Festgehaltene Pflegerin: Prozess gegen Kollegen in Tirol
Bereits zu Beginn der ganztägig anberaumten Verhandlung, die schließlich bis in die Abendstunden dauerte, war es für Richter Paul Menardi wahrscheinlich, dass ein zweiter Verhandlungstag nötig sein würde. Nach langen und komplexen Einvernahmen der vier Angeklagten trat dieser Fall dann auch tatsächlich ein. Beim nächsten Verhandlungstag, der innerhalb von zwei Monaten stattfinden wird, soll eine Reinigungskraft einvernommen werden, die die Ereignisse mitbekommen hatte. Auch die rund zweistündige kontradiktorische Einvernahme des mutmaßlichen Opfers soll vorgespielt werden.
Zuvor war im Laufe der Verhandlung thematisiert worden, inwiefern die Frau freiwillig agiert hatte und was sie im Vorfeld tatsächlich bereits wusste. Es sei beispielsweise bei der Morgenbesprechung klar vereinbart worden, eine komplexe Operation und die damit einhergehende Lagerung des Patienten üben zu müssen, argumentierten die Anwälte in ihren Eröffnungsplädoyers unisono. Von einem "bewussten, geplanten Zusammenwirken" oder gar einer "strafrechtlich relevanten Tat" könne damit keine Rede sein. Auch der Erstangeklagte schloss sich in seiner Befragung vor Richter Menardi dieser Argumentation an: "Alles war eigentlich mehr oder weniger vereinbart." Lange Zeit sei während der Übung auch auf kollegiale Weise "gelacht worden", führte er aus.
Das mutmaßliche Opfer habe jedenfalls grundsätzlich gewusst, dass die Operation bzw. die damit verbundene korrekte Lagerung ausprobiert habe werden müssen, da eine solche komplizierte OP tatsächlich zeitnah angestanden war, betonte die Verteidigung. "Mein Mandant hatte keine Übung bei dieser Operation, deshalb war die Übung notwendig", erklärte eine weitere Verteidigerin. Fakt sei aber, dass eine "heitere, ausgelassene Stimmung geherrscht" habe, argumentierte man, die erst dann gekippt sei, als Fotos von dem mutmaßlichen Opfer in einer knienden Position gemacht wurden: "Dann haben die vier Angeklagten die Frau aber sofort losgebunden."
Keinesfalls sei die festgehaltene Frau - die damals als Operationsassistentin arbeitete - das "sensible Opfer", als das sie nunmehr dargestellt werde. "Sie hat auch immer wieder derbe Späße mit ihren Arbeitskollegen gemacht", hielt der Verteidiger des Erstangeklagten fest. Auch er stellte nicht in Zweifel, dass die angefertigten Fotos "der Eskalationspunkt" gewesen waren. Es habe aber im OP-Saal "ein ganz eigener Humor geherrscht", konstatierte der Verteidiger des Drittangeklagten. Zudem habe die Frau "mitgelacht".
Der Zweitangeklagte - der ebenfalls auf "nicht schuldig" plädierte - beschrieb, dass im Vorfeld die dann tatsächlich geübte "Lagerung" für die anstehende Operation in der Morgenbesprechung thematisiert wurde. Bei der "Übung" selbst sei es dann "heiter" zugegangen. In dieser "gelösten Stimmung" habe er dann auch ein Foto seiner Arbeitskollegin gemacht. Der Hintergrund der Aktion sei jedenfalls ernst gewesen: "Wir haben die Lagerung von Armen und Beinen üben wollen." Es könne aber dennoch sein, dass die Aktion dann entglitten sei und "überschießend war". Insgesamt habe aber lange eine "amikale, nette Stimmung geherrscht".
Der Drittangeklagte beschrieb, dass die Frau "nicht den nötigen Ernst an den Tag gelegt hat". Es habe sich um eine "ernste Sache" gehandelt, schließlich habe man ja alles für den kommenden Patienten "einstellen müssen". "Sie hat dauernd gelacht", sagte er. Deshalb sei es schließlich auch passiert, dass er die angeklagten "Bemalungen" - einen Anus und eine Vagina auf ihre Arbeitshose - vorgenommen habe. "Ich wollte die Sache einfach realistischer machen", so der Drittangeklagte. Dieser "Scherz" wäre nie passiert, wenn es sich nicht um die Angeklagte gehandelt hätte. "Sie machte auch sonst immer zum Teil derbe Scherze, deshalb dachte ich, dass die Aktion für sie in Ordnung wäre."
Der Viertangeklagte sprach ebenfalls davon - wie schon sämtliche seiner zuvor vernommenen Ex-Kollegen - dass während des Geschehens "eine heitere Stimmung geherrscht hat". Das Foto sei "aus einer lustigen Stimmung heraus" entstanden und er habe das Foto niemals einem größeren Kreis zeigen oder zugänglich machen wollen. Den Vorfall mit dem Stift und der "Bemalung" habe er zuerst nicht mitbekommen, dann lediglich "einen Kreis auf der Hose wahrgenommen". Die Stimmung sei aber auch bei der Bemalung noch "heiter geblieben".
Die Staatsanwältin hatte in ihrem Eröffnungsplädoyer ein anderes Bild gezeichnet. "Das Opfer hat mehrfach gesagt, dass man sie losbinden soll." Dass es kein Scherz gewesen sei, erschließe sich allein schon aus der Tatsache, dass die Frau mit psychologischen Folgen zu kämpfen habe und auch lange krankgeschrieben war. "Das Opfer hat sehr gelitten", fasste sie die Situation zusammen.
Eine "Anpassungsstörung" attestierte ihr auch die Sachverständige Gabriele Wörgötter. "Fakt ist, dass die Frau vorher gesund genug war, um ihren Alltag und ihren Beruf problemlos zu bewältigen", erklärte die Psychiaterin. Nunmehr sei sie krank und "vorerst arbeitsunfähig". "Sie hat Angst und leidet unter einer depressiven Störung", so Wörgötter weiter. Das damalige Ereignis im Krankenhaus sei jedenfalls dazu geeignet, um diese Symptome auszulösen, strich sie heraus.
Die vier Angeklagten im Alter von 48, 45, 50 und 31 Jahren sollen laut Staatsanwaltschaft im Februar letzten Jahres ihre Arbeitskollegin unter dem Vorwand, die Lagerung für eine Operation zu üben, bäuchlings kniend mit gespreizten Beinen mit Klettgurten auf einem OP-Tisch festgebunden haben. Trotz ihrer wiederholten Aufforderung sie loszumachen, soll sie erst losgebunden worden sein, nachdem der Drittangeklagte mit einem Edding-Stift einen Anus und eine Vagina auf ihre Arbeitshose aufgezeichnet hatte. Der Zweit- und der Viertangeklagte sollen zudem währenddessen von der Frau Fotos in dieser Position angefertigt haben. Die vier nach dem Vorfall suspendierten Mitarbeiter hatten damals angegeben, dass sich um einen "Scherz" gehandelt habe.
Zusammenfassung
- Vier Krankenpfleger wurden angeklagt, eine Kollegin im Februar 2023 auf einem OP-Tisch fixiert und 15 Minuten festgehalten zu haben.
- Die Anklagepunkte umfassen Freiheitsentziehung, schwere Nötigung und schwere Körperverletzung. Alle Angeklagten plädierten auf 'nicht schuldig'.
- Der Prozess wurde nach langen Einvernahmen vertagt. Eine Reinigungskraft und das mutmaßliche Opfer sollen bei der nächsten Verhandlung einvernommen werden.
- Die Verteidigung argumentierte, dass die Frau freiwillig agiert habe und eine heitere Stimmung geherrscht habe. Fotos und Bemalungen führten zur Eskalation.
- Die Staatsanwältin und eine Sachverständige betonten, dass das Opfer psychologische Folgen erlitten habe, darunter eine Anpassungsstörung und eine depressive Störung.