Leichen verwesen im Sudan in Spitalsbetten
"Verwesende Leichen werden auf den Stationen aufbewahrt, weil es keine andere Möglichkeit gibt, sie unterzubringen", schildert der Generalsekretär des sudanesischen Ärtzeverbandes Attija Abdullah die katastrophalen Zustände. "Die Leichenhallen sind überfüllt und die Straßen mit Leichen übersät."
Durch die Kämpfe könnte zehntausende Menschen allein in der Hauptstadt Khartum ihre Häuser nicht verlassen, das Gesundheitssystem ist laut Abdullah komplett zusammengebrochen. Die Hilfsorganisation CARE warnt seit Tagen vor einer "humanitären Tragödie", der Westen evakuiert seine Staatsbürger. Auch 27 Österreicher wurden bereits in Sicherheit gebracht.
Draußen Bomben, drinnen Verwesungsgestank
Viele können nicht weg. Tagelang musste etwa der 25-jährige Ibrahim Mohammed in einer Klinik in Khartum neben einem Patienten ausharren, der im Bett neben ihm gestorben war. "Wegen der heftigen Kämpfe konnte die Leiche nicht weggebracht und beerdigt werden", erzählt Mohammeds Vater, der seinen leukämiekranken Sohn im Krankenhaus begleitete. "Wir konnten entweder in dem stinkenden Raum bleiben oder nach draußen gehen, wo wir von Schüssen getroffen worden wären", sagt der 62-Jährige. Draußen explodierten Bomben, drinnen fiel der Strom aus und die Hitze und der Gestank wurden immer unerträglicher.
Seit dem 15. April haben die rivalisierenden Generäle Abdel Fattah al-Burhan und Mohammed Hamdan Daglo mit ihren Truppen Khartum in ein Kriegsgebiet verwandelt. Hunderte Menschen wurden getötet, tausende verletzt.
13 Spitäler unter Beschuss
Drei Tage harrten Mohammed und sein Vater ohne ohne Essen, Wasser und Strom im Lehrkrankenhaus von Khartum aus, dann mussten sie nach Hause. Doch das wurde zum Spießrutenlauf, direkt davor wurde gekämpft. Landesweit wurden laut Ärzteverband 13 Krankenhäuser angegriffen und 19 weitere evakuiert. "Wir sehen uns gezwungen, die Patienten gehen zu lassen", sagt Verbandschef Abdullah. "Wenn sie bleiben, würden sie getötet werden."
Drei Viertel der Spitäler geschlossen
Ibrahim gelang es, seinen kranken Sohn vor dem Kreuzfeuer zu schützen. Die beiden waren fünf Stunden zu Fuß unterwegs, bis sie zu Hause ankamen. "Meinem Sohn geht es seither schlechter", sagt der Vater. Doch zurück in ein Krankenhaus kann er nicht, fast drei Viertel der Kliniken sind inzwischen geschlossen, die übrigen bieten nur Notdienste an.
Die wenigen verbliebenen Krankenhäuser behandelten hauptsächlich Schusswunden, sagt Abdullah. "Aber sie haben nicht genug chirurgische Ausrüstung, nicht genug Treibstoff für die Generatoren, nicht genügend Krankenwagen und Blut. Sie können jederzeit geschlossen werden."
Und auch die Ärzte und Pfleger sind am Ende ihrer Kräfte. "In einigen Krankenhäusern arbeitet seit acht Tagen durchgehend dasselbe Team", sagt Abdullah. "Manche haben nur einen Chirurgen. Alle sind extrem erschöpft."
Medikamentensuche über Social Media
Viele Verletzte werden sterben, weil Ärzte nicht zu ihnen kommen können. In den sozialen Medien versuchen Sudanesen verzweifelt, Medikamente für chronisch kranke Verwandte aufzutreiben. Und der Ärzteverband gibt auf Facebook Ratschläge für den Umgang mit verwesenden Leichen.
Zusammenfassung
- Vor den Spitalstüren toben heftige Kämpfe, in den Krankenhäusern müssen die Patienten tagelang bei Hitze neben verwesenden Verstorbenen ausharren: Im Sudan ist das Gesundheitssystem kollabiert, drei Viertel der Spitäler geschlossen, viele unter Beschuss.