oder Ausbildung abzubrechen, um sie finanziell abhängig zu machen.
  • Frauen, die wegen einer Zwangsheirat nach Österreich gebracht werden. In dieser Gruppe ist die Abhängigkeit noch stärker: Sie sprechen kein Deutsch, sind sozial abhängig vom Ehepartner und haben keine Ausbildung.
  • Frauen in unterschiedlichen (Vor-)Stadien des Asylverfahrens und unbegleitete minderjährige Flüchtlinge.

Zwangsehen sind Gewalt an Frauen, stellt die Studie fest. Zwangsehen sind zwar ein Tatbestand im Strafgesetzbuch, allerdings wurde keiner der in der Studie erfassten Fälle zur Anzeige gebracht.

Das geschehe oft auf Wunsch der Frau nicht, heißt es. Diese hätten oft Angst, sonst auch in ihren eigenen Communitys den Anschluss verlieren.

ribbon Zusammenfassung
  • 54 Verdachtsfälle von Zwangsverheiratung von Minderjährigen wurden 2021 in Österreich gemeldet.
  • Studienautorin Birgit Haller geht sogar von rund 200 Zwangsehen pro Jahr in Österreich aus.
  • Vor allem Frauen mit Migrationsgeschichte können von Zwangsheirat gefährdet sein.
  • Befeuert wird das durch fehlende Bildung und finanzielle Abhängigkeit vom Ehepartner.