Emissionshandelsbeschluss für NGOs negativer Präzedenzfall
"Das ist kein Prozess, der transparent und inklusiv ist. Zudem schafft das Ergebnis eine Grauzone auf Basis von unfertigen Standards und treibt damit Kohlenstoffmärkte unter falschen Vorwänden voran", so Jasmin Duregger, Klima- und Energieexpertin bei Greenpeace Österreich. Generell lehne Greenpeace die Entwicklung und Nutzung von internationalen Kohlenstoffmärkten ab, da sie die dringend notwendige Emissionsminderung verschleppen. Die COP29 mit einem Hintertürchen zu beginnen, "ist ein schlechter Präzedenzfall für Transparenz und ordnungsgemäße Governance", sagte Isa Mulder von Carbon Market Watch.
Umweltschützer warnen nicht nur vor Schlupflöchern und Betrugsmöglichkeiten in dem Beschluss. Die Marktregeln für den Ausstoß von Treibhausgasen und zu Gutschriften für vermiedene Emissionen seien am Montagabend ohne breite Debatte in einem Hinterzimmer-Abkommen vereinbart worden, hieß es. Auch Erika Lennon vom Zentrum für internationales Umweltrecht (CIEL) sprach am Dienstag von einem "gefährlichen Präzedenzfall" für den gesamten Verhandlungsprozess auf der COP29 in Aserbaidschan.
Der Beschluss zum Artikel 6 des Pariser Klimaabkommens regelt, wie Länder untereinander freiwillig zusammenarbeiten können, um ihre Klimaschutzziele zu erreichen. So kann sich etwa eine Firma ihre Emissionen-Reduzierung anrechnen lassen und an ein Unternehmen im Ausland verkaufen. Dieses kann sie nutzen, um eigenen Klimaschutzverpflichtungen nachzukommen. Die Idee: Klimaschädliche Treibhausgase sollen da eingespart werden, wo es am günstigsten ist.
Schon jetzt nutzen Unternehmen Emissionsgutschriften, um "CO2-neutral" zu werden. Gehandelt werden sie auf dem freiwilligen Kompensationsmarkt. Nicht selten steht wegen schlechter Standards, die kaum kontrolliert werden, der Verdacht des Greenwashings im Raum. Gemeint sind Strategien, mit denen sich Unternehmen oder Staaten wahrheitswidrig als besonders umweltfreundlich darstellen.
Klimaschützer sprachen dagegen von einem undemokratischen Prozess, der die Glaubwürdigkeit der zweiwöchigen Konferenz in Baku stark gefährde. Die sogenannten Kohlenstoffmärkte funktionierten einfach nicht, kritisierten etwa Friends of the Earth International, Oil Change International und 350.org in einem gemeinsamen Statement. "Stattdessen dienen sie großen Umweltverschmutzern als Deckmantel, damit sie ihre Emissionen auf Kosten von Mensch und Natur fortsetzen können." Immer wieder hätten "diese neokolonialen Pläne" zu Landraub, Verletzungen der Rechte indigener Völker und Menschenrechten sowie zur Untergrabung der Ernährungssouveränität geführt.
COP29-Präsident Mukhtar Babayev sprach von einem Durchbruch nach jahrelangen Verhandlungen. "Dies wird ein bahnbrechendes Instrument sein, um Ressourcen in die Entwicklungsländer zu lenken." Die neuen Standards sorgen nach seiner Darstellung dafür, dass die gehandelten Emissionsreduzierungen "real, zusätzlich, verifiziert und messbar sind".
Der Artikel 6, ein wichtiger Teil des Pariser "Rulebooks", ist ein langjähriger COP-Begleiter. Vor drei Jahren wurde ein umstrittener Kompromiss erzielt, Kritiker orteten hier Schlupflöcher beim Handelssystem. In zwei aufeinanderfolgenden COPs sei es aber nicht gelungen, Artikel 6 zum Laufen zu bringen, hieß es in einer COP-Vorschau des Weltwirtschaftsforums (WEF). Einige Vereinbarungen seien getroffen worden, doch "angesichts der zunehmenden Anti-Greenwashing-Stimmung und der Tatsache, dass Unternehmen von ihren Klimazusagen Abstand nehmen, ist ein gut funktionierender Kohlenstoffmarkt, der in die UNFCCC-Maschinerie eingebettet ist, wichtiger denn je", hieß es vor dem Start der Klimakonferenz.
Zusammenfassung
- Der Beschluss zum Emissionshandel auf der COP29 in Aserbaidschan wird von NGOs wie Greenpeace Österreich als intransparent kritisiert, da er ohne breite Debatte getroffen wurde.
- Artikel 6.4 des Pariser Abkommens, der den globalen Handel mit Verschmutzungsrechten regelt, wird als möglicher Auslöser für Greenwashing und Emissionsverschleppung angesehen.
- COP29-Präsident Mukhtar Babayev lobt den Beschluss als Durchbruch, der Ressourcen in Entwicklungsländer lenken soll, während Kritiker vor Menschenrechtsverletzungen und Landraub warnen.