Bubatz in Berlin legal - und jetzt?
Wer den Görlitzer Park in Berlin-Kreuzberg betritt, wird genau beobachtet. Schon an den Eingängen des "Görli" postieren sich junge Männer, manche allein, manche in Gruppen. Sie fragen ab, ob man an diversen Drogen interessiert sei. "Brauchst du was, Bro?", fragt einer. "Was Gutes?", erkundigt sich ein anderer.
Über den ganzen Park verteilt sitzen und stehen Dealer neben den Wegen. Selbst am Nachmittag, selbst bei Regen. Geheimnis ist das in Berlin schon lange keines mehr.
Schwarzmarkt nicht verschwunden
Weiter im Inneren des Parks wird es noch konkreter: Ein junger Mann bewegt zwei Finger zum Mund, tut so, als würde er einen Joint rauchen. Ein anderer junger Mann zählt das Angebot auf: Gras, Haschisch, Ecstasy.
Es ist die erste Woche, nachdem Kiffen in Deutschland teilweise erlaubt wurde. Der Schwarzmarkt mit all seinen Auswirkungen ist seither offensichtlich noch nicht verschwunden.
Woran liegt das? Wird sich das überhaupt noch ändern? Und was hat sich durch die teilweise Cannabis-Legalisierung überhaupt schon verändert? Ein PULS 24 Lokalaugenschein in Berlin.
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Journalisten, die Fragen stellen, sind im "Görli" nicht gerne gesehen. Nur ein Mann, der auf einer Parkbank sitzt, und sich durch auffälliges Nicken bei Vorbeigehenden bemerkbar macht, meint, dass er es schlicht noch nicht wisse, ob die Legalisierung für ihn eine Veränderung bringe: "I don't know …", sagt er auf Englisch und ergänzt nach einer kurzen Pause ein " … yet". Der Mann muss lachen.
Regierung will Kriminalität bekämpfen
Auf die Frage, ob es für ihn ein Problem wäre, wenn niemand mehr bei ihm Cannabis kaufen würde und ob er denn nicht ohnehin auch andere Drogen anbieten würde, meint er nur: "Was brauchst du?"
Derweil also noch alles beim Alten im "Görli", obwohl die deutsche Bundesregierung mit dem neuen Gesetz unter anderem die organisierte Drogenkriminalität zurückdrängen will, wie es auf der Website des deutschen Gesundheitsministeriums heißt.
Trotz Verbots habe der Konsum von Marihuana in den letzten Jahren zugenommen – und am Schwarzmarkt könne die Qualität des Suchtmittels nicht kontrolliert werden, ist dort zu lesen. Deswegen dürfe man seit 1. April legal kiffen, bis zu 25 Gramm Gras dabeihaben und bis zu drei Pflanzen zu Hause anbauen.
Die Cannabis-Zucht in sogenannten Anbauvereinigungen ist erst ab 1. Juli erlaubt. Bis geerntet werden kann, könnte es Herbst werden. Wer keinen grünen Daumen hat und kiffen möchte, muss sich also noch etwas gedulden – oder -illegal - auf den Schwarzmarkt zurückgreifen.
Unbeliebte "Kreuzberger Hecke"
Die sogenannte "Kreuzberger Hecke", die es dort zu kaufen gibt, wollen aber viele nicht (mehr) rauchen.
"Unter den ersten drei" Anbauvereinigungen, die sich als Verein eintragen ließen, war deswegen der "Cannabis Social Club High on Earth e.V.". Die Vorsitzenden sind Alina und Dave.
Im Berliner Ortsteil Tiergarten mieteten sie den Keller eines Wohnhauses. Es sei nicht leicht gewesen, eine Hausverwaltung ohne Bedenken zu finden, sagen sie.
Schwer war die Suche außerdem, weil es ja nicht zu kalt, zu feucht, zu warm, zu trocken sein dürfe – und die Lüftung spielt natürlich auch eine Rolle. Die Truppe überlegt derzeit noch, ob man den noch unverputzten und leeren Keller so umbaut, dass man direkt im Raum anbauen kann – oder, ob man Zelte aufstellen wird.
Nicht einmal die Anrainer:innen wissen, dass hier bald Kiloweise Gras wachsen soll – zu groß die Gefahr von Einbrüchen.
Billiger als der Schwarzmarkt
Die beiden glauben, dass der Schwarzmarkt durch das neue Gesetz nicht ganz verschwinden wird – aber zurückgedrängt werden könnte, wenn denn genug Menschen selbst anbauen.
Die Social Clubs, die ja vorerst nur an Mitglieder abgeben werden dürfen, werden dieses Problem wohl nicht lösen. Bis zu 500 Mitglieder darf ein Verein haben. Um fünf bis sechs Euro wolle man ein Gramm später an sie abgeben – das wäre immerhin billiger als am Schwarzmarkt und damit ein Anreiz, zu einem Verein zu gehen.
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Den kommerziellen Verkauf von Cannabis sieht das Gesetz erst in einer zweiten Stufe vor. Wann und ob diese in Kraft treten wird, ist nicht bekannt.
"Eine große Verantwortung"
Alina und Dave ist bewusst, dass das auch vom regelkonformen Handeln der Vereine abhängen wird: "Wir haben eine große Verantwortung, wir müssen ein positives Beispiel sein", sagen sie.
Man habe deswegen im Social Club einen Pädagogen, der für den Jugendschutz zuständig sein soll. Und auch Biologen habe man im Team, schließlich wolle man einen Fokus auf neue Kreuzungen legen, die "therapeutische Wirkung" haben sollen.
"Selbst die Oma redet vom Kiffen"
"High on Earth" steht also in den Startlöchern. Obwohl sie noch gar nicht anbauen dürfen, sprechen sie jetzt schon davon, dass es nun "endlich vorwärts" gehe. Man sei als Kiffer nicht mehr kriminell – und generell werde nun offener über das Thema gesprochen. "Selbst die Oma redet vom Kiffen", freuen sie sich. Die "Enttabuisierung" helfe auch Süchtigen und bei der Aufklärung.
Kiffen im Gastgarten?
Eine weitere Veränderung seit 1. April laut Alina und Dave: Berlin sei zwar immer schon "locker" gewesen, was Konsum in der Öffentlichkeit angeht, doch nun werde er wohl noch sichtbarer. Abends in den Fußgängerzonen oder in Gastgärten. Dave meint, er spiele sogar mit dem Gedanken, eine Art Café für Kiffer aufzumachen. In den Räumlichkeiten der Vereine selbst darf laut Gesetz nämlich nicht konsumiert werden.
Tatsächlich hat man in Berlin immer schon Bars gefunden, wo auch Kiffen in den Raucherbereichen toleriert wurde – ob nur CBD oder mit THC, ist schwer zu sagen. Nun machen sich auch Biergärten und größere Locations Gedanken.
Rechtliche Hindernisse
Ganz so einfach ist das aber nicht: Das Rauchen von Cannabis in unmittelbarer Nähe von Unter-18-Jährigen, sowie das Rauchen in Sichtweite von Spiel- und Sportstätten bleibt verboten. In Fußgängerzonen darf nur nach 20 Uhr gekifft werden.
Bei Indoor-Raucherbereichen sieht die Berliner Clubcommission auf PULS 24-Anfrage daher kein Problem, schwieriger werde es bei Outdoor-Raucherbereichen. Die Entscheidung – auch, ob 25 Gramm mitgenommen werden dürfen – werde aber jeder Club für sich treffen. In vielen Biergärten und Gastgärten wird das Kiffen nicht erlaubt werden.
Wegen der strengen Abstandsregeln – zu Schulen, Kindergärten und Sportplätzen, ergibt sich laut der "Bubatzkarte" generell ein Fleckerlteppich an Zonen, in welchen nun tatsächlich gekifft werden darf.
Christian Schmidt, Vorsitzender des "Green Social Clubs", einer weiterer Verein, der anbauen wird und vom großen Mitglieder-Zustrom schwärmt, hofft im Gespräch mit PULS 24 daher auf Polizeikontrollen "mit Augenmaß" und einen Fokus auf die organisierte Kriminalität, nicht auf einzelne Kiffer und Vereine.
Prohibition vs. Legalisierung
Die "Prohibition" habe den Schwarzmarkt "in keiner Art und Weise" bekämpft, sagt er. Vielleicht gelinge es mit der teilweisen Legalisierung. Politik sei aber "ein Marathon", sagt er – das Gesetz müsse mit der Zeit noch wachsen. Erst wenn der Späti in der Innenstadt legal Gras verkaufen dürfe, werde der Schwarzmarkt uninteressant.
Ob das reicht? Im "Görli", in dem seit jeher gedealt wird, in dem beim PULS 24 Lokalaugenschein eine Schlägerei zwischen mehreren Dealern ausbricht, dürfte eigentlich nicht mal gekifft werden. Denn im Park sind ein Spielplatz und ein Sportplatz, nebenan mehrere Schulen.
Die Berliner Stadtpolitik überlegt seit Längerem, einen Zaun um den Park zu bauen und, ihn nachts zu schließen. Auf einem Protest-Plakat gegen diese Idee ist zu lesen: "Soziale Konflikte brauchen soziale Lösungen". Und: "Ein Zaun wird niemanden aus Sucht und Armut befreien". Die Legalisierung wohl auch nicht.
Video: "Probleme wegen Cannabis-Abhängigkeit gestiegen"
Kurosch Yazdi-Zorn, Psychiater und Vorstand der Klinik für Psychiatrie mit Schwerpunkt Suchtmedizin am Kepler Klinikum, über die Gefahren von Cannabis.
Zusammenfassung
- Seit 1. April ist Kiffen in Deutschland legal.
- Was hat sich seither am Berliner Schwarzmarkt, in den Clubs und auf der Straße verändert? Welche rechtlichen Hindernisse bleiben?
- Ein PULS 24 Lokalaugenschein im Anbau-Keller und im Görlitzer Park.