Mutter von 12-Jähriger: Wie soll man Vergewaltigung beweisen?

Vergangene Woche wurde in Wien ein 16-Jähriger vom Vorwurf freigesprochen, eine 12-Jährige vergewaltigt zu haben. Ähnliche Vorwürfe erhebt die Familie des Mädchens auch gegen weitere Burschen. In der Öffentlichkeit werden ihre Aussagen nun als unglaubwürdig dargestellt. Die Mutter will das im exklusiven PULS 24 Interview so nicht stehen lassen.

Der Fall sorgt seit dem Sommer für Schlagzeilen. Rund ein Dutzend teils minderjährige Jugendliche sollen ein damals 12-jähriges Mädchen in Wien-Favoriten in einem Parkhaus und in einem Hotel sexuell missbraucht haben. In Chat-Gruppen nannten sich Teile davon "antons" - nach dem Antonsplatz im 10. Bezirk. 

Freispruch rechtskräftig

Vergangene Woche ging ein erster Prozess in dem Fall vor Gericht zu Ende: Ein 16-jähriger Syrer wurde dabei freigesprochen. Diese Entscheidung ist mittlerweile rechtskräftig. Die Wiener Staatsanwaltschaft wird kein Rechtsmittel einlegen, wie sie gegenüber PULS 24 am Dienstag bestätigte. 

Für den Freispruch des Verdächtigen war unter anderem die erste Aussage der zu diesem Zeitpunkt 13-jährigen Wienerin bei der Polizei mitverantwortlich. Sie habe dort nicht von Gewalt gesprochen.

Nach nicht einmal zehn Minuten Beratungszeit kam der Senat am vergangenen Donnerstag zum Entschluss, dass für den Jugendlichen "nicht erkennbar" gewesen sei, dass das Mädchen mit seinen Handlungen nicht einverstanden gewesen sei.

Der Verteidiger des Burschen, Andreas Reichenbach, legte beim Prozess noch nach: Die Vorwürfe gegen seinen Mandanten seien "teilweise an den Haaren herbeigezogen". Das Mädchen sei als Opfer einer angeblichen Gruppenvergewaltigung "stilisiert" worden. 

Eine Darstellung, die die Mutter der 12-Jährigen so nicht stehen lassen will. Im exklusiven PULS 24 Interview spricht sie von einem Freispruch im Zweifel, weil Beweise fehlen würden und sagt: "Das heißt nicht, dass man meiner Tochter nicht glaubt"

Video: Freispruch für 16-Jährigen

"Manche schreien, manche sind mucksmäuschenstill"

Ihrer Tochter sei bei der ersten Einvernahme noch gar nicht klar gewesen, was passiert ist, was eine Vergewaltigung sei, was Nötigung ist, dass auch Oralverkehr eine Vergewaltigung sein könne und wie fest jemand drücken müsse, bis es als Gewalt zähle. Die Mutter bekrittelt, dass bei solchen Einvernahmen zu wenig auf das Alter und die psychische Verfassung der mutmaßlichen Opfer eingegangen werde. 

Vielen erwachsenen Frauen würde es schwer fallen, solche Erlebnisse zu schildern. "Manche schreien, manche sind mucksmäuschenstill", sagt die Mutter. Manche würden erst Jahre später draufkommen, was ihnen angetan worden sei.

Sie fragt angesichts des Freispruchs: "Wer ist denn bei einer Vergewaltigung dabei? Wie kann man das beweisen?" Ohne sichtliche Verletzungen sei das schwer. 

Verantwortungsumkehr

Worte über sexuelle Gewalterfahrungen zu finden, die Scham zu überwinden sei immer schwierig, sagt auch Johanna Zimmerl, Psychotherapeutin und Leiterin des Kinderschutzzentrums "die möwe". Vor allem für sehr junge Opfer sei es oft schwierig, überhaupt zu begreifen, was passiert sei. Man befinde sich noch im Prozess der eigenen sexuellen Identitätsentwicklung. 

Vergewaltigung: Schock nach Freispruch

Erschwerend komme hinzu, wenn Taten von engen Vertrauten wie Familienmitgliedern ausgeführt werden oder wenn - wie im Fall der damals 12-Jährigen - eine Verantwortungsumkehr stattfinde: Den Opfern werde eingeredet, sie seien selbst schuld, hätten früher oder überhaupt "Nein" sagen müssen. 

Grundsätzlich werden Unter-14-Jährige im Strafrecht aber speziell geschützt, so Zimmer. Auch die 12-Jährige hat nicht direkt im Gerichtssaal ausgesagt - dort wurde unter Ausschluss der Öffentlichkeit ein Video ihrer kontradiktorischen Befragung abgespielt. 

"Kasperltheater" vor Gericht

Ihre Mutter schildert nun im PULS 24 Interview, dass ihre Tochter "sehr, sehr depressiv" und "schambehaftet" sei. Sie wolle ihr jetzt beibringen, dass sie nicht schuld sei. Die Familie musste nach dem Bekanntwerden der Vorwürfe umziehen, während die restlichen Verdächtigen auf freiem Fuß sind und hatten Zeit, sich abzusprechen und Zeugen zu beeinflussen, so die Frau. Auch das beschäftige die Familie. 

Ein "Kasperltheater" mit Widersprüchen sei die Aussage des 16-Jährigen vor Gericht gewesen, sagt sie, ohne aber die Entscheidung des Gerichts infrage zu stellen.

Der 16-Jährige habe vor Gericht behauptet, er hätte noch nie sexuelle Erfahrungen gesammelt - auf seinem Handy hätten die Ermittler allerdings Aufnahmen von ihm bei sexuellen Handlungen und einem anderen Mädchen gefunden. Das zeigen auch Akten, die PULS 24 vorliegen. Das Mädchen, das sich wohl nie bei den Behörden gemeldet hat, soll auf den Aufnahmen sagen: "Ich will nicht."

In der medialen Nachberichterstattung seien außerdem entscheidende Chatverläufe vertauscht worden - fälschlicherweise sei ein Chat des Angeklagten ihrer Tochter zugeordnet worden - zu ihrem Nachteil. In den sozialen Medien würden solche falschen Berichte Hass gegen ihre Tochter auslösen, kreidet sie an. 

Weitere Ermittlungen

Gegen weitere Jugendliche, gegen die die Tochter ähnliche Vorwürfe erhob, laufen die Ermittlungen noch. Wie weit man dabei ist, kommentierte die Staatsanwaltschaft gegenüber PULS 24 am Dienstag nicht.

Die Mutter hofft, dass es in diesen Fällen nicht auch zu Freisprüchen kommt. Für sie stehe aber auch dann fest: "Das hat nichts mit der Glaubwürdigkeit meiner Tochter zu tun". Vor Gericht könnten schlicht die Beweise fehlen. 

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ribbon Zusammenfassung
  • Vergangene Woche wurde in Wien ein 16-Jähriger vom Vorwurf freigesprochen, eine 12-Jährige vergewaltigt zu haben.
  • Ähnliche Vorwürfe erhebt die Familie des Mädchens auch gegen weitere Burschen.
  • In der Öffentlichkeit werden ihre Aussagen nun als unglaubwürdig dargestellt.
  • Die Mutter will das im exklusiven PULS 24 Interview so nicht stehen lassen.