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Forscher wollen CO2-Reduktionstechnologien auf Weg bringen

Man findet sie in Wahlprogrammen, Sonntagsreden und in der Industrie-PR, aber noch kaum in Aktion - sogenannte CO2-Reduktionstechnologien. Einen Beitrag zur Veränderung wollen Forscher der Universität für Bodenkultur (Boku) in Wien-Döbling leisten. Eine neue Infrastruktur namens "Boku-Technikum" verfügt etwa über ein Großlabor mit der stattlichen Raumhöhe von neun Metern. Luft nach oben gibt es in dem Bereich aber bei weitem nicht nur räumlich, so die Institutsleiter.

Der Zubau an einem der Boku-Standorte in der Wiener Muthgasse biete nun optimale Rahmenbedingungen für verfahrenstechnische und energietechnische Forschung. Man wolle hier "Energiewendetechnologien für eine CO2-neutrale Zukunft bis zur Marktreife" entwickeln, heißt es in einer Aussendung. Vier zuvor über die Stadt verstreut arbeitende Arbeitsgruppen des "Instituts für Verfahrens- und Energietechnik" (IVET) könne man nun unter einem Dach vereinen, so Institutsleiter Christoph Pfeifer und sein Stellvertreter Tobias Pröll am Freitagnachmittag bei der Eröffnung.

Auf acht moderne Laboratorien kann man nun zurückgreifen. Die Forschungsthemen reichen von Studien zur Energiezukunft des riesigen Wiener Wohnkomplexes Alt-Erlaa, über die Elektrifizierung der Logistik bzw. von Lkw-Flotten von Unternehmen bis zur Entwicklung und Optimierung von Bioreaktoren, mit denen etwa aus Biomasse verschiedenster Art Synthesegase hergestellt werden, die dann wieder als Grundstoffe für neue Produkte dienen. So stehen im neun Meter hohen "Herzstück" des neuen Institutsgebäudes mehrere solche Anlagen - zwar in stattlicher Größe, aber bei weitem noch nicht in dem Maßstab, den sie einmal erreichen sollen.

Die nächste Version eines komplexen Reaktors, in dem organische und damit kohlenstoffhaltige Abfallstoffe in ein Gasgemisch aus Wasserstoff, Methan, Kohlenmonoxid und Kohlendioxid in reinster Form umgewandelt werden, soll vier Mal größer werden, erklärte Pröll der APA. Daher hat man in dem Großlabor eben auch noch viel Platz nach oben hin. All die Produktgase aus dem Reaktor können als Grundstoffe für andere Produkte dienen - das CO2 in der so erzeugten Form könnte wiederum abgeschieden, eingelagert und so aus der Atmosphäre gehalten werden.

Damit die Ideen und Technologien aber tatsächlich dazu führen, dass Kohlenstoff stärker im wirtschaftlichen Kreislauf geführt wird und eben nicht als Treibhausgas die Erderhitzung anfacht, brauche es aber grundlegend andere Rahmenbedingungen, so die Institutsleiter. Zwar dauert es von der Idee zu einer "marktreifen Industrieanlage ungefähr zehn Jahre", sagte Pfeifer: "Es fehlt aber teilweise der politische Wille", weil viele Anlagen der ersten und zweiten Generation immer noch mehr kosten als sie einspielen.

Das liege vor allem daran, dass die erzeugten Produkte preislich nicht mit Konkurrenzprodukten, die aus fossilen Quellen stammen, mithalten können. "Ich würde mir gesellschaftspolitische Rahmenbedingungen wünschen, die einen Markt für diese Technologien überhaupt erst ermöglichen", sagte Pröll.

"Erneuerbare Grundchemikalien" müssten wirtschaftlich mithalten können. Solange es keinen CO2-Preis auf Produkte gibt, die auf Basis von fossilen CO2-Emissionen hergestellt werden, "der tatsächlich wirkt", laufe man immer wieder Gefahr, stecken zu bleiben. Man brauche funktionierende "Business-Cases", auf denen größere Demonstrationsanlagen aufgebaut werden können. Sonst drohen viele "Energiewendetechnologien" im Kleinen zu versanden.

Die Grundbedingungen müssten so abgesteckt werden, "dass eine Energiewende beginnt", so Pröll. Damit wären auch die Technologien der Wissenschafter attraktiver. Klar sei: Es müsse beim Energieverbrauch gespart, die "Low-hanging-fruits" - wie Wochenendreisen mit dem Flugzeug, große SUVs in der Großstadt, energieeffizientere Geräte und Gebäude - gepflückt werden, betonte Pfeifer: "Diese Dinge müssen wir endlich flächendeckend angehen."

In der Folge "kommen dann unsere erneuerbaren Chemikalien ins Spiel und irgendwann wird vielleicht CO2 aus Abgasen abgetrennt und eingelagert", sagte Pröll. Das alles hänge eben von einem signifikant hohen CO2-Preis ab, "den wir bisher nicht haben", so der Wissenschafter.

Neben dem neuen Umfeld für das Forschungsinstitut verfügt die Boku in dem Zubau nun auch über ein Zentrum für universitäre Unternehmensausgründungen - genannt "Spin-offs" - und Jungunternehmen - vulgo "Start-ups". Unter dem Dach der "BOKU:BASE" stehen weitere Labor-, Büroflächen und Co-Working-Labs für potenzielle Firmengründerinnen und -gründer, Wissenschafter oder Studenten zur Verfügung, die ihre Geschäftsideen umsetzen wollen.

(S E R V I C E - https://boku.ac.at/map/ivet)

ribbon Zusammenfassung
  • Forscher der Universität für Bodenkultur in Wien-Döbling arbeiten im neuen 'Boku-Technikum' an CO2-Reduktionstechnologien, um Energiewendetechnologien zur Marktreife zu entwickeln.
  • Die Entwicklung marktreifer Industrieanlagen dauert etwa zehn Jahre, jedoch fehlen politische Rahmenbedingungen und ein wirksamer CO2-Preis, um diese Technologien wirtschaftlich konkurrenzfähig zu machen.
  • Neben der Forschung bietet die Boku mit der 'BOKU:BASE' auch Unterstützung für Unternehmensausgründungen und Start-ups, um innovative Geschäftsideen zu fördern.