Weltweit wieder mehr Atomwaffen
Das geht aus dem am Montag veröffentlichten Jahrbuch des Stockholmer Friedensforschungsinstituts (SIPRI) hervor. "Wir driften in eine der gefährlichsten Perioden der Menschheitsgeschichte", sagte SIPRI-Direktor Dan Smith. Es müssten "unbedingt" Wege der Zusammenarbeit gefunden werden, um geopolitische Spannungen abzubauen und den Rüstungswettlauf zu verlangsamen.
86 mehr als im Vorjahr
Die neun Atomstaaten würden ihre Atomwaffenarsenale weiter modernisieren, heißt es im Jahrbuch 2022. Einige hätten im Vorjahr auch neue nuklear bewaffnete oder nuklearfähige Waffensysteme installiert. Von geschätzten 12.512 nuklearen Sprengköpfen der Atommächte - neben den USA und Russland das Vereinigte Königreich, Frankreich, China, Indien, Pakistan, Nordkorea und Israel - befanden sich im Jänner 2023 insgesamt 9.576 in militärischen Lagern zur potenziellen Verwendung, schreiben die Stockholmer Friedensforscher. Das seien 86 mehr als im Vorjahr.
Davon seien etwa 3.844 nukleare Sprengköpfe einsatzbereit und rund 2.000 in höchster Alarmbereitschaft - beinahe alle davon im Bestand der USA oder Russland. Die beiden Großmächte verfügen zusammen über fast 90 Prozent aller Atomwaffen. Aufgrund der russischen Invasion in der Ukraine im Februar 2022 habe die Diplomatie im Bereich der Rüstungskontrolle sowie Abrüstung aber einen schweren Rückschlag erlitten. Auch die Transparenz in Bezug auf Atomwaffen nahm ab.
Erhöhtes Risiko
"Es besteht die dringende Notwendigkeit, die Nukleardiplomatie wiederherzustellen und die internationalen Kontrollen von Atomwaffen zu verstärken", betonte Smith und sprach das erhöhte Risiko von "Fehleinschätzungen, Missverständnissen oder Unfällen" zwischen den Atommächten an. Sowohl die USA als auch das Vereinigte Königreich stellten der Öffentlichkeit im Jahr 2022 keine Informationen über ihre Nuklearstreitkräfte zur Verfügung, anders als in den Jahren zuvor.
Der russische Präsident Wladimir Putin hatte im Februar den sogenannten "New-Start"-Vertrag mit den USA zur Verringerung des Atomwaffenarsenals ausgesetzt. Russland hatte allerdings erklärt, sich weiter an die Obergrenzen des Vertrags halten zu wollen. Es ist der letzte noch bestehende Abrüstungsvertrag zwischen den beiden Atommächten. Zuletzt zeigte sich der Kreml wieder offen für einen neuen Dialog über die gegenseitige atomare Rüstungskontrolle.
Weiterer Zuwachs in China erwartet
In China habe es laut SIPRI indes einen signifikanten Anstieg des Nukleararsenals gegeben. Die geschätzte Größe des nuklearen Bestandes sei innerhalb eines Jahres von 350 Sprengköpfen auf 410 angestiegen, ein weiterer Zuwachs werde erwartet. Auch Großbritannien habe in der Vergangenheit bereits angekündigt, die Obergrenze für Atomsprengköpfe von 225 auf 260 erhöhen zu wollen.
Frankreich entwickle weiterhin die dritte Generation der Atom-U-Boot-Trägerrakete (SSBN) und auch Indien, Pakistan und Israel, das offiziell Aussagen zu seinen Atomwaffenbeständen verweigert, arbeiteten an der Expansion und Erneuerung ihrer Atomwaffenarsenale, heißt es im SIPRI-Bericht. Nordkorea priorisiere sein Atomwaffenprogramm weiter als "zentrales Element" der nationalen Sicherheitsstrategie. Die Experten schätzen, dass das Land derzeit über 30 nukleare Sprengköpfe verfügt und genug Material für 50 bis 70 weitere besitze - ein deutlicher Anstieg gegenüber dem Vorjahr.
Zusammenfassung
- Die Anzahl der weltweit einsatzfähigen Atomwaffen und Atomsprengköpfe ist im vergangenen Jahr leicht angestiegen.
- Das geht aus dem am Montag veröffentlichten Jahrbuch des Stockholmer Friedensforschungsinstituts (SIPRI) hervor.
- "Wir driften in eine der gefährlichsten Perioden der Menschheitsgeschichte", sagte SIPRI-Direktor Dan Smith.