Tausende demonstrieren in Wien für Aufnahme von Flüchtlingen
Bei warmem, aber windigem Wetter versammelten sich um 14.00 Uhr mehrere hundert Demonstranten beim Wiener Karlsplatz. Laut Veranstalter schlossen sich zwischenzeitlich bis zu 5.000 Menschen dem Demonstrationszug an. Offizielle polizeiliche Schätzungen zur Zahl der Teilnehmer gab es bis zum frühen Abend keine.
Die Teilnehmer trugen Schilder wie "Kurz, Nehammer und die FPÖ sind die Brandstifter. Nieder mit den Grenzen, wir haben Platz", "EU-Politik tötet" und "Grenzen öffnen. Moria schließen". Unter die Demonstranten mischten sich neben den "Omas gegen rechts" auch Mitglieder der Kleinparteien "Links", "SÖZ" und "Volt". Skandiert wurde "Kein Mensch ist illegal. Bleiberecht überall" oder "Say it loud, say it clear: Refugees are welcome here".
Auf dem Weg zur finalen Kundgebung am Heldenplatz machte der Demonstrationszug Halt bei den Botschaften Griechenlands, Kroatiens und Afghanistans. Die Veranstalter riefen die Teilnehmer dazu auf, auf der Route genügend Abstand zueinander einzuhalten und einen Mund-Nasen-Schutz zu tragen. Mehrere Dutzend Ordner kontrollierten die Einhaltung und trugen Schilder mit "Bitte Mund-Nasen-Klimaschutz tragen". Während das Bedecken von Mund und Nase von nahezu allen Demonstranten eingehalten wurde, konnte der Sicherheitsabstand nicht durchgängig aufrechterhalten werden.
Christoph Riedl von der Diakonie Österreich prangerte die Zustände in den Flüchtlingslagern auf griechischen Inseln an. "Die Geflüchteten sind Geiseln der griechischen Regierung. Ihr Elend soll andere abschrecken", so Riedl. Es sei unsere Menschenpflicht, zu helfen, weil wir die Mittel hätten. "Ihnen nicht zu helfen, ist herzlos und dumm. Nehmen wir die Sache selbst in die Hand", forderte Riedl.
Bei der kroatischen Botschaft schilderte ein Sprecher von "SOS-Balkanroute" gewaltsame Praktiken gegenüber Flüchtlingen an der EU-Außengrenze und meinte: "Die Brutalität an der Außengrenze nimmt zu. Niemand kann mittlerweile mehr sagen, man hätte von nichts gewusst." Auch Alexandra Stanic vom Magazin Vice sprach von einem "systematischen Verstoß gegen Menschenrechte" an der EU-Außengrenze: "Menschen werden dort verprügelt, erniedrigt, ihrer Rechte beraubt."
Der Weg zur afghanischen Botschaft wurde mit Musik und Getrommel abgekürzt. Auch schwoll die Teilnehmerzahl zusehends an. Dort angekommen bedankte sich Ali Khalili, ein junger Mann, der vor fünf Jahren aus Afghanistan nach Wien geflüchtet war, für die freundliche Aufnahme in Österreich. "Die Zivilgesellschaft hat mich in ihre Familie aufgenommen. Diese Stadt hat mich unterstützt. Hier bin ich sicher", so Khalili. Jedoch müssten Abschiebungen nach Afghanistan gestoppt werden, forderte der junge Mann. "Dort herrscht immer noch Krieg. Es hat sich seit 2015 nichts verändert. Abschiebungen nach Afghanistan sind nicht nur eine grobe Verletzung der Menschenrechte, sondern Mord", so Khalili.
Die Demonstration endete am Heldenplatz. Dort spendete Erich Fenninger, Direktor der Volkshilfe Österreich, der Zivilgesellschaft Dank für ihr Engagement. "Das Jahr 2015 steht für Menschlichkeit und zivilgesellschaftliches Handeln. Wer das Wesen von 2015 umdeutet, enttarnt sich selbst als Menschenfeind", sagte Fenninger. Kritik hagelte es für die ÖVP, die in den Augen Fenningers mittlerweile Positionen der FPÖ übernommen habe: "Wir haben Platz. Das sage ich bewusst wenige Meter vom Bundeskanzleramt entfernt. Es ist eine Schande für Österreich, dass Flüchtlinge im Dreck liegen müssen", so der Volkshilfe-Direktor.
Zum Abschluss der Demonstration wurde ein eineinhalbstündiger Zusammenschnitt des "Voices-for-Refugees"-Solidaritätskonzert vor fünf Jahren gezeigt. Damals spielten Bands wie Die Toten Hosen, Bilderbuch oder der italienische Popmeister Zucchero vor rund 150.000 Menschen am Heldenplatz.
Zusammenfassung
- Mehrere tausend Menschen haben sich am Samstagnachmittag einer Demonstration unter dem Motto "Wir haben Platz" in Wien angeschlossen.
- Bei warmem, aber windigem Wetter versammelten sich um 14.00 Uhr mehrere hundert Demonstranten beim Wiener Karlsplatz.
- Christoph Riedl von der Diakonie Österreich prangerte die Zustände in den Flüchtlingslagern auf griechischen Inseln an.
- Auch schwoll die Teilnehmerzahl zusehends an.