Erdoğan-Gegner
İmamoğlu-Festnahme: Erste Proteste trotz Demoverbot
Der Istanbuler Bürgermeister Ekrem Imamoğlu von der sozialdemokratischen CHP ist am Mittwoch verhaftet worden. Er gilt als derzeit wichtigster Kontrahent von Staatschef Recep Tayyip Erdoğan. Ihm wird unter anderem die Unterstützung der verbotenen Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) vorgeworfen.
Zuvor war am Dienstag bekannt geworden, dass die Universität Istanbul den an der Hochschule erworbenen Abschluss von İmamoğlu wegen "offensichtlicher Fehler" aberkannt hatte. Damit droht ihm ein Ausschluss bei der kommenden Präsidentschaftswahl in der Türkei.
Die Festnahme von Imamoğlu brachte das Fass schließlich zum Überlaufen. Landesweit gab es erste Proteste - und das, obwohl etwa in Istanbul ein viertägiges Demonstrationsverbot gilt.
Studierende solidarisieren sich mit Imamoğlu
Student:innen verschiedener Universitäten, insbesondere der Universität Istanbul, trafen sich bei der Istanbuler Metro-Station Vezneciler, unweit der Universität, und begannen, zum Beyazıt-Platz zu marschieren. Während des Marsches wurden die Studenten durch eine Polizeiabsperrung blockiert.
Die Studenten versuchten, die Absperrung zu durchbrechen. Wie aus den Aufnahmen des türkischen Senders "Halk TV" zu sehen ist, gerieten die Studierenden dabei in eine gewaltige Auseinandersetzung mit der Polizei.
https://twitter.com/halktvcomtr/status/1902316081944973431
"Dieser Prozess gegen vom Volk gewählte Politiker hat einmal mehr gezeigt, dass Demokratie und Recht mit Füßen getreten werden und der Wille des Volkes ignoriert wird", hieß es in einer Pressemitteilung der Studierenden, wie die Zeitung "Evrensel" berichtet.
Außerdem sei die Annullierung des Studientitels von İmamoğlu "inkazeptabel". "Es ist klar, dass diese Entscheidung nicht nur eine Einzelperson betrifft, sondern ein Schritt ist, der direkt auf die Demokratie abzielt und sich in die Wahlen einmischt", hieß es in dem Statement weiter.
Proteste im Parlament
Weitere Proteste gab es auch im türkischen Parlament. Während der Rede des CHP-Abgeordneten Ali Mahir Başarır versammelten sich die CHP-Abgeordneten auf der Tribüne, um ihn zu unterstützen.
"Man kann dem Präsidentschaftskandidaten dieses Landes nicht den Weg versperren", sagte Başarır. Er kritisiert die Razzia am Mittwoch und betont dabei, dass Anwälte und Abgeordnete das Haus des Bürgermeisters nicht betreten durften.
"Nach dieser Minute wurden die U-Bahnen auf der europäischen Seite der Stadt eingestellt. Von dieser Minute an wurde das Internet geschwächt", kritisierte Başarır. Genau wie der CHP-Vorsitzende Özgür Özel bezeichnet auch Başarır die Vorgehensweise als "Putsch".
"Liebe Freunde, leider versucht die Regierung, zu einem autokratischen Regime überzugehen", so der Politiker.
https://twitter.com/bosunatiklama/status/1902321924786516016
Bevölkerung protestiert Festnahmen
In einer Aussendung der CHP wurde dazu aufgerufen, sich um 14.00 Uhr (Ortszeit) in der CHP-Zentrale und den Provinz- und Bezirksorganisationen einzufinden. Die CHP-Anhänger:innen folgten vielerorts bereits dem Aufruf und trafen sich vor den Gebäuden der Partei.
https://twitter.com/haskologlu/status/1902320508114211037
Aufnahmen auf Social Media zeigen, wie Hunderte Personen in den Städten Ankara, Izmir und Rize vor der Parteizentrale, aber auch auf den Straßen demonstrieren.
Dabei wird lautstark "Wir werden gewinnen, indem wir Widerstand leisten" gerufen.
Justizminister will keine öffentliche Kritik zulassen
Der türkische Justizminister Yilmaz Tunc warnte indes vor Protesten wegen der Verhaftung. "Aufrufe zur Beeinflussung der unparteiischen Justiz und Aufrufe zu Straßenprotesten sind inakzeptabel", sagte Tunc in Ankara. Der Ort, um Imamoglu zu verteidigen, sei nicht die Straße, sondern die Justiz.
Tunc wies Vorwürfe zurück, Präsident Erdogan habe etwas mit der Verhaftung zu tun: "Es ist anmaßend, die von der Justiz eingeleiteten Ermittlungen mit unserem Präsidenten in Verbindung zu bringen."
Es gebe eine Gewaltenteilung, die Justiz nehme von niemandem Befehle entgegen. Es gelte nun das Ergebnis der unter Geheimhaltung geführten Ermittlungen abzuwarten.
Zusammenfassung
- Die Polizei hinderte Studierende mit Gewalt daran, gegen die Verhaftung des Istanbuler Bürgermeisters Ekrem İmamoğlu zu protestieren.
- In Istanbul herrscht derzeit ein Demoverbot, das von Studierenden und İmamoğlu-Unterstützern aber ignoriert wird.
- Landesweit versammelten sich unter anderem auch Hunderte Personen vor den Gebäuden von İmamoğlus Partei CHP und drückten lautstark ihre Solidarität mit dem beliebten Erdoğan-Gegner aus.
- Berichten zufolge haben die türkischen Behörden den Zugang zu sozialen Netzwerken im Land eingeschränkt.