Staatsanwaltschaft ermittelte gegen 102-jährigen Wiener
Das Foto wurde mit einem entsprechenden Bericht in einer Bezirkszeitung abgedruckt, worauf die Direktion für Staatsschutz und Nachrichtendienst (DSN) an der Adresse des emeritierten Anwalts eine Hausdurchsuchung durchführte. Dabei wurden weitere Gegenstände gefunden, die von der DSN als NS-Devotionalien eingestuft und sichergestellt wurden, etwa ein Eisernes Kreuz mit Hakenkreuz oder eine abgebildete Standarte der Kosaken-Division mit Hakenkreuzen. Gegen den inzwischen 102-Jährigen wurde daraufhin ein Verfahren wegen Verdachts auf nationalsozialistische Wiederbetätigung eingeleitet.
Der emeritierte Anwalt hatte im Zweiten Weltkrieg als Major der Wehrmacht an der Schlacht um Stalingrad teilgenommen. Das Porträt hatte ihm ein befreundeter Anwalt in den 1960-er-Jahren von einer akademischen Malerin anfertigen lassen und geschenkt. Offensichtlich hing es Jahrzehnte lang an der Wand, ohne dass jemand daran Anstoß nahm. "Mit dem Bild wurde nicht dem Nationalsozialismus gehuldigt", meinte Werner Tomanek, der Rechtsvertreter des Hochbetagten, im Gespräch mit der APA. Dem 102-Jährigen sei es nie darum gegangen, in "seiner Wohnung etwas zur Schau zu stellen." Das Porträt sei vielmehr eine Erinnerung an dessen bewegtes Leben. Der Mann wurde in der Schlacht um Stalingrad verwundet und ausgeflogen, später wurde er in der 1. Kosaken Division am Balkan eingesetzt.
Die Staatsanwaltschaft hat das Verfahren gegen den Hochbetagten inzwischen eingestellt. Es sei "kein tatsächlicher Grund zur weiteren Verfolgung gegeben", heißt es in der Einstellungsbegründung. Der 102-Jährige hat die beschlagnahmten Gegenstände auch wieder ausgefolgt bekommen, wobei der zuständige Staatsanwalt im Vorfeld schriftlich fixierte, der Besitzer sei im Zug der Übergabe im Hinblick auf das Verbotsgesetz zu belehren, "dass die Gegenstände entsprechend sorgfältig zu verwahren sind." Diese Belehrung ist auch erfolgt, wie der frühere Anwalt in einer Notiz dem Staatsanwalt bestätigt hat.
Mit ein Ausgangspunkt der Ermittlungen waren möglicherweise Gerüchte, die im Vorjahr von einer ehemaligen Nationalratsabgeordneten "gestreut" wurden. Sie besagten, am Dachboden einer Burschenschaft würde ein ehemaliger SS-Funktionär wohnen. Der Rechtsvertreter des 102-Jährigen vermutet, dass die Behörden im Zug ihrer Recherchen nach noch lebenden Kriegsteilnehmern so überhaupt erst auf seinen Mandanten gekommen sind. "Der hatte allerdings nie etwas mit der SS am Hut", betonte Tomanek.
Zusammenfassung
- Die Staatsanwaltschaft Wien stellte das Verfahren gegen einen 102-jährigen ehemaligen Anwalt ein, der im Verdacht stand, nationalsozialistische Wiederbetätigung begangen zu haben.
- Bei einer Hausdurchsuchung wurden NS-Devotionalien wie ein Eisernes Kreuz mit Hakenkreuz sichergestellt, die dem Mann nach Einstellung des Verfahrens zurückgegeben wurden.
- Gerüchte über einen ehemaligen SS-Funktionär könnten die Ermittlungen ausgelöst haben, obwohl der Anwalt nie mit der SS in Verbindung stand.