Karner: Zivilisten wie in Mariupol im Bombenhagel gefangen

Sjewjerodonezk wird immer mehr zum neuen Mariupol, erklärt Militärstratege Gerald Karner. Russen und Ukrainer haben sich wegen des Bombardements an die Stadtränder zurückgezogen, 10.000 bis 15.000 Zivilisten sitzen in der Stadt fest, ohne eine Möglichkeit, sie zu evakuieren.

"Es sieht so aus, als ob sich die russischen Truppen tatsächlich weitestgehend zurückgezogen hätten", beschreibt Militärexperte Gerald Karner die Lage in der heftig umkämpften ukrainischen Stadt Sjewjerodonezk. Die Russen würden an den Stadträndern warten, während Bomben und Artilleriefeuer auf die Stadt niedergeht. Im Gegenzug hätten sich die ukrainischen Streitkräfte an den westlichen Stadtrand zurückgezogen, "um eben dieses Bombardement nicht ungeschützt erleiden zu müssen". 

Evakuierung nicht möglich: "Grausam" für Zivilisten

Die Lage sei "grausam für die Zivilbevölkerung". Man könne davon ausgehen, dass der Großteil geflohen sei oder evakuiert wurde. Karner geht von 10.000 bis 15.000 Zivilpersonen aus, die sich noch in Sjewjerodonezk aufhalten. "Der Rest dürfte sich hoffentlich in möglichst beschusssicheren Bunkern aufhalten. Wir sehen hier eine Situation ähnlich der in Mariupol vor wenigen Wochen." Die ukrainischen Streitkräfte hätten im Moment keine Möglichkeit, zu den Menschen vorzudringen und sie zu evakuieren. "Der russische Beschuss aus der Luft und durch weitreichende Artillerie ist zu stark."

Region in ukrainischer Hand

Beim Angriff gehe es strategisch aber weniger um die Stadt selbst als vielmehr um die wichtige Verbindungsstraße und damit um den gesamten Raum inklusive der benachbarten Stadt Lyssytschansk, die jenseits des Flusses liegt. Diese Stadt sei noch komplett in ukrainischer Hand und darum nach Karners Ansicht auch die Region. 

Wolle die russische Seite dorthin vorstoßen, werde es sehr verlustreich werden, die Brücken einzunehmen. Wahrscheinlicher sei, dass die Ukrainer diese dann sprengen. 

Trotzdem geht Karner davon aus, dass Sjewjerodonezk "in den nächsten Tagen" an die Russen fällt, denn die Ukrainer hätten schon ihre Absicht klar gemacht, die Stadt "nicht bis zum letzten Mann" verteidigen zu wollen. 

Ukraine: Sjewjerodonezk vor Fall

ribbon Zusammenfassung
  • Sjewjerodonezk wird immer mehr zum neuen Mariupol, erklärt Militärstratege Gerald Karner im PULS 24 Interview.
  • Russen und Ukrainer haben sich wegen des Bombardements an die Stadtränder zurückgezogen, 10.000 bis 15.000 Zivilisten sitzen in der Stadt fest, ohne eine Möglichkeit, sie zu evakuieren.
  • Es sei "grausam" für die Zivilisten.