"Halbleichen am Sofa": Warnung vor "Chem-Sex"-Partys
"Ein schrecklicher Dunst im Raum" - Schweiß und Drogendampf hängt in der Wohnung. Auf einem Sofa liegen nackte Menschen. Sie seien "Halbleichen". Sie hätten "einfach zu viel konsumiert". So beschreibt Mike (Name von der Redaktion geändert) eine typische Szene bei einer sogenannten "Chem-Sex"-Party.
Diese seien seit einiger Zeit am Vormarsch, wie "Exakt - Das PULS 4 Magazin" berichtet. In Wien und da vor allem in der homosexuellen bzw. bisexuellen-Szene bekämen Partys, bei welchen Drogen konsumiert werden und oft mehrere Menschen Sex miteinander haben, Zulauf.
Mike schildert im Interview, dass er selbst Gast und Gastgeber bei "Chem-Sex"-Partys war. Es habe im Lockdown aus Langeweile und Einsamkeit angefangen. Über einschlägige Dating-Plattformen sei er zu solchen Partys gekommen. Keine ungefährliche Angelegenheit, denn Sucht, Vergewaltigungen und sexuell übertragbare Krankheiten sind in der Szene verbreitet.
"Die Drogen lassen dich nicht los"
Heute warnt Mike: "Die Drogen lassen dich nicht los". Hinterher frage man sich oft: "Oida, was ist eigentlich passiert?" Er habe vergessen, seinem Arbeitgeber Bescheid zu geben, dass er nicht zur Arbeit komme, habe deswegen eine Abmahnung kassiert. Seine Familie mache sich Sorgen. Bis zu zwei Wochen sei er durchgehend auf Partys gewesen.
Der Zulauf zu "Chem-Sex"-Partys hängt eng mit der Verbreitung von relativ billigen synthetischen Drogen zusammen. Konsumiert wird etwa Ketamin, das als Pferde-Betäubungsmittel bekannt ist, das stark süchtig machende Crystal Meth oder GHB bzw. GBL, also als Liquid-Ecstasy bekannte K.O.-Tropfen.
Fehlender Konsens und Krankheiten
"Man ist sozial öffnend, man geht mehr auf andere Leute zu, man fühlt sich selbstbewusster, man fühlt sich stärker. Gleichzeitig sinkt die Hemmschwelle, gleichzeitig sinkt das Schmerzempfinden", beschreibt Mikrobiologin und freie Wissenschaftskommunikatorin Birgit Leichsenring die Wirkung der Drogen.
Mike schildert, dass besonders die "K.O.-Tropfen "gerne aus Versehen überdosiert" werden. Man habe sich dann "nicht mehr unter Kontrolle", könne sich im Nachhinein nicht mehr erinnern und merke nicht, wenn man verletzt ist.
Auch die Expert:innen warnen: Auf fürsorgliche Gastgeber:innen könne man sich "nicht immer verlassen", so Psychologe Thomas Baumgartner von der Wiener Aids Hilfe. Vor allem, wenn es um fremde Personen geht. In einer kleinen Befragung von 400 "Chem-Sex"-Party-Besucher:innen gaben sechs Prozent an, Opfer von Übergriffen geworden zu sein. Und auch die Wahrscheinlichkeit, sich mit sexuell übertragbaren Krankheiten anzustecken, steige mit der Zahl von Sexualpartner:innen, so Baumgartner.
Mike glaubt, dass er sein Verhalten unter Kontrolle habe. Die Sorgen seiner Familie und die Mahnung der Arbeit sagen etwas anderes. Wer Hilfe oder Beratung benötigt, findet diese bei "chemsex.at". Denn am Ende muss auch Mike eingestehen: "Der ist noch nicht zu Ende".
Zusammenfassung
- Sogenannte "Chem-Sex"-Partys sind auf dem Vormarsch und mit ihnen auch billige synthetische Drogen.
- Bei "Exakt" schildert ein Konsument seine Erfahrungen. Expert:innen warnen vor den Gefahren.