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Hilfe in Syrien nach Erdbeben noch nicht ausreichend

Auch mehr als eine Woche nach dem Erdbeben in der syrisch-türkischen Grenzregion ist die Situation im Bürgerkriegsland Syrien weiterhin kritisch. Andreas Knapp, Caritas-Generalsekretär für Auslandshilfe, reiste bereits am Freitag ins Krisengebiet nach Aleppo. "Die Hilfe in Syrien ist angelaufen, aber noch unzureichend", berichtete er im Gespräch mit der APA. Es brauche nun "internationale Solidarität". "Wir können Syrien nicht alleine lassen", appellierte Knapp.

"Vor allem die Sammelunterkünfte sind heillos überfüllt. Die Angst der Menschen ist weiter groß", sagte der Vorstandsvorsitzende der Stiftung Nachbar in Not und Generalsekretär für Internationale Programme der Caritas Österreich. In der Nacht ist es bitterkalt in Aleppo. Die Notunterkünfte sind überfüllt, viele Menschen harren auf der Straße aus. Es brauche dringend mehr Quartiere für die obdachlos gewordene Bevölkerung, sagte der Vorstandsvorsitzende der Stiftung Nachbar in Not. Derzeit gebe es bei den Hilfsmaßnahmen Defizite in der Koordination. "So gibt es in Notunterkünften beispielsweise fast zu viel Essen, dafür in den öffentlichen Gebäuden und Schulen aber nur die Schultoiletten, hier fehlen Sanitäranlagen", berichtete Knapp. So konnten sich die Überlebenden seit Tagen auch nicht waschen. "Die Menschen erreichen das Ende ihrer Belastbarkeit", sagte der Caritas-Generalsekretär. Die Hilfsmaßnahmen seien nun in einer kritischen Phase, "es muss besser koordinierte Hilfe kommen".

Rund 200.000 Menschen wurden in Aleppo durch das Beben vor acht Tagen obdachlos. Viele Menschen warten weiter darauf, in ihre zum Teil zerstörten Häuser zurückkehren zu dürfen. Die Behörden untersuchen eigenen Angaben zufolge jeden Tag Dutzende Gebäude auf Einsturzgefahr. Der Plan sei, dass rund 100 Teams, bestehend aus einem Regierungsmitarbeiter und einem Ingenieur, die Häuser statisch überprüfen, berichtete Knapp. "Es gibt eine Art Ampelsystem. Rot heißt zu gefährlich, diese Häuser müssen abgerissen werden", sagte der Vorstandsvorsitzende der Stiftung Nachbar in Not. Zahlreiche Gebäude, die das Erdbeben noch nicht zum Einsturz gebracht hat, lässt die Stadt wegen starker Zerstörungen nun abtragen. Werden die Gebäude mit der Farbe gelb - für gefährlich - bewertet, müssen sie statisch genauer untersucht werden. Bei grün dürfen die Menschen wieder in die Gebäude. Die Bevölkerung wartet nun darauf, dass ihr Zuhause inspiziert wird. Ein Ende dieses Prozesses würde "ein bisschen Entspannung schaffen und den Menschen Klarheit geben", sagte Knapp.

Laut UNO wurde in Aleppo jedes dritte Gebäude durch die Erdbeben zerstört. Viele Gebäude in der Stadt sind schon vom seit zwölf Jahren andauernden Krieg beschädigt gewesen. "Insbesondere im Ostteil von Aleppo, das auch stark bombardiert worden war, sind viele Gebäude zerstört", sagte Knapp. Die Bevölkerung habe bereits multiple Krisen durchgemacht. Jene Menschen, die bereits vor dem schweren Erdbeben in halbzerstörten Gegenden gewohnt haben "trifft es jetzt wieder besonders hart, das tut weh", schilderte der Caritas-Generalsekretär. Der Tiroler kennt das Bürgerkriegsland, er hat 2017 bis 2018 bereits die UNICEF-Wasserprogramme in Syrien geleitet. Dadurch war er quasi vorgewarnt. Das Leid und die Probleme der Bevölkerung das erste Mal zu sehen, wäre "sehr harter Tobak gewesen".

Aleppo steht unter Kontrolle der Regierungstruppen von Machthaber Bashar al-Assad. Nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation WHO beträgt die Opferzahl durch das schwere Erdbeben in Syrien mindestens 5.900. Das UNO-Flüchtlingshochkommissariat schätzt, dass in ganz Syrien bis zu 5,3 Millionen Menschen durch das Beben obdachlos geworden sind.

