Mordprozess nach Bluttat in Wiener Druckerei
In den beiden Prozesstagen - fortgesetzt wird am 12. Dezember - soll geklärt werden, wie es zu dem tödlichen Schuss gekommen ist. Die Staatsanwältin sprach von einem vorsätzlichen Tötungsdelikt. Der Angeklagte argumentierte jedoch, zuerst mit der Waffe bedroht worden zu sein und sich lediglich gewehrt zu haben. Bei einem Gerangel hätte sich der Schuss gelöst. Er bekannte sich nicht schuldig. Unklar ist bisher auch, wem die Waffe gehört, da Produktionsnummern und die Beschusszeichen an der Pistole rausgebohrt wurden. Und letztendlich muss geklärt, wie genau das Geldgeschäft zustande gekommen ist.
Der Angeklagte - anwaltlich vertreten von Astrid Wagner und Michael Dohr - betrieb in Simmering die Druckerei und eine Werbefirma. Im Herbst 2022 wuchsen ihm laut Staatsanwaltschaft die Schulden über den Kopf. Obwohl sein Einkommen maximal 3.000 Euro betrug, gönnte er sich eine Wohnung mit einer Miete in der Höhe von 1.200 Euro, für die Geschäftsmiete musste er 1.100 Euro bezahlen. Darüber hinaus leaste er auch noch einen Audi Q5, dessen Leasing und die Versicherung eine monatliche Rate von 900 Euro umfassten. Die letzten Mieten bzw. Raten konnte er dann nicht mehr begleichen.
Der 35-Jährige zockte auch gerne online auf Glücksspielseiten. Vor fünf Jahren ließ er sich schon wegen seiner Spielfreudigkeit in einem Casino selbst sperren. Im heurigen Frühjahr borgte er sich immer wieder bei Bekannten Geld aus - erst im März 12.000 Euro - oder kassierte von seinen Kunden Geld, obwohl er trotz Bezahlung keine Leistung erbrachte.
Die Verteidigerin des Mannes dementierte, dass ihr Mandant so hohe Schulden gehabt habe. Er sei selbstständig tätig gewesen und aufgrund von Geschäften habe es lediglich einige Verbindlichkeiten gegeben, so die Anwältin. Deshalb fehle auch das Motiv für einen Mord. Der 35-Jährige sei "ein völlig unbescholtener Mensch, der immer fleißig gearbeitet" habe, sagte Wagner. Bei dem tödlichen Schuss habe es sich vielmehr "um einen Unfall gehandelt", hielt die Anwältin fest und plädierte auf fahrlässige Tötung.
Im Mai lernte er über einen Telegram-Kanal das spätere Opfer (38) und seine Frau kennen. Das Ehepaar stammte ebenfalls aus dem Iran, lebte in Kärnten und wollte mithilfe des 35-Jährigen Geld in ihre Heimat überweisen. Aufgrund des weltweiten Embargos gegen den Iran sind Auslandsüberweisungen auf offiziellem Weg nicht möglich. Es ist daher üblich, Geldgeschäfte über das sogenannte Hawala-System abzuwickeln. Hawala heißt auf Arabisch so viel wie Wechseln oder Überweisen. Das System basiert auf Vertrauen. Dabei geht es nicht um das direkte Transferieren von physischem Geld, sondern um das Übertragen einer Schuld.
Ab da unterscheiden sich die Angaben des Angeklagten mit jenen der Ehefrau des Getöteten als unmittelbare Zeugin. Sie gab bei der Polizei an, der 35-Jährige hätte einen Betrag in der Höhe von 33.000 Euro von dem Ehepaar annehmen sollen, der für den Bruder des Opfers im Iran gedacht war. Dazu hätte die Familie des 35-Jährigen wiederum im Iran diesen Betrag an den Bruder weiterleiten müssen.
Der 35-Jährige behauptete demgegenüber, dass nicht die beiden, sondern er über das Ehepaar Geld in den Iran hätte schicken wollen, um in sein Geschäft in Wien zu investieren. Seinen Angaben zufolge hätte das Ehepaar ihm 100.000 Euro zur Verfügung stellen sollen, diese verfügten aber nur über die 33.000 Euro. "Die Verantwortung des Angeklagten ist nicht nachvollziehbar", sagte die Anklägerin in ihrem Eröffnungsplädoyer, da nicht logisch sei, Geld in den Iran zu schicken, wenn er in Österreich investieren wolle. Der Angeklagte behauptete, er hätte dazu ein Grundstück mit einem Garten in seiner Heimat verkaufen wollen.
Für das Geldgeschäft wurde zunächst ein Treffen am 6. Mai in der Druckerei des Beschuldigten vereinbart. Da diese "Überweisung" im Iran nicht bestätigt wurde, wurde für den nächsten Tag ein neuerliches Treffen vereinbart. Am 7. Mai hätte das Geldgeschäft finalisiert werden sollen, zumindest gab das der 35-Jährige gegenüber dem Ehepaar an. Während die Männer mit den jeweiligen Verwandten in ihrer Heimat telefonierten, soll die Ehefrau des Opfers dem Beschuldigten die 33.000 Euro überreicht haben, die er in einer Lade verstaute. Doch wieder kam das Geldgeschäft nicht zustande, die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass der 35-Jährige den Handel nur vortäuschte, um an den hohen Geldbetrag zu kommen. Daraufhin verlangte der 38-Jährige sein Geld zurück. Doch plötzlich waren nur noch 26.000 Euro in der Lade. Der Beschuldigte dürfte in der Zwischenzeit an der Hintertür mit den 7.000 Euro einen Teil seiner Schulden bezahlt haben.
Es kam zum Streit zwischen dem 38-jährigen Ehemann und dem 35-jährigen Druckereibetreiber. Laut Anklage soll der Jüngere zu der Waffe gegriffen und dem Kontrahenten in die Brust geschossen haben. Dieser ging trotz seiner schweren Verletzungen noch auf den Beschuldigten los und es kam zu einem Gerangel. Der 38-Jährige schrie um Hilfe, da ergriff seine Frau eine Visitenkartenstanze und schlug sie dem 35-Jährigen auf den Kopf. Als das Schussopfer zusammensackte, trat der Jüngere durch die Hintertür die Flucht an. Die Ehefrau rannte in blutverschmierter Kleidung auf die Straße und schrie um Hilfe. Der 35-Jährige wurde recht schnell festgenommen.
Auch im Prozess behauptete der Angeklagte weiterhin, die 26.000 Euro in der Lade gehören ihm und wären seine Ersparnisse. Dass die Frau des Getöteten das Gegenteil aussagte, sei "lächerlich".
Laut Untersuchungsbericht zu den Schmauchspuren kann nicht mehr klar gesagt werden, wer den Abzug der Tatwaffe der Marke Walther betätigt hatte, weil auch am Ärmel und der Jacke des Opfers Schmauchspuren gefunden wurden. Die Schussabgabe des Angeklagten ist wahrscheinlicher, allerdings muss sich das Opfer in unmittelbarer Nähe befunden haben, was auf das vom Beschuldigten erwähnte Gerangel hindeuten würde. Auf diese Tatsache stützt sich nun die Verteidigung. Allerdings wurden weitere Schmauchspuren an der Kleidung des Toten sonst nicht gefunden, wie es bei einer Kontaminierung durch das Tragen einer Pistole eigentlich üblich ist, sagte ein Gutachter für Schusswaffen. Somit konnte der 38-Jährige die Waffe nicht eingesteckt und zu dem Treffen mitgebracht haben. Der Beschuldigte hatte jedoch Schmauchspuren auch in den Taschen seines Sakkos.
Die Herkunft der Waffe konnte auch nicht mehr zurückverfolgt werden, da alle Identifikationsnummern entfernt wurden. Allerdings wurden die Patronen der Walther bei einem Fall von Sachbeschädigung in Simmering sichergestellt. Da wurde ein Solarpanel einer Firma beschossen. Das Ehepaar lebte jedoch in Kärnten und der Angeklagte in Simmering. Auch die Behauptung, dass sich bei der Rangelei ein Schuss gelöst hätte, konnte durch den Sachverständigen widerlegt werden. Zwar war der Abzugshebel ausgebaut, aber dennoch konnten bei Tests ein Schlagen gegen die geladene Pistole, heftiges Schütteln oder ein Fallen-Lassen einen Schuss nicht auslösen. Zudem belasten die Chats über den Telegram-Kanal den Angeklagten.
Nach etlichen Zeugenbefragungen kamen am Dienstag die ersten Gutachter zu Wort. Die wichtigste Zeugin, die Ehefrau des Opfers, sowie die Exekutivbeamtin, die den Untersuchungsbericht zu den Schmauchspuren erstellt hatte, werden erst am 12. Dezember aussagen. Die Witwe des Opfers schloss sich mit einem Privatbeteiligtenanspruch in der Höhe von 20.000 Euro an.
Zusammenfassung
- Der zweitägige Mordprozess nach einem tödlichen Schuss im Zuge eines missglückten Geldgeschäfts in einer Druckerei in Simmering hat am Dienstag am Wiener Straflandesgericht begonnen.
- Als dieser das Geld zurückverlangte, soll er am 7. Mai auf ihn geschossen haben.
- Der 35-Jährige wurde recht schnell festgenommen.
- Auch im Prozess behauptete der Angeklagte weiterhin, die 26.000 Euro in der Lade gehören ihm und wären seine Ersparnisse.