Parteichefs wollen mehrheitlich stärkere EU
Gefragt, wie die EU 2045 - beim 50-jährigen Jubiläum von Österreichs Mitgliedschaft - aussehen soll, wünschte sich Nehammer eine größere Union, die ihre Interessen auf der weltpolitischen Bühne sichern und verteidigen kann. Auch Staaten des Westbalkans sollen Mitglieder werden. Gleichzeitig müssten die Außengrenzen geschützt und illegale Migration sowie Überregulierung gestoppt werden. Eine verbesserte Verteidigungsfähigkeit strichen Meinl-Reisinger und Kogler hervor. Letzterer glaubt an ein Fallen der Einstimmigkeit in der Außen- und Sicherheitspolitik.
Einig waren sich die meisten Parteivorsitzenden darüber, dass die EU wirtschaftlich erstarken sollte. Meinl-Reisinger hofft auf eine globale wirtschaftliche Führungsrolle, Babler auf Investitionen in Wachstum, Innovation, Arbeitsplätze und Versorgungssicherheit und Nehammer auf einen "vollendeten Binnenmarkt". Kogler wünscht sich eine Fortsetzung des grünen Umbaus der Wirtschaft, und auch Nehammer will eine "erfolgreiche grüne Wende". In den nächsten 20 Jahren solle die soziale Säule der EU gestärkt werden, meinte Babler.
Nehammer betonte, dass es "selbstbewusste Nationen" brauche. Weiter geht Kickl, der nach gestärkten Mitgliedsstaaten ruft und - mehr als ÖVP, SPÖ, NEOS und Grüne, die sich sehr proeuropäisch äußerten - Kritik an der Union übt. Er hofft, dass es in 20 Jahren eine "selbstbewusste Regierung" in Österreich gibt, "die das Interesse der eigenen Bürger in den Mittelpunkt ihres Handelns stellt und nicht in erster Linie den selbst ernannten Eliten in der EU gefallen möchte", Kickl wandte sich gegen "Vereinigte Staaten von Europa". Diese hatten die NEOS in der Vergangenheit gefordert.
Babler sprach sich gegen die "Rechtspopulisten und Zerstörer" auf EU-Ebene aus. Kogler glaubt, dass "die Zweifler, die neuen Nationalisten und die Europazerstörer" mit ihrer "Kleinstaaterei in der Bedeutungslosigkeit versinken" werden. Beide waren sie allerdings nicht immer restlos von der EU überzeugt - prominent etwa Babler, der das Bündnis in einem Podcast 2020 noch als das "aggressivste außenpolitische militärische Bündnis, das es je gegeben hat", bezeichnet hatte. Heute sei er ein "Anhänger der europäischen Idee", hob der SPÖ-Chef Errungenschaften der EU wie den freien Personenverkehr, die gemeinsame Währung oder Lohntransparenz-Gesetze und Werte wie Demokratie, Menschenrechte und soziale Sicherheit hervor.
Auch Kogler spricht von einer "differenzierten" Haltung der Grünen vor der Beitrittsabstimmung. Heute würden sie "an den Geschicken der Union selbstverständlich und mit großer Überzeugung" mitwirken. Schließlich habe diese Österreich zu mehr Wohlstand verholfen und biete u.a. beim grünen Kernthema Klima- und Naturschutz wichtige Handlungsoptionen.
Als "überzeugten Europäer" beschreibt sich Nehammer. Den damaligen Außenminister Alois Mock (ÖVP), der den österreichischen EU-Beitritt verhandelte, habe er schon als Achtjähriger kennengelernt und von ihm gelernt, "Europa als christlich-sozial geprägte Idee zu verstehen - und das prägt mich bis heute". Der Beitritt habe Österreich von einer Randlage in die Mitte Europas gerückt. Der Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine verdeutliche, dass es eine geschlossene und entschlossene EU brauche. Meinl-Reisinger plädierte ebenfalls u.a. wegen des Ukraine-Krieges für Unabhängigkeit und Handlungsfähigkeit. Die EU sichere schließlich Frieden, Freiheit, Menschenrechte, Sicherheit und Wohlstand.
Eine negative Entwicklung der EU sieht hingegen Kickl, der u.a. die Ukraine-Politik kritisiert. Es gebe "horrende Schulden, die für den Corona-Wiederaufbau oder die Waffenkäufe für die Ukraine gemacht wurden". Die EU-Kommission solle "eigentlich ausschließlich als Hüterin der EU-Verträge auftreten", sei mittlerweile aber eine Art "EU-Regierung" mit einer eigenen inhaltlichen Agenda. Eine Erleichterung für die Menschen seien etwa die Reisefreiheit und die einheitliche Währung, viele im Vorfeld der Volksabstimmung gemachten Versprechen - etwa das Beibehalten des Schillings - hätten sich aber nicht erfüllt.
Zusammenfassung
- FPÖ-Obmann Herbert Kickl kritisiert die EU-Politik, insbesondere die Ukraine-Politik und die Schuldenpolitik, und lehnt die Idee der 'Vereinigten Staaten von Europa' ab. Er plädiert für gestärkte Mitgliedsstaaten.
- Grünen-Chef Werner Kogler fordert einen grünen Umbau der Wirtschaft und glaubt an eine EU ohne Einstimmigkeit in der Außenpolitik. Die Parteichefs betonen die Bedeutung der EU für Frieden und Wohlstand.