Physik-Nobelpreisträger Zeilinger bezeichnet Bologna-System als "Unsinn"
Der diesjährige Nobelpreis für Physik geht an den österreichischen Quantenphysiker Anton Zeilinger. Bei einem Pressetermin dankte der 77-Jährige in erster Linie seiner Familie, die mitunter hinter der Physik zurückstehen musste, und der Unterstützung der "österreichischen Steuerzahler". Sein Erfolg sei "nur deshalb möglich gewesen, weil mir die Chance gegeben wurde (…) die Dinge in der Physik zu machen, die mich interessiert haben", so der Physiker.
"Ziemlich freies Studium"
Dabei holte er zum Seitenhieb auf das Bologna-Punktesystem aus, das derzeit an den Universitäten gültig ist. Denn zu seiner Studienzeit "gab es noch keine Bologna-Punkte und all diesen Unsinn. Es war ein ziemlich freies Studium". Das sei laut ihm ein Vorteil gewesen, denn man müsse "seinen Spinnereien ein bisschen vertrauen", so Zeilinger. Die bahnbrechenden Arbeiten, die dem Österreicher zusammen mit seinen Kollegen John Clauser und Alain Aspect den Nobelpreis einbrachten, wären ohne die Freiheit "Sachen zu machen die nicht Mainstream waren", nicht möglich gewesen.
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Es sei alles andere als selbstverständlich gewesen, mehr oder weniger ohne Rücksicht auf unmittelbaren Nutzen arbeiten zu können. Ein solches Klima habe sein Doktorvater, der 2019 verstorbene Physiker Helmut Rauch, an der Universität Wien einst etabliert. An der Universität Innsbruck habe er dann jene Experimente mit verschränkten Photonen durchführen können, für die er am 10. Dezember in Stockholm ausgezeichnet wird. All das war nur möglich, "weil mir die Chance gegeben wurde, schon von sehr früh an die Dinge zu machen in der Physik, die mich interessiert haben", sagte Zeilinger bei der ad hoc von der Universität Wien und dem Institut für Quanteninformation und Quantenoptik (IQOQI) der ÖAW organisierten Veranstaltung.
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"Ich mache das nur aus Neugierde"
In der Anfangsphase seiner Karriere sei er öfters gefragt worden, wofür das gut sein solle. Er habe damals immer gesagt, "ich kann ihnen ganz stolz sagen: Das ist für nichts gut. Das mache ich nur aus Neugierde", betonte Zeilinger.
Er sei von Anfang an fasziniert gewesen von Experimenten, "die vollkommen der Intuition entgegenlaufen". Letztlich sei das wissenschaftliche Umfeld in Österreich zu jener Zeit "ein ganz besonderer Ort" gewesen. Eine Erkenntnis, die dem Quantenphysiker erst etwas später bewusst wurde, wie er einräumte.
"Haben uns narrisch gefreut"
Vom Preis erfahren habe er über seine Assistentin - er hatte sich zurückgezogen, um seine Ruhe zu haben und Papers zu lesen. Das Telefonat sei laut Zeilinger dann mit den Worten: "This is not a fake phone call" eingeleitet worden.
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Mit seinen Mit-Laureaten verbinde ihn eine lange Bekanntschaft. Clauser sei einer der besten Amateursegler der USA. Es sei ein "wunderbares Erlebnis" gewesen, mit ihm gemeinsam eine Wettfahrt zu bestreiten. Aspect habe einen "wunderbaren Weinkeller". Beide hätten "wunderschöne Arbeiten gemacht. Er freue sich nun auf ein Wiedersehen in Stockholm. Groß war die Freude auch am IQOQI, wo Zeilinger eine Forschungsgruppe leitet. "Wir haben uns narrisch gefreut", sagte Markus Aspelmeyer, wissenschaftlicher Direktor des IQOQI.
Anwendungsgebiet noch offen
Aspelmeyer betonte, dass das Nobelkomitee in seiner Begründung für die Preiszuerkennung die Brücke von den fundamentalen Fragen der Natur hin zu Anwendungen geschlagen habe. Befragt, ob es denn bereits konkrete Anwendungen seiner Arbeit gebe, sagte Zeilinger: "Die Anwendung, die am weitesten gediehen ist, ist Quantenkryptographie", eine Technologie, die Effekte der Quantenphysik nutzt, um grundsätzlich abhörsicher Information zu übertragen. Vielversprechende Entwicklungen seien auch Quantensimulatoren, um bestimmte Prozesse in Festkörpern nachahmen zu können. Konkrete Anwendungen für "Otto Normalverbraucher" seien noch nicht so weit, "wir werden wissen, wann das wirklich angewendet wird, wenn wir so etwas nicht mehr in der Hand haben müssen", sagte Zeilinger und hielt sein Handy hoch.
Befragt, was er denn mit dem Preisgeld vor habe, betonte er noch nicht darüber nachgedacht zu haben. Er habe aber Familie mit Kindern und Enkelkindern, "da wird sich schon jemand finden".
Kein Extra-Friseurbesuch
Zum Abschluss wollte ein Student von Zeilinger noch wissen, ob denn das an der Fakultät seit Jahren existierende Gerücht stimme, dass er immer am Tag vor der Nobelpreis-Bekanntgabe zum Friseur gehe. Nein, sagte der Physiker, das stimme nicht, er sei vor etwa drei Wochen beim Friseur gewesen.
Zusammenfassung
- Neo-Physik-Nobelpreisträger Anton Zeilinger (77) lobte bei einer Pressekonferenz vor allem die Freiheiten, die er als Student an der Universität hatte.
- Ohne diese sei seiner Meinung nach dieser Erfolg nicht möglich gewesen.
- Dabei kritisiert er auch das aktuelle Bologna-System an den Universitäten.