APA/APA/HELMUT FOHRINGER/HELMUT FOHRINGER

Polizei Wien bei Gewalt in der Privatsphäre stark gefordert

245 Hochrisiko-Fälle bei Gewalt in der Privatsphäre hat das Opferschutzzentrum der Polizei Wien in den ersten vier Monaten bearbeitet. Eine Zahl, die die 14 Beamtinnen und Beamten durchaus vor Herausforderungen stelle, wie Leiterin Nina Lepuschitz am Mittwoch am Rande einer Pressekonferenz in der Landespolizeidirektion erklärte. "Wir hätten selbst nicht mit diesem Ausmaß gerechnet", so Lepuschitz. Ende März werde entschieden, ob das Pilotprojekt in den Regelbetrieb gehe.

Die geschulten Polizistinnen und Polizisten des Opferschutzzentrums erstellen bei Fällen von häuslicher Gewalt nach Zuweisung durch den "GiP-Support (Gewalt in der Privatsphäre)" Gefährdungsanalysen auf wissenschaftlicher Grundlage, nehmen an Fallkonferenzen teil, tauschen sich mit Partnerorganisationen wie dem Wiener Gewaltschutzzentrum und der Präventionsstelle Neustart aus und stehen in engem Kontakt mit Opfern als auch Tätern.

Der regelmäßige Austausch sei dabei besonders im Fokus der Arbeit, sagte Lepuschitz. "Damit uns wirklich kein Fall durch das Netz geht." Das hob im Zuge des Medientermins auch Nikolaus Tsekas von Neustart Wien hervor. "Es geht darum, mit unterschiedlichen Bildern zu einer realistischen Risikoeinschätzung zu kommen und Maßnahmen gemeinsam mit der Polizei zu planen und nach Möglichkeit weitere Vorfälle zu verhindern", so Tsekas. Jeder Hochrisiko-Gefährder müsse nach Gewalttaten binnen weniger Tage zu einer verpflichtenden Präventionsberatung bei Neustart kommen, erklärte Tsekas. Natürlich könnten damit "nicht alle, aber die meisten Gefährder" erreicht werden, sagte er. "Insgesamt geht es darum, das Dunkelfeld kleiner zu machen."

Während sich Neustart vor allem mit Tätern arbeite, würden Opfer dagegen von der Polizei sofort an das Gewaltschutzzentrum vermittelt werden, erklärte Geschäftsführerin Nicole Krejci. Aber speziell bei Hochrisikofällen müsse der Fokus auf gemeinsames und koordiniertes Vorgehen gelegt werden. "Nur wenn alle Positionen zusammengetragen werden, können alle Perspektiven abgewogen und abgestimmt werden."

Krejci und Tsekas verwiesen am Mittwoch darauf, dass es auch am Valentinstag zu Gewalteskalationen komme. "Auch heute werden Betretungs- und Annäherungsverbote übermittelt." Man habe sich daher bewusst dazu entschieden, am 14. Februar Aufmerksamkeit für das Thema zu schaffen, hieß es.

2023 wurden mehr als 4.200 Betretungsverbote an das Wiener Gewaltschutzzentrum übermittelt, pro Monat spricht die Wiener Polizei zwischen 350 und 360 davon aus. Im Zuge dessen wird automatisch auch das Gewaltschutzzentrum benachrichtigt. Etwa fünf bis sieben Prozent aller dort registrierten Fälle sind dem Hochrisiko-Bereich zuzurechnen. 2023 sind insgesamt 6.708 Opfer durch das Gewaltschutzzentrum Wien betreut worden. Im gleichen Zeitraum wurden wienweit 3.774 Gefährder an Neustart zugewiesen. In der Bundeshauptstadt sind 89 Prozent der Gefährder männlich, im Hochrisiko-Bereich sogar 98 Prozent.

Die Wiener Polizei stellte die Arbeit mit Opfern (in der Regel Frauen und Kinder) zuletzt auf neue Beine und etablierte im vergangenen Jahr das Opferschutzzentrum als Teil des Landeskriminalamts (LKA) im Probebetrieb. Das österreichweit einzigartige Projekt gilt als Vorzeigemodell. Landespolizeipräsident Gerhard Pürstl betonte bereits im Jänner im APA-Gespräch, dass das Opferschutzzentrum wohl in den Dauerbetrieb gehen könnte. "Das scheint gut anzulaufen und wir hoffen, das auch als Dauerorganisation implementieren zu können", sagte Pürstl damals.

(S E R V I C E - Die Wiener Polizei ist Ansprechpartner für Personen, die Gewalt wahrnehmen oder selbst Opfer von Gewalt sind. Der Polizei-Notruf ist unter der Nummer 133 jederzeit erreichbar. Die Kriminalprävention des Landeskriminalamt Wien bietet darüber hinaus persönliche Beratungen unter der Hotline 0800 216346 an.

Weitere Ansprechpartner: Frauenhelpline 0800 222 555, Gewaltschutzzentrum 01 585 32 88, Opfer-Notruf 0800 112 112 Notruf des Vereins der Wiener Frauenhäuser 05 77 2, Männerberatungsstelle 01/603 28 28)

ribbon Zusammenfassung
  • In den ersten vier Monaten wurden vom Opferschutzzentrum der Polizei Wien 245 Hochrisiko-Fälle häuslicher Gewalt bearbeitet, eine Herausforderung für das 14-köpfige Team.
  • Wien verzeichnet monatlich 350-360 Betretungsverbote; 2023 wurden 6.708 Opfer vom Gewaltschutzzentrum betreut und 3.774 Gefährder an die Präventionsstelle Neustart übergeben.
  • Das österreichweit einzigartige Opferschutzzentrum könnte nach erfolgreichem Pilotbetrieb in den Regelbetrieb übergehen, wobei 89 Prozent der Gefährder männlich sind, im Hochrisiko-Segment sogar 98 Prozent.