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Fehlende Einsicht nach Hochwasser: "Müssen anders handeln"

Die emeritierte BOKU-Professorin und Klimaforscherin Helga Kromp-Kolb zeigt sich im Gespräch mit PULS 24 nach Starkregen und Überflutungen in Niederösterreich wütend. Wütend auf die Politik, die nicht ausreichend gehandelt hätte.

Die verheerenden Unwetter in Niederösterreich haben eben ein fünftes Todesopfer gefordert, immer noch sind zahlreiche Gemeinden von der Umwelt abgeschnitten. Doch wir befinden uns im Wahlkampf und die Politik streitet schon, wie den Hochwasser-Geschädigten am besten finanziell geholfen werden kann. 

"Das ist wichtig und richtig", sagt Klimaforscherin Helga Kromp-Kolb im PULS 24 Gespräch über die finanziellen Hilfen. Doch für die Klimaforscherin fehlt derzeit noch die Einsicht: "Wir müssen doch anders handeln". Dazu hätte sie weder von Mikl-Leitner, noch ihrem Stellvertreter Udo Landbauer (FPÖ) etwas gehört. 

"Wo war eigentlich die Aufsicht?"

Die anerkannte Klimaforscherin bringt einen düsteren Vergleich: Wenn ein Kind am Ertrinken ist, versucht man zuerst, es zu retten. Doch dann würde man fragen: Wo war eigentlich die Aufsicht? Und im nächsten Schritt: Warum hat das Kind eigentlich nie Schwimmen gelernt?

Bei Katastrophen, wie jetzt in Niederösterreich, vermisse sie diese Fragen. Österreich sei bei der Bodenversiegelung "Europameister", beim Klimaschutz befinde sich Österreich offensichtlich in einer Warteposition und Niederösterreich falle das Versiegeln am aller leichtesten. 

Hochwasserschutz nicht ausreichend

Nach der Überschwemmung am Kamp in Niederösterreich vor rund 20 Jahren sei zwar viel passiert, sagt Kromp-Kolb. Man habe Dämme gebaut und den Hochwasserschutz ausgebaut. Dieses Mal hätten die Dämme dort gerade noch gehalten. Sie waren aber "bis zum Rand voll", viele müssen nun neu gebaut werden. Doch man richte sich immer nach dem letzten Hochwasser und beachte nicht, dass diese - auch wegen des Klimawandels - immer heftiger werden würden.

Gegenden, wo noch nie ein Hochwasser war, würden deshalb überrascht werden - etwa in St. Pölten. "Anpassung erfolgt immer erst, wenn was passiert ist", kritisiert die Klimaforscherin. 

Firmenhallen, Supermärkte, Straßen

Hätte Österreich vor 20 Jahren ernsthaft mit Klimaschutz angefangen, hätte uns das jetzt vielleicht auch nicht gerettet, sagt Kromp-Kolb. Doch, wenn man immer nur auf andere Länder wartet, werde nie etwas passieren. Man müsse andere überzeugen, das mache man, indem man Vorbild ist. Und Österreich wartet "am offensichtlichsten", auch wenn in der letzten Legislaturperiode "ein bisschen was" passiert sei. 

Kurzfristig müsse man aber endlich mit dem Bodenschutz anfangen, so die Klimaforscherin. Es werde zu viel zubetoniert, Österreich sei "Europameister". Länder, Gemeinden, aber auch einzelne Häuslbauer müssten gesetzlich verpflichtet werden, Versiegelung zu verhindern. Jeder müsse sich überlegen, ob man vor der Garage betonieren müsse oder auch Steine verlegen könne, zwischen welchen Wasser ablaufen könne. 

Video: Katastrophe ist "Wahlkampf-Gold"

Bei der Raumordnung gebe es immer noch die Ausnahme 'öffentliches Interesse'. Mit dem Argument der Arbeitsplätze werden so große Firmenhallen, Einkaufszentren und Supermärkte mit "riesigen Parkplätzen" gebaut, kritisiert die emeritierte Professorin. Schutz vor Hochwasser sei aber auch 'öffentliches Interesse', merkt sie an. 

Flüsse mit natürlichem Lauf gehen seltener über

Niederösterreich trage "ganz wesentlich" zur Versiegelung bei - zwar nicht unbedingt, weil man hier weniger naturbewusst sei, aber weil das Bundesland flach sei. In einem Tal tue man sich beim Bauen von Hallen, Supermärkten und Umfahrungen schwerer. Und man glaube immer noch, dass mehr Straßen zu weniger Verkehr führen würden, so Kromp-Kolb.

Die Klimaforscherin sei aber "sehr, sehr froh", dass sich Umweltministerin Leonore Gewessler dem Koalitionspartner ÖVP beim Renaturierungsgesetz widersetzt habe. Das gehe "in die richtige Richtung". Flüsse, die einen natürlichen Lauf haben, die nicht verbaut sind und Platz haben, gehen nicht so leicht über, gesunde Böden und Moore speichern mehr CO2 und können mehr Wasser aufnehmen. 

"Wir wählen nach anderen Kriterien"

Dass sich nun, gut eine Woche vor der Wahl, noch etwas ändern werde, bezweifelt die Klimaforscherin: "Wir wählen nach anderen Kriterien". Der Anlass sei schnell vergessen. "Ich bin 75 Jahre alt, ich habe schon viele Katastrophen erlebt", sagt Kromp-Kolb, "und nichts ist passiert". 

Dabei sind sich nahezu alle angesehenen Meteorologen und Klimaforscher einig: Die Erderhitzung erhöht einerseits die Wahrscheinlichkeit, dass sich die Luft mit mehr Wasser anreichert, und andererseits schafft sie bessere Voraussetzungen, dass die Feuchtigkeit auch noch in der warmen Luft über große Distanzen transportiert wird.

Video: Wo gibt es Hochwasser-Hilfe?

ribbon Zusammenfassung
  • Die emeritierte BOKU-Professorin und Klimaforscherin Helga Kromp-Kolb zeigt sich im Gespräch mit PULS 24 nach Starkregen und Überflutungen in Niederösterreich wütend.
  • Wütend auf die Politik, die nicht ausreichend gehandelt hätte.
  • Österreich sei bei der Bodenversiegelung "Europameister", beim Klimaschutz befinde sich Österreich offensichtlich in einer Warteposition und Niederösterreich falle das Versiegeln am aller leichtesten.