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Bresnik: "Man muss das gesamte System hinterfragen"

Seit knapp einem Jahr ist Tennis-Coach Günter Bresnik nicht mehr Trainer von Dominic Thiem, wenige Wochen später erfolgte auch die Trennung auf Manager-Ebene. Der noch 58-jährige Niederösterreicher verbringt nun wie alle Österreicher wegen der Coronavirus-Epidemie sein Leben zuhause.

Seit knapp einem Jahr ist Tennis-Coach Günter Bresnik nicht mehr Trainer von Dominic Thiem, wenige Wochen später erfolgte auch die Trennung auf Manager-Ebene. Der noch 58-jährige Niederösterreicher verbringt nun wie alle Österreicher wegen der Coronavirus-Epidemie sein Leben zuhause.

Der Thiem-Macher, der den aktuellen Weltranglisten-Dritten rund eineinhalb Jahrzehnte zum Spitzenspieler geformt hatte, lebt in Innermanzing (NÖ). Seine Frau und seine vier Töchter sind zuhause, auch seine 24-jährige, in London lebende Tochter Johanna. Bresnik gibt sich im Gespräch mit der APA - Austria Presse Agentur gesellschaftskritisch und nimmt sich auch zum Geldsystem wie immer kein Blatt vor den Mund.

APA: Wie sehr spielt Tennis in Anbetracht der Umstände aktuell eine Rolle in Ihrem Leben?

Günter Bresnik: "Ich muss ehrlich sagen, wenn ich jetzt Anrufe kriege, wo man trainieren kann... Diese Frage stellt sich mir nicht, wenn es Leute gibt, die sich daheim in der 50-m2-Wohnung mit zwei Kindern, einem besoffenen Mann und einem Hund 'durchg'frettn' (durchschlagen, Anm.) müssen, während der Rest spazieren gehen kann."

APA: Auch die Sportler müssen sich also an die Ausgangsbeschränkungen halten.

Bresnik: "Ich sehe gar nicht ein, dass es in anderen Ländern Ausnahmeregelungen für Spitzensportler gibt. Ich habe dem Spitzensport alles zu verdanken, was ich erreicht habe in meinem Leben, aber trotzdem sind mir diese Extrawürschte für die Leute immer auf die Nerven gegangen. Die wahren Helden sind andere, die werden momentan eh wieder ein bisserl gefeiert. Wie lächerlich ist es, wenn man überlegt, dass es Leute gibt wie etwa einen Ronaldo, der pro Tag 100.000 Euro verdient, und dann haben wir nicht genug Geld für Leute, die die Gesundheitsarbeit machen. Da muss man das gesamte System hinterfragen, das geht einfach nicht."

APA: Spielt der Sport denn derzeit überhaupt eine Rolle?

Bresnik: "Sport ist nach wie vor riesig, aber die Relation ist zum Teil komplett verloren gegangen. Es ist für mich auch faszinierend, wie wenig Leute jetzt die Kronenzeitung von hinten zu lesen anfangen würden (mit dem Sportteil beginnend, Anm.). Dass es keine Fußball-EM gibt, keine Olympiade und keine French Open im Mai - das ist letztendlich den Leuten sehr schnell wurscht."

APA: Manche Philosophen sehen die Pandemie als Reinigungsprozess der Erde.

Bresnik: "So dramatisch würde ich es nicht sehen. Ich bin ja kein Experte. Wenn ich fünf Virologen anhöre, höre ich fünf verschiedene Antworten. Wenn sich nach einer Woche die 'Zeit im Bild' eher mit den wirtschaftlichen Auswirkungen als mit den gesundheitlichen beschäftigt, deutet das daraufhin, dass es eher eine Reinigung in anderen Bereichen gibt. Dass man einen vernünftigen Weg finden muss oder soll, sagen tausend Mal gescheitere Leute als ich ja schon seit Jahrzehnten. Mit einer Überbevölkerung wird es keine friktionsfreie Lösung für das Ganze geben."

APA: Sie hinterfragen also auch das wirtschaftliche System?

Bresnik: "Wenn ich mir ein Auto kaufen will und zur Bank gehe, um 30.000 Euro abzuheben, sagen sie, 'kommen Sie nächste Woche wieder'. Zahle ich ihnen einen oder zwei Tage etwas zu spät, habe ich eine Mahnung und zahle 12 Prozent Verzugszinsen, da hört sich der Spaß für mich auf. Gleichzeitig wird künstlich auf ein Konto Geld überwiesen, dass gar nicht existiert. Da braucht man nicht einmal einen Drucker. Die (teilweise diskutierte, Anm.) Bargeld-Abschaffung finde ich absurd."

APA: Wie sehen Sie die Rolle der Politik in Zeiten der Corona-Krise?

Bresnik: "Die Leute zu entmündigen, ist für mich ein Wahnsinn. Die Leute sitzen vor der Zeit im Bild, beten die (Moderatoren) götzenhaft an, ohne zu wissen, was eigentlich ist. Für mich erschreckend... Ich behaupte nach wie vor, dass es keinen Politiker gibt, der für irgendein Problem eine Lösung findet - den gibt es nicht. Richtig große Probleme werden von Wissenschaftern mit extrem hohen theoretischen Wissen plus einem visionären, moralisch-ethisch hohem Standard gelöst. Die auch eine emotionale Intelligenz besitzen, und nicht von irgendwelchen Leuten zu deren Vorteil gesteuert werden."

APA: Sie zweifeln also an der nötigen Ethik?

Bresnik: "Wie viele Leute gibt es mit hohen ethischen Werten? Moral gibt es ja nicht, Ehrlichkeit, Verlässlichkeit, Loyalität, Einfühlsamkeit - was andere Leute betrifft. Ich kann nicht immer nur an meinen eigenen Nutzen denken. Ich muss mir selber helfen, dass ich in der Lage bin, anderen zu helfen. Ich muss mich in eine gute Position bringen. Aber die gute Position muss man dafür verwenden, dass man anderen Leuten hilft und nicht, dass man sie ausnimmt wie eine Weihnachtsgans."

APA: Glauben Sie, dass es nun weltweit nicht nur zu einer Nachdenkphase, sondern auch zu einer kollektiven Änderung im Verhalten kommt?

Bresnik: "Wenn ich bösartig wäre, würde ich sagen, dass bei manchen Leuten durch das Nachdenken keine überraschenden Ergebnisse rauskommen. Ich sag ja nicht, dass die Leute deppert sind. Visionär denken und Dinge miteinander verknüpfen, da fängt für mich die Intelligenz erst an. Nicht im reinen Reproduzieren."

APA: Und gewisse Überbezahlungen ärgern offenbar nicht nur Sie.

Bresnik: "Es ist lächerlich, wenn ein Ronaldo, ich weiß nicht, eine Million im Monat verdient und ein Wissenschafter, der sich einen Wirkstoff gegen Krebs oder gegen das Coronavirus überlegt, mit 2.200 Euro heimgeht. Das steht in keiner Relation. Es geht nicht ums Abzocken, sondern wie erhalte ich die Welt in einer Form, dass sie auch noch auf Generationen hinaus so lebenswert bleibt wie es für uns ist und war. Das sind meine Hauptsorgen als vierfacher Vater."

(Das Gespräch führte Gerald Widhalm/APA)

ribbon Zusammenfassung
  • Seit knapp einem Jahr ist Tennis-Coach Günter Bresnik nicht mehr Trainer von Dominic Thiem, wenige Wochen später erfolgte auch die Trennung auf Manager-Ebene.
  • Der noch 58-jährige Niederösterreicher verbringt nun wie alle Österreicher wegen der Coronavirus-Epidemie sein Leben zuhause.
  • Bresnik gibt sich im Gespräch mit der APA - Austria Presse Agentur gesellschaftskritisch und nimmt sich auch zum Geldsystem wie immer kein Blatt vor den Mund.