Lehrergewerkschafter kritisieren "Chaos" zum Schulstart
Dass laut Bildungsminister Martin Polaschek (ÖVP) heuer an den Schulen trotz Personalmangels jede Stunde gehalten werden kann und Wiens Bildungsstadtrat Christoph Wiederkehr (NEOS) zufolge in Wien nur 31 Pflichtschullehrer fehlen sollen, empfinde er als Hohn, so Krebs im Gespräch mit der APA. Die Schulen hielten sich über Wasser, indem teilweise zwei bis drei Lehramtsstudierende sich die Führung einer Klasse aufteilten und nebenbei versuchen, ihre Ausbildung weiterzumachen. Ohne die vielen Kolleginnen und Kollegen mit Sondervertrag, die keine volle Lehrerausbildung haben und mit schlechter bezahlten Sonderverträgen angestellt sind, "würde das System längst kollabieren", schilderte Krebs die Situation in Wien. Er schätzte, dass sicher ein Drittel der Standorte nicht alle Stunden besetzen können und deshalb Angebote wie Förderunterricht ausfallen lassen muss. "Von Entwarnung kann also keine Rede sein."
Ähnlich sieht die Lage teilweise auch in den anderen Bundesländern aus, wie der Vorsitzende der ARGE Lehrer in der GÖD, Paul Kimberger, der APA berichtet. Insgesamt sei der Schulstart "sehr holprig" verlaufen, so seine Einschätzung. Er rechnet sogar mit einer Verschärfung der Lage im weiteren Verlauf des Schuljahrs. Denn während in früheren Jahren die Bildungsdirektionen immer etwas mehr Posten ausgeschrieben hätten, um erfahrungsgemäß bald nach Schulbeginn benötigte Personalreserven zu schaffen, brauche man heuer schon das gesamte verfügbare Personal, um eine Minimalbesetzung sicherzustellen - besonders an den Pflichtschulen (v.a. Volks- und Mittelschulen), aber auch den anderen Schultypen. "Das wird spätestens bei der ersten Grippewelle im Herbst ein Problem."
Erschwert wird die Situation laut den Lehrervertretern durch Probleme mit der Lehrerverwaltung. Stunden würden falsch verrechnet, teilweise würden Lehrer seit dem vergangenen Herbst ohne Dienstvertrag arbeiten, berichtet Krebs aus Wien. Rund 800 Kolleginnen und Kollegen mit befristetem Vertrag seien hier ihren Schulen nicht rechtzeitig zur Weiterverwendung zugewiesen worden, mit dem Effekt, dass die Schulleiter sie aus rechtlichen Gründen nicht einsetzen konnten. Auch diese Probleme kenne er so und in ähnlicher Form bundesweit, so Kimberger. Generell würden die Verwaltungsprozesse viel zu lange dauern, durch lange Wartezeiten verliere man auch Interessenten an die Privatwirtschaft.
Wenn die Situation sich bessern solle, brauche es von der Politik endlich eine ehrliche Bestandsaufnahme, wie viel des Personalbedarfs abgedeckt sei und was die Schule unter den aktuellen Bedingungen leisten könne, fordert Krebs. "Wir müssen alles dafür tun, um ein flächendeckendes pädagogisches Angebot sicherzustellen", betont auch Kimberger. Den "Luxus" extrem aufwendiger Schulverwaltungsprogramme könne man sich in dieser Situation nicht mehr leisten. Krebs fordert zudem, Maßnahmen beim Schulqualitätsmanagement oder auch pädagogische Projekte wie alternative Leistungsbeurteilungen oder das Kind-Eltern-Lehrergespräch entweder auszusetzen oder zumindest deutlich zu verschlanken.
Zusammenfassung
- Der Personalmangel führe dazu, dass viele Standorte sich mit Provisorien behelfen und Angebote wie Sprachförderung oder anderen Förderunterricht ausfallen lassen müssten.
- Dazu kämen auch heuer Probleme mit der Verwaltung, wodurch fallweise selbst vorhandene Lehrer nicht unterrichten könnten, ortet Wiens oberster Lehrervertreter Thomas Krebs (FCG) "Chaos".
- "Das wird spätestens bei der ersten Grippewelle im Herbst ein Problem."