Schallenberg in Südafrika: "Kein erhobener Zeigefinger"
Das wäre nämlich "das Dümmste", ergänzte der Außenminister. "So würden wir den globalen Süden verlieren." Doch sei der afrikanische Kontinenten auch für die Zukunft Europa von immenser Bedeutung, wie Schallenberg bereits im Senegal unterstrichen hatte. "Wir müssen da präsenter sein", resümierte er und nahm sich als Chefdiplomat gleich selbst an der Nase. Auch Österreich ist gerade in einem Fünftel der 54 afrikanischen Staaten mit Botschaften vertreten.
Südafrika sei "einer der Meinungsführer im Globalen Süden", präzisierte Schallenberg die Hintergründe seines Reiseziels. "Auch, wenn wir mit Blick auf den Angriffskrieg Russlands manches diametral anders sehen, so gilt doch: Europa muss weg vom erhobenen Zeigefinger und hin zu mehr Pragmatismus. Ein offenes Ohr für die Positionen unseres Gegenübers ist dazu der erste Schritt."
Südafrika hat zum Westen ein belastetes Verhältnis, historisch gesehen wegen des Kolonialismus und der Unterstützung des Apartheidregimes. In der jüngeren Vergangenheit wurde auch die anfangs ungleiche Verteilung von COVID-Impfstoffen vom Südafrika als "Impfapartheid" kritisiert. Südafrika ist auch Mitglied der sogenannten BRICS-Staaten, die sich als Gegenmodell zur westlich geminierten Welt sehen.
International sorgten in der jüngeren Vergangenheit gemeinsame Marinemanöver mit China und Russland vor der südafrikanischen Küste für Kritik. Auch wurde Südafrika verdächtigt, Waffen an Russland verschifft zu haben. Auch das freundschaftliche Verhältnis der Regierungspartei "Afrikanischer Nationalkongress" (ANC) zum Aggressorstaat Russland ist im Westen nicht gerne gesehen.
Ein historischer Hintergrund ist freilich auch dieser: Während des Apartheid-Regimes hatte die kommunistische Sowjetunion die Schwarzen Befreiungskämpfer Südafrikas unter anderem mit Waffen unterstützt. Dennoch wird Schallenberg im Zuge der Erörterung sicherheitspolitischer Fragen wohl die Haltung Österreichs und des Großteils der EU-Staaten zum russischen Angriffskrieg in der Ukraine zum Ausdruck bringen. Im Nahostkonflikt ist vor allem die schwarze Bevölkerung laut Studien mehrheitlich der Ansicht, dass Israel gegenüber den Palästinensern eine "Apartheidpolitik" verfolgt.
Beim Besuch bei Österreichs wichtigstem Wirtschaftspartner in Afrika spielen aber auch Handelsfragen eine große Rolle. Daher wird Schallenberg auch von einer Delegation der Wirtschaftskammer (WKÖ) begleitet. Am Donnerstag findet zudem folgerichtig ein "Business Forum South Africa-Austria "statt. Am Tag darauf gibt es auch Termine mit den Ministern Ebrahim Patel (Wirtschaft) und Pravin Gordhan (Staatsunternehmen).
Zwar erlebte Südafrika in den vergangenen Jahren wegen der Covid-Krise und dem schwierigen ökonomischen Umfeld im Zusammenhang mit dem russischen Angriffskrieg in der Ukraine eine gewisse Eindämmung des Wirtschaftswachstums, dennoch betrug dieses laut WKÖ im Jahr 2022 immerhin 1,9 Prozent.
Knapp ein Drittel aller österreichischen Exporte geht nach Südafrika und mehr als ein Drittel aller Afrika-Importe kommt aus Südafrika. Gute Chancen für österreichische Unternehmen bestehen weiterhin im Ausbau der südafrikanischen Infrastruktur und bei Industrieausrüstungen. Das gilt insbesondere für den Energie- und Umweltsektor. Im Speziellen werden die Bereiche erneuerbare Energie, Technologien zur Energieeinsparung sowie Anlagen zur Wasser- und Abwasseraufbereitung als zukunftsträchtig angesehen. Auch im Gesundheitsbereich gebe es für österreichische Firmen vor allem im privaten Sektor gute Möglichkeiten für einen Markteintritt, heißt es im WKÖ-Landesbericht.
Gegen Ende seines Aufenthalts wird Schallenberg noch dem "Constitution Hill" einen Besuch abstatten, wo heute das südafrikanische Verfassungsgericht seinen Sitz hat. In dem früheren Gefängniskomplex für politische Häftlinge war in der Zeit der Apartheid vor 1990 auch Nelson Mandela inhaftiert. Von 1994 bis 1999 hatte der zu diesen Zeiten bereits als Freiheitsheld gefeierte Kämpfer gegen Rassendiskriminierung und soziale Ungleichheit als Friedensnobelpreisträger (1993) das Präsidentenamt inne. Mandela starb 2013 im Alter von 95 Jahren.
Im ersten Halbjahr 2024 könnte freilich die seither anhaltende Dominanz von Mandelas Partei ANC (Afrikanischer Nationalkongress) zu Ende gehen. Umfragen zufolge könnte der ANC unter die 50-Prozent-Marke rutschen. Die Oppositionsparteien erhöhten zuletzt den Druck auf den amtierenden Präsidenten Cyril Ramaphosa und den von Skandalen belasteten ANC.
Nach drei Jahrzehnten der ANC-Führung hat die Ungleichheit auch nach Angaben der Weltbank zugenommen. Korruption ist verbreitet, die Sicherheitslage hat sich verschlechtert, auch infrastrukturelle Defizite häufen sich. Stromausfälle sind an der Tagesordnung.
Zusammenfassung
- Nach einem Besuch im Senegal setzt Außenminister Alexander Schallenberg (ÖVP) seine Afrikareise am Donnerstag in Südafrika fort.
- Südafrika sei ein Land, das "zu allen Themen einen anderen Zugang" habe als die meisten EU-Staaten und Österreich, meinte Schallenberg im Vorfeld bezüglich der Konflikte in Nahost und der Ukraine.
- Dennoch dürften Europäer "nicht moralisierend" und "mit erhobenem Zeigefinger" auftreten.