Alle acht Hilfsorganisationen der Stiftung "Nachbar in Not" sind mit lokalen Partnerorganisationen in den betroffenen Gebieten im Einsatz:

Die Caritas Österreich hilft mit Partnerorganisationen sowohl in Syrien als auch in der Türkei. Seit den ersten Stunden nach dem Beben werden Unterkünfte organisiert und die Menschen mit Nahrungsmitteln, sauberem Wasser, Kleidung, Matratzen, Handtüchern, Kochutensilien und medizinischen Artikeln ausgestattet. In Syrien ist die Caritas seit über 30 Jahren tätig und daher konnte die dringende Nothilfe unmittelbar starten.

Das Österreichische Rote Kreuz ist mit dem Türkischen Roten Halbmond und dem Syrisch Arabischen Roten Halbmond im Austausch. Beide nationale Gesellschaften haben unmittelbar nach den Beben mit Rettungs- und Suchmaßnahmen begonnen. Zu den Hilfsmaßnahmen gehören Such- und Rettungsmaßnahmen sowie medizinische Grundversorgung, Evakuierungen, Bereitstellung von Notunterkünften, psychologische Erstversorgung, Nahrungsmittelversorgung sowie Bereitstellung von Blutkonserven und -plasma.

CARE ist im Erdbebengebiet durch CARE Türkiye vertreten, es werden bestehende grenzüberschreitende Hilfstätigkeiten fortgesetzt, um auf die am schlimmsten betroffenen Gebiete in Nordwestsyrien zu reagieren, wo Teams im Einsatzgebiet und Partner versuchen, Decken, Lebensmittel, Matratzen, Zelte und andere Hilfsgüter an Menschen in Not zu liefern, und das unter schwierigen Wetterbedingungen.

Der Arbeiter-Samariter-Bund beteiligt sich mit Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Search & Rescue Teams in der Türkei an der Suche nach verschütteten Menschen und versorgt in Syrien und der Türkei in Zusammenarbeit mit der lokalen Organisation ADRA Überlebende des Erdbebens mit Lebensmitteln und Wasser.

Die Diakonie Katastrophenhilfe ist über lokale Partnerorganisationen sowohl in Syrien als auch der Türkei aktiv. In Syrien waren bereits vor dem Erdbeben Aktivitäten zur Eindämmung von Cholera geplant. In Hama, Aleppo und Latakia wurde mit der Verteilung von Überwinterungskits - Matratzen, Decken, Planen -, Nahrungsmittelhilfe, Verteilung von Hygienekits und Wasser begonnen.

Das Hilfswerk International ist in der Provinz Hatay im Süden der Türkei aktiv und arbeitet dort direkt mit den lokalen Behörden zusammen. Erste Verteilungen von Hilfsgütern, wie Essen oder Wasser, sind bereits erfolgt, Notunterkünfte werden organisiert.

Malteser International arbeitet seit 2012 in Syrien und ist seit 2014 in der Türkei registriert. Ein Nothilfeteam wurde in die betroffene Region entsandt, das Soforthilfemaßnahmen koordiniert und die dort lebenden Menschen mit dringend benötigten Hilfsgütern versorgt. In den Krankenhäusern der lokalen Partner steigt die Zahl der Verletzten von Stunde zu Stunde. Die Malteser versorgen und unterstützen medizinische Einrichtungen in Syrien durch die Verteilung von Wasser und Hilfsgütern.

Die Volkshilfe arbeitet in Syrien mit der Partnerorganisation "Hiro - Center for Dialogue und Rehabilitation" und verteilt Nothilfepakete in Idlib in Camps von Vertriebenen. Diese beinhalten Grundnahrungsmittel für die Familien, die ihre Unterkünfte verloren haben, sowie Winterkleidung und Decken. Nothilfepakete für Sheikh Maqsoud - ein Stadtteil von Aleppo, der unter syrisch-kurdischer Selbstverwaltung steht, werden organisiert.

ribbon Zusammenfassung
  • Auch mehr als eine Woche nach dem Erdbeben in der syrisch-türkischen Grenzregion ist die Situation im Bürgerkriegsland Syrien weiterhin kritisch.
  • Andreas Knapp, Caritas-Generalsekretär für Auslandshilfe, reiste bereits am Freitag ins Krisengebiet nach Aleppo.
  • "Die Hilfe in Syrien ist angelaufen, aber noch unzureichend", berichtete er im Gespräch mit der APA.
  • Laut UNO wurde in Aleppo jedes dritte Gebäude durch die Erdbeben zerstört.