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Impfskeptiker wurden weniger, aber entschlossener

Covid-19-Impfskepsis ist ein großes Thema. Im Hintergrund steht aber die generelle Einstellung zu Impfungen über Jahre hinweg. Eine aktuelle Studie zeigt, dass die Impfskeptiker in Deutschland in den vergangenen Jahrzehnten weniger geworden sind. Übrig blieb offenbar ein harter Kern. Der könnte jetzt auch während der Covid-19-Pandemie wirksam sein. Laut österreichischen Daten will sich ein Teil der Covid-19-Impfskeptiker überhaupt nicht mehr impfen lassen.

Claudia Diehl vom Exzellenzcluster "The Politics of Inequality" an der Universität Konstanz und Christian Hunkler von der Humboldt-Universität zu Berlin haben die langfristigen Trends zu den Immunisierungen untersucht. Sie haben auf Grundlage der großen deutschen Studie zur Gesundheit von Kindern und Jugendlichen (KiGGS) des Robert-Koch-Instituts (RKI) Impfverhalten und -einstellungen von Eltern analysiert, deren Kinder bis kurz nach der Jahrtausendwende zur Welt kamen, und mit der Einstellung von Eltern verglichen, deren Kinder bereits Ende der 1980er-Jahre geboren worden waren.

Als Indikator wurden die Einstellungen der Eltern zur Impfung gegen Masern, Mumps und Röteln (MMR) verwendet. Gerade die Masern sind in den vergangenen Jahren mit zum Teil großen Ausbrüchen auch in Österreich und Deutschland in den Fokus der Bemühungen um einen besseren Impfschutz für Kinder gerückt. In Österreich wurde vor Jahren (2014) eine eigene Kampagne zur Erhöhung der Durchimpfungsrate ("Masern sind kein Kinderspiel") durchgeführt.

Die deutschen Wissenschafter konzentrierten sich auf die langfristigen Trends. Die Ergebnisse der Studie wurden vor wenigen Tagen in der Fachzeitschrift PLOS One veröffentlicht (http://go.apa.at/KBEV6Qp0). "Sie zeigen, dass die Impfquoten gestiegen sind, und dass über die Geburtskohorten hinweg der Anteil impfskeptischer Eltern abgenommen hat - von ca. zehn Prozent bei Kindern, die Ende der 1980er geboren wurden, auf gut sechs Prozent bei den um das Jahr 2000 Geborenen. Laut KiGGS-Daten gehören zur Gruppe der Impfskeptiker häufiger Personen mit mittlerer und hoher Bildung sowie in Großstädten lebende Personen und seltener Zugewanderte und Ostdeutsche", schrieb jetzt die Universität Konstanz in einer Aussendung.

Beim genaueren Blick in die Daten stieß das Autorenteam aber auch auf einen gegenläufigen Trend - und zwar bei der kleinen und schrumpfenden Gruppe der impfskeptischen Eltern. "Deren Kinder sind über die Geburtskohorten hinweg nicht häufiger, sondern im Gegenteil immer seltener geimpft. Im entsprechenden Zeitraum sank bei dieser Gruppe der Anteil geimpfter Kinder von rund 50 auf etwas mehr als 20 Prozent.

"Die Gruppe der impfskeptischen Eltern ist offenbar kleiner, aber auch entschlossener geworden", erklärte Claudia Diehl. Das bedeute, dass diese Menschen ihre Ansichten eher in die Tat umsetzen und ihre Kinder tatsächlich nicht impfen lassen. Bis Ende der 1980er-Jahre seien offenbar auch impfskeptische Eltern häufig den Empfehlungen der Experten gefolgt und hätten ihre Kinder trotz Bedenken impfen lassen, vermutet die Wissenschafterin. Dies sei bei den später geborenen Kindern seltener der Fall gewesen. Tatsächlich wuchs bereits damals die Skepsis gegenüber der sogenannten "Schulmedizin", das Interesse an vermeintlichen "Experten" aus dem Bereich der Alternativmedizin und Homöopathie, die Impfungen eher ablehnen, stieg hingegen laut der Wissenschafterin.

"Es liegt nahe, die leichtere Verfügbarkeit impfkritischer Desinformation im Internet für diese Entwicklung verantwortlich zu machen. Aber zu unserer Überraschung hat sich gezeigt: Der beschriebene Trend begann bereits vor der massenhaften Nutzung des Internets", sagte der Berliner Co-Autor der Studie, Christian Hunkler. Dies bedeute keineswegs, dass das Internet heute keine Rolle bei der Erklärung impfskeptischer Haltungen spiele, jedoch: "Der Trend, den wir beschreiben, endet in den späten 1990er-Jahren. Erst seit diesem Zeitpunkt nutzt aber überhaupt ein nennenswerter Teil der Bevölkerung das Internet."

Obwohl die Daten keine Aussagen über die letzten beiden Jahrzehnte erlauben, ließen sich laut den Fachleuten wichtige Schlüsse für die aktuelle Situation ziehen, erklärte Claudia Diehl: "Bei der Masernimpfung hat sich gezeigt, dass schon eine kleine Gruppe von entschlossenen Impfskeptikern ausreicht, die Elimination stark ansteckender Viren trotz großer Anstrengungen zu verhindern."

Aus Österreich gab es generell zu den Impfungen im Jahr 2019 - somit noch vor der Corona-Pandemie - Informationen aus einer repräsentativen Umfrage im Auftrag des Österreichischen Verbandes der Impfstoffhersteller (ÖVIH). Die Mehrheit der Österreicher stand damals Impfungen positiv gegenüber. "Sehr positiv" sahen Immunisierungen 37 Prozent, "eher positiv" zusätzliche 46 Prozent. Die Kehrseite: 13 Prozent der Österreicher sahen die Schutzimpfungen "eher negativ". Drei Prozent der Befragten im Alter zwischen 16 und 69 Jahren gaben an, Immunisierungen "sehr negativ" zu bewerten.

Covid-19 könnte jedenfalls zu einer Verhärtung negativer Einstellungen rund ums Impfen in Österreich geführt haben. Robert Böhm, Sozialpsychologe an der Universität Wien, sagte dazu mit Daten aus repräsentativen Umfragen im vergangenen Jänner beim Österreichischen Impftag: "76 Prozent der Ungeimpften geben an, sich auf gar keinen Fall gegen Covid-19 impfen zu lassen. Und 41 Prozent der Ungeimpften wollen sich in Zukunft gegen gar nichts mehr impfen lassen."

ribbon Zusammenfassung
  • Im Hintergrund steht aber die generelle Einstellung zu Impfungen über Jahre hinweg.
  • Eine aktuelle Studie zeigt, dass die Impfskeptiker in Deutschland in den vergangenen Jahrzehnten weniger geworden sind.
  • Als Indikator wurden die Einstellungen der Eltern zur Impfung gegen Masern, Mumps und Röteln (MMR) verwendet.
  • Im entsprechenden Zeitraum sank bei dieser Gruppe der Anteil geimpfter Kinder von rund 50 auf etwas mehr als 20 Prozent.