Die Angeklagte vor GerichtKonstantin Auer / PULS 24

"Liebesg'schicht" unter IS-Sympathisanten endet vor Gericht

Eine gerade erst 16 Jahre alt gewordene IS-Sympathisantin ist am Dienstag am Wiener Landesgericht zu 15 Monaten bedingter Haft verurteilt worden. Sie hat IS-Propaganda verbreitet und ging mit einer selbstgebastelten IS-Tasche am Praterstern spazieren. Ihr Ex, der versucht haben soll, nach Syrien zu gelangen, stand nur ein Stockwerk über ihr vor Gericht.

Zunächst sagte die 16-Jährige, sie wisse nicht, ob die nach islamischem Recht durchgeführte Heirat überhaupt gelte. Doch nach ihrem Verständnis sei der 19-Jährige, der nur einen Stock über ihr zur selben Zeit vor Gericht stand, noch ihr Mann. "Ich sehe ihn als meinen Mann an"

Beide standen wegen des Verdachts auf terroristische Vereinigung und Mitgliedschaft in einer kriminellen Organisation - nämlich dem sogenannten Islamischen Staat (IS) vor Gericht. Sie wurde - nicht rechtskräftig - zu 15 Monaten bedingter Haft auf drei Jahre Bewährung verurteilt. Sie muss weiterhin ein Deradikalisierungsprogramm besuchen und eine Therapie machen. 

Von der Anklagebank in den Zeugenstand

Sein Prozesstag endete hingegen mit einer Vertagung und einer Enthaftung - er hatte etwa drei Monate in Untersuchungshaft gesessen. Enthaftet wurde er vor allem, weil seine Frau nach ihrer Verurteilung den Saal wechselte und den 19-Jährigen dort entlastete.

Der Angeklagte vor GerichtMagdalena Punz / PULS 24

Der 19-Jährige wurde enthaftet.

Bei der Polizei hatte sie ihn noch belastet - er habe die einschlägigen Postings auf TikTok und Telegram abgesetzt. Als Zeugin am Dienstag sagte sie nun, sie sei damals nur sauer gewesen, weil er ihr den Kauf von IS-Flaggen, die er in seinem Zimmer an den Wänden aufhängte, untergeschoben habe.

Die Beziehung sei generell von Streit geprägt gewesen. Sie fuhr mit ihm aber auch gemeinsam zu einem Freund nach Frankfurt. Von dort aus soll eine Ausreise zum IS nach Syrien geplant gewesen sein. Diese gelang schließlich nicht. 

"Urösterreichische Familie"

Doch von Anfang an: Die 2008 in Mistelbach in Niederösterreich Geborene kommt aus einer zerrütteten, aber "urösterreichischen" Familie, wie ihre Rechtsvertreterin vor Gericht sagte. Die heute 16-Jährige hat einen IQ von nur 65, habe eine Sonderschule absolviert und sei "leicht beeinflussbar". 

Mit 12 Jahren wurde sie vergewaltigt, danach habe sie sich dem Islam zugewandt. Hinter dem Kopftuch, später wurde daraus eine Vollverschleierung, habe sie sich sicher gefühlt. Den Koran habe sie besser verstanden als das Christentum, sagte sie vor Gericht. Sie begann, Moscheen zu besuchen - unter anderem das immer wieder auffällige Tewhid-Gebetshaus in Wien-Meidling.

PULS 24 begleitet den Fall schon lange, laut unseren Informationen dürfte dort auch schon einmal eine Heirat nach islamischem Recht mit einem anderen Mann eingefädelt worden sein. Das dürfte aber der Erstfrau des Mannes nicht gepasst haben. 

Irgendwann zog die Mistelbacherin nach Wien-Floridsdorf, in der Großfeldsiedlung lernte sie den 19-jährigen Österreicher mit türkischer Migrationsgeschichte kennen, dem am Dienstag nur ein Stockwerk über ihr am Landesgericht der Prozess gemacht wurde. Schnell heirateten die beiden nach islamischem Recht und zogen zeitweise zusammen.

Mit IS-Tasche am Praterstern

Die Terrorermittlungen starteten am 11. Juli 2023. Die mittlerweile Vollverschleierte lief am Praterstern gemeinsam mit einer Freundin mit einer selbstgebastelten Stofftasche mit IS-Logo herum.

Polizisten fiel das auf - der Verfassungsschutz fand bei ihr ein Notizbuch mit IS-Logo und auf ihrem Handy schließlich mehrere Accounts, auf denen sie islamistische Inhalte verbreitete. Sie befasste sich vor allem mit dem Dschihad und Märtyrertum, wie der Staatsanwalt am Dienstag vorhielt. 

Die IS-HandtaschePULS 24

Das IS-Sackerl wurde auch auf Social Media gepostet.

Die Videos wurden beim Prozess vorgespielt. Darauf zu sehen: IS-Kämpfer und Hinrichtungen. Die Angeklagte hinterlegte diese mit Naschids - also islamischen Gesängen - von verurteilten Islamisten wie dem in Syrien verstorbenen Denis Cuspert, bekannter unter seinem Rap-Namen Deso Dogg oder dem ebenfalls in Syrien gestorbenen Mohamed Mahmoud sowie dem in Graz in Haft sitzenden Mirsad Omerovic

Bei ihrem schon wegen gefährlicher Drohung und versuchter schwerer Körperverletzung vorbestraften Mann wurden ähnliche Beiträge gefunden. Er kam schließlich in U-Haft und macht ebenfalls ein Deradikalisierungsprogramm. 

Weitere Postings im August

Sie, die mittlerweile in einem Jugendwohnheim wohnt, begann ein Deradikalisierungsprogramm, postete aber schon nach der erfolgten Anklage - erst im August 2024 wieder - dennoch erneut einschlägige Beiträge, wie die Staatsanwaltschaft am Dienstag vorbrachte. 

Vor Gericht schilderte die 16-Jährige, die in Kopftuch und Schleier kam und eine Stofftasche eines einschlägigen Instagram-Shops dabei hatte, sie habe geglaubt, der IS würde "nur" Ungläubige töten, nicht auch Muslime. Sie habe das nicht geglaubt. Sie sei von ihrem Mann auch beeinflusst worden.

Erst die Freundin jenes Mannes, den das Paar in Frankfurt besucht habe, habe ihr gesagt, sie solle sich von diesen Männern fernhalten.

"Damit muss jetzt Schluss sein"

Nach der Verurteilung erklärte es nun auch Richter Andreas Hautz eindrücklich: "Damit muss jetzt Schluss sein". Man habe überlegt, sie ins Gefängnis zu stecken, sagte er. In der Öffentlichkeit aufzutreten sei schon etwas anders, als nur Naschids zu verschicken, meinte er.

Unter Verweis auf die Vergewaltigung und ihre Intelligenzminderung bekam sie aber eine bedingte Strafe. Sie müsse sich aber von IS-Sympathisanten fernhalten. Die Angeklagte nahm das Urteil an, der Staatsanwalt erbat Bedenkzeit.

Rechtsanwalt Michael DrexlerKonstantin Auer / PULS 24

Rechtsanwalt Michael Drexler

Ob sie denn gerade verurteilt worden sei, wurde sie dann als Zeugin im anderen Prozess gefragt. "Nur auf Bewährung", stammelte sie da. Die Richterin belehrte sie: "Dann wurden sie verurteilt". Bei der Polizei hatte sie angegeben, dass der 19-Jährige ebenfalls einschlägige Postings verfasste und die IS-Fahnen kaufte. Einer der Hauptgründe, warum er drei Monate in U-Haft saß. 

Anzeige wegen Verleumdung

Vor Gericht änderte sie nun die Aussage - und entlastete den Angeklagten. Weil ein wichtiger Zeuge nicht auftauchte, wurde der Prozess auf unbestimmte Zeit vertagt. Doch der Anwalt des 19-Jährigen, Michael Drexler, entstellte sofort einen Enthaftungsantrag. Der dringende Tatverdacht fiel durch die Aussage der 16-Jährigen weg - er durfte mit seinen Eltern unter Freudentränen nach Hause gehen. 

Die 16-Jährige wiederum muss jetzt mit einer Anzeige wegen Verleumdung rechnen. Schließlich gab sie an, bei der Polizei die Unwahrheit über den 19-Jährigen gesagt haben. "Eine Liebesgeschichte, die unglücklich endete", kommentierte Anwalt Drexler gegenüber PULS 24.

Video: Islamismus auf Social Media weit verbreitet

ribbon Zusammenfassung
  • Eine 16-jährige IS-Sympathisantin wurde am Wiener Landesgericht zu 15 Monaten bedingter Haft und drei Jahren Bewährung verurteilt. Sie muss ein Deradikalisierungsprogramm und eine Therapie absolvieren.
  • Ihr 19-jähriger Ex-Partner, der ebenfalls vor Gericht stand, wurde nach drei Monaten Untersuchungshaft enthaftet, nachdem sie ihn entlastet hatte. Sein Prozess wurde vertragt.
  • Die 16-Jährige, die einen IQ von 65 hat und leicht beeinflussbar ist, wandte sich nach einer Vergewaltigung im Alter von 12 Jahren dem Islam zu und begann Moscheen zu besuchen.
  • Die Terrorermittlungen starteten am 11. Juli 2023. Die mittlerweile Vollverschleierte lief am Praterstern gemeinsam mit einer Freundin mit einer selbstgebastelten Stofftasche mit IS-Logo herum.
  • Polizisten fiel das auf - der Verfassungsschutz fand bei ihr ein Notizbuch mit IS-Logo und auf ihrem Handy schließlich mehrere Accounts, auf denen sei islamistische Inhalte verbreitete.