Rücktrittswelle im Team von Boris Johnson
Der britische Premierminister Boris Johnson gibt sich trotz seiner Verstrickung in den "Partygate"-Skandal kämpferisch. Er strebe eine Wiederwahl bei der für 2024 geplanten Parlamentswahl an, sagte Johnson der "The Sun" am Donnerstag. Unterdessen kommt es zu einer regelrechten Rücktrittswelle unter seinen Beratern.
Chef-Politikberaterin geht nach verbaler Entgleisung
Den Anfang machte Johnsons langjährige Chef-Politikberaterin Munira Mirza. Sie reagierte auf eine verbale Attacke Johnsons auf Oppositionschef Keir Starmer. Mirza warf Johnson am Donnerstag in einem Kündigungsbrief, der dem britischen "Spectator" vorliegt, eine "unangemessene" Referenz zu einem entsetzlichen Missbrauchsfall vor, für die es keine Grundlage gebe.
Johnson hatte Starmer vorgeworfen, dass in seiner Zeit als Leiter der Staatsanwaltschaft nicht gegen den pädophilen BBC-Moderator Jimmy Savile ermittelt worden sei. Savile gilt als einer der schlimmsten Sexualverbrecher der britischen Geschichte. Er starb 2011, ohne je für seine Taten strafrechtlich belangt worden zu sein. Starmer war zwar damals im Amt, hatte aber mit dem Fall Savile nichts zu tun.
Dem "Spectator" zufolge hat Mirza 14 Jahre lang für Johnson gearbeitet und gehörte bisher zu seinem engsten Zirkel. Zwar habe Johnson versucht, seinen Kommentar nachträglich zu erklären, aber sich - anders als von ihr empfohlen - nicht entschuldigt, schrieb die Beraterin.
Kommunikationschef geht aus familiären Gründen
Am Abend kündigte der "Daily Mail" zufolge noch ein weiterer hochrangiger Downing-Street-Mitarbeiter seinen Rücktritt an - was Downing Street auch nicht abstritt. Der bisherige Kommunikationschef Jack Doyle, der früher selbst für die "Daily Mail" arbeitete, betonte jedoch, seine Entscheidung habe nichts mit Mirzas Rücktritt zu tun. Die vergangenen Wochen hätten sein Familienleben stark belastet.
Stabschef und Privatsekretär werfen das Handtuch
Schließlich wurde am späten Abend bekannt, dass auch Johnsons Stabschef Dan Rosenfield und sein Privatsekretär Martin Reynolds ihren Rücktritt einreichten. Ein Sprecher von Johnsons Amtssitz Downing Street erklärte lediglich, der Premier habe die Rücktritte angenommen.
Britische Kommentatoren werteten die Rücktritt als weiteren Schlag für Johnson, der wegen der "Partygate"-Affäre heftig unter Druck steht. Ein Untersuchungsbericht wirft den Verantwortlichen in der Downing Street Führungsversagen und Regelbrüche vor, außerdem ermittelt die Polizei. Einige Abgeordnete seiner eigenen Partei haben Johnson bereits schriftlich ihre Unterstützung entzogen.
"Ich habe noch viel vor", betonte Johnson dagegen in der "Sun". "Ich erledige meinen Job und ich werde dies tun, solange ich das Privileg und die Ehre habe, in dieser Position zu dienen." Johnson steht seit Wochen erheblich unter Druck. Er wird für mehrere Lockdown-Partys in der Downing Street verantwortlich gemacht, bei denen womöglich die Corona-Regeln gebrochen wurden. Zu insgesamt zwölf Veranstaltungen ermittelt nun die Polizei, bei mehreren davon war Johnson anwesend. Die Opposition sowie immer mehr Mitglieder seiner Konservativen Partei fordern deshalb Johnsons Rücktritt.
Zusammenfassung
- Vier enge Berater von Großbritanniens Premierminister Boris Johnson gehen. Er selbst gibt sich weiter kämpferisch. Er sei "sicher nicht" erledigt.
- Er strebe eine Wiederwahl bei der für 2024 geplanten Parlamentswahl an, sagte Johnson der "The Sun" am Donnerstag, während vier enge Mitarbeiter ihm den Rücken kehrten.
- Den Anfang machte Johnsons langjährige Chef-Politikberaterin Munira Mirza. Sie reagierte auf eine verbale Attacke Johnsons auf Oppositionschef Keir Starmer.
- Am Abend kündigte der "Daily Mail" zufolge noch ein weiterer hochrangiger Downing-Street-Mitarbeiter seinen Rücktritt an. Kommunikationschef Jack Doyle machte familiäre Gründe für seinen Rücktritt geltend.
- Schließlich wurde am späten Abend bekannt, dass auch Johnsons Stabschef Dan Rosenfield und sein Privatsekretär Martin Reynolds ihren Rücktritt einreichten.