APA/HELMUT FOHRINGER

15 Jahre Haft für versuchten Mord in Wiener U-Bahn

Am Wiener Landesgericht ist am Mittwoch ein Schwurprozess um einen mutmaßlichen Mordversuch in einer U-Bahn-Garnitur fortgesetzt und abgeschlossen worden. Der Angeklagte wurde zu 15 Jahren Haft verurteilt.

Ein mehrfach vorbestrafter 21-Jähriger, der am 4. Jänner 2023 in einer U-Bahn-Garnitur einen 63 Jahre alten Fahrgast aus nichtigem Anlass k. o. geschlagen und dem bewusstlos am Boden liegenden Mann wiederholt auf den Kopf und auf die Brust gesprungen war, ist am Mittwoch am Wiener Landesgericht wegen versuchten Mordes zu 15 Jahren Haft verurteilt worden. Zusätzlich wurde der Bursche in ein forensisch-therapeutisches Zentrum eingewiesen. Das Urteil ist nicht rechtskräftig.

Forensisch-therapeutische Unterbringung "alternativlos"

Dem Angeklagten sei es "einfach um die Vernichtung des Gegenüber, das Ausleben der Aggressionen" gegangen, hatte der psychiatrische Sachverständige Peter Hofmann am zweiten Verhandlungstag bei der Erörterung seines Gutachtens erklärt. Der Angeklagte bekräftigte dagegen in seinem Schlusswort: "Ich weiß hundertprozentig, ich wollte niemanden umbringen."

Die Geschworenen sahen das mehrheitlich anders, der Schuldspruch fiel im zentralen Punkt der Anklage mit 5:3 Stimmen im Sinn der Anklage aus. Zu drei weiteren, von der Anklage mitumfassten gewalttätigen Angriffen - sämtliche Delikte ereigneten sich zwischen 29. Dezember 2022 und 10. Jänner 2023 und damit binnen 13 Tagen - ergingen jeweils einstimmige Schuldsprüche wegen schwerer Körperverletzung.

Die Unterbringung in einem forensisch-therapeutischen Zentrum sei "völlig alternativlos", meinte der vorsitzende Richter in der Urteilsbegründung unter Verweis auf das psychiatrische Gutachten. Der 21-Jährige erbat nach Rücksprache mit Verteidiger Johannes Maximilian Fouchs Bedenkzeit, Staatsanwältin Tatjana Spitzer-Edl hab keine Erklärung ab.

Tod des Opfers in Kauf genommen

Der 21-Jährige hatte am 4. Jänner in der U3 den 63 Jahre alten Mann - ein Trafikant, der sich am Heimweg von der Arbeit befand - in der U3 zunächst mit Faustschlägen ins Gesicht bewusstlos geschlagen, nachdem dieser ihn gebeten hatte, nicht so breit dazusitzen, um neben ihm Platz nehmen zu können. Danach stampfte er mit voller Wucht auf den Kopf und den Oberkörper des hilflos am Rücken Liegenden ein, was Gerichtsmediziner Wolfgang Denk als "multiple, sehr heftige stumpfe Gewalteinwirkung" bezeichnete.

Diese habe "durchaus lebensgefährliche Verletzungsfolgen" erwarten lassen. Das Opfer erlitt eine Gehirnerschütterung mit länger dauernder Erinnerungslücke, einen Bruch des Brustbeines, Brüche des rechten Schlüsselbeines und der ersten rechten Rippe, eine Fraktur des Nasenbeins mit Eindrückung des linken Anteils der Nasenbeinpyramide sowie Prellungen und Blutunterlaufungen im gesamten Kopf- und Gesichtsbereich.

Die Staatsanwaltschaft ging von - zumindest bedingtem - Tötungsvorsatz. Der Angeklagte sei auf den Mann gesprungen, "wie man einen Luftballon zerplatzen will", meinte die Anklagevertreterin. Damit habe er billigend den Tod des Opfers in Kauf genommen.

Kombinierte Persönlichkeitsstörung

Der gegen den 63-Jährigen gerichtete Gewaltexzess hörte erst auf, als ein anderer Fahrgast eingriff und den Täter zur Seite schob. Das im Ermittlungsverfahren eingeholte psychiatrische Gutachten bescheinigt dem jungen Mann eine kombinierte Persönlichkeitsstörung, die "nachhaltig und anhaltend" sei, wie der Sachverständige nun den Geschworenen darlegte.

Der 21-Jährige sei zwar zurechnungsfähig, aber infolge seiner Persönlichkeitszüge derart gefährlich, dass ohne haftbegleitende therapeutische Maßnahmen nach seiner Entlassung "mit Kapitalverbrechen zu rechnen ist", wie der Gerichtspsychiater ausführte. Der Angeklagte sei nach dem Motto "Jeder, der schräg schaut, kriegt eine ins Gesicht" vorgegangen. Zur Gewalttat in der U-Bahn meinte Hofmann, der 21-Jährige habe den Trafikanten "mundtot" machen und "völlig außer Gefecht setzen" wollen.

Weitere Gewalttaten

Die Gefahr, die von dem aus schwierigen familiären Verhältnissen stammenden Mann - er wuchs fremduntergebracht auf, hat keine Ausbildung abgeschlossen und war zuletzt ohne feste Bleibe - ausgeht, manifestierte sich auch darin, dass drei weitere Gewalttaten von der Anklage mitumfasst sind. Er hatte schon am 29. und am 31. Dezember aus nichtigem bzw. ohne erkennbaren Anlass zwei Männer mit Faustschlägen attackiert und beiden die Nase gebrochen. Der eine hatte ihm keine Zigarette gegeben, der andere war einfach an einer Bushaltestelle gestanden.

Am 10. Jänner erschien er beim Arbeitsplatz seiner Ex-Freundin und verlangte eine Aussprache. Als der Chef der Frau ihn wegschickte, weil diese den 21-Jährigen nicht sehen wollten, bekam dieser einen Faustschlag ins Gesicht.

Der 21-Jährige ist übrigens in der U-Haft zum Islam konvertiert. Er soll sich im Gefängnis mittlerweile abfällig über "Ungläubige" äußern.

ribbon Zusammenfassung
  • Am Wiener Landesgericht ist am Mittwoch ein Schwurprozess um einen mutmaßlichen Mordversuch in einer U-Bahn-Garnitur fortgesetzt und abgeschlossen worden.
  • Der Angeklagte wurde zu 15 Jahren Haft verurteilt.