Tichanowskaja vor EU-Parlament: "Wir brauchen Euch, Europa!"
"Eines Tages werden wir den rechtmäßigen Platz in diesem Haus einnehmen!" Das gelte auch für die Ukraine, zeigte sie sich zuversichtlich, dass es gelingen werde, "aus dem Schatten eines gefräßigen Riesens" herauszutreten. Auch in Ländern wie Georgien, Moldau oder Rumänien herrsche Sorge: "Sollen wir dem Riesen geopfert werden, in der Hoffnung, dass sein Hunger damit gestillt ist? Aber der Hunger eines Empires wird nie gestillt."
Heute stelle sich mehr denn je die Frage: "Wer verteidigt Europa, wenn nicht Europa selbst?" Es gelte, Werte wie Frieden, Sicherheit und Wohlstand zu verteidigen. "Belarus ist der Beweis: Ohne Frieden gibt es keine Sicherheit. Und ohne Sicherheit gibt es keinen Wohlstand." Russlands Staatschef Wladimir Putin und der belarussische Machthaber Alexander Lukaschenko wollten keinen Frieden, "sie wollen Unterwerfung!" Der russische Präsident benehme sich "wie ein betrunkener Nachbar: Er wird aggressiv, wenn er nicht bekommt, was er will".
Für Europa sei die Unterstützung der Opposition in Belarus "eine Investition in die eigene Sicherheit". Deshalb solle man "Diktatoren isolieren und nicht Menschen" und Visa zu Verfügung stellen für jene Bürger aus Belarus, die sie bräuchten. "Wir brauchen Euch, Europa! Wir brauchen einander!", schloss Tichanowskaja ihre Rede.
Nach ihr ergriff die belarussischen Aktivistin Palina Scharenda-Panasiuk das Wort. Die ehemalige politische Gefangene forderte die EU auf, den Druck auf das belarussische Regime durch eine striktere Durchsetzung von Sanktionen und ein vollständiges Handelsembargo zu erhöhen. Der Diktator Lukaschenko müsse politisch und wirtschaftlich geächtet werden.
Erschütternde Berichte aus der Ukraine
Die ukrainische und krimtatarische Aktivistin Lenie Umerowa berichtete über ihre fast zweijährige Haft in Russland, nachdem sie versucht hatte, ihren kranken Vater auf der Krim zu besuchen. Sie sei körperlichen und psychischen Misshandlungen sowie Einzelhaft ausgesetzt gewesen. In den von Russland besetzten Gebieten seien Zivilisten weiterhin mit Entführung, Deportation und Zwangsarbeit konfrontiert, wobei Widerstand mit Gefängnis bestraft werde.
Schließlich erzählte Tata Kepler, eine ukrainische Freiwillige in der Militärmedizin, von ihren Erfahrungen bei der Unterstützung von Kriegsopfern, einschließlich derer, die von sexueller Gewalt betroffen sind. Die Auswirkungen des Krieges auf ukrainische Frauen und Kinder seien tiefgreifend: "Hier und jetzt findet Völkermord am ukrainischen Volk statt - vor Ihren Augen."
Zusammenfassung
- Swetlana Tichanowskaja, die belarussische Oppositionsführerin, sprach vor dem EU-Parlament und hob hervor, dass in Belarus 1.200 politische Gefangene inhaftiert sind, darunter 155 Frauen.
- Sie betonte die Notwendigkeit europäischer Unterstützung, um die Werte von Frieden, Sicherheit und Wohlstand zu verteidigen, und warnte vor der Bedrohung durch Russland und Belarus.
- Die Aktivistin Palina Scharenda-Panasiuk forderte die EU auf, den Druck auf das belarussische Regime durch strengere Sanktionen und ein Handelsembargo zu erhöhen